Juni 15, 2025

India­ner — darf man das noch sagen?

Es hat­te uns kalt erwischt. Es war wie ein Schlag ins Gesicht.

Im Juni 2024 beka­men wir eine E‑Mail von einer öster­rei­chi­schen Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on. Dar­in stand, dass wir von einer Ver­an­stal­tung aus­ge­schlos­sen wer­den. Der Grund: Wir tra­gen das Wort „India­ner“ in unse­rem Ver­eins­na­men.

Zwar wuss­ten wir, dass es Dis­kus­sio­nen über die­sen Begriff gibt – aber wir hat­ten uns nie all­zu inten­siv damit beschäf­tigt. Wenn wir gefragt wur­den, etwa von Jour­na­lis­ten, war unse­re Ant­wort immer die­sel­be: „Klar darf man das sagen. Wenn India­ner nichts dage­gen haben – war­um soll­ten wir?“

Wir ste­hen seit Jahr­zehn­ten in engem Kon­takt mit Indi­ge­nen aus Nord­ame­ri­ka und sind mit den Per­spek­ti­ven vie­ler Indi­ge­ner gut ver­traut – daher war für uns immer klar: 

Die Betrof­fe­nen sol­len gefragt wer­den, denn nur sie selbst soll­ten dar­über ent­schei­den, wie sie genannt wer­den wol­len.

Dass aus­ge­rech­net eine euro­päi­sche Orga­ni­sa­ti­on uns nun vor­schrei­ben will, wie Indi­ge­ne Völ­ker in Nord­ame­ri­ka bezeich­net wer­den dür­fen – ohne je mit ihnen gespro­chen zu haben –, hat uns nicht nur über­rascht, son­dern fas­sungs­los gemacht.

Und mehr noch: Mit unse­rem Aus­schluss war das The­ma „Men­schen­rech­te und Indi­ge­ne in Nord­ame­ri­ka“ von der Ver­an­stal­tung exklu­diert. Weil ein paar Men­schen glaub­ten, im Namen der poli­ti­schen Kor­rekt­heit spre­chen zu müs­sen – für ande­re, ohne sie ein­zu­be­zie­hen.

Die­ser Vor­fall war für uns der Aus­lö­ser, die Fra­ge end­lich grund­sätz­lich zu stel­len:

 Darf man heu­te noch „India­ner“ sagen?

Und vor allem: Wer darf das eigent­lich ent­schei­den?


India­ner / Indi­an — ein euro­päi­sches Pro­blem?

Unser Obmann Dr. Peter Schwarz­bau­er berich­tet von einem Erleb­nis beim 50-Jah­res-Jubi­lä­um unse­rer Part­ner-Orga­ni­sa­ti­on Inco­min­di­os in Zürich.
Bei die­ser Ver­an­stal­tung waren indi­ge­ne Ver­tre­ter vor allem aus Nord- und Süd­ame­ri­ka zuge­gen.

Einer davon war Ron Lame­man, der Prä­si­dent des „Inter­na­tio­nal Indi­an Trea­ty Coun­cil“, die ältes­te indi­ge­ne NGO, die an der UNO ver­tre­ten und akkre­di­tiert ist.

Auf die Fra­ge, ob man den Begriff „India­ner“ heu­te über­haupt noch ver­wen­den dür­fe, ant­wor­te­te Ron schlicht:

„Ob man heu­te noch India­ner sagen darf? —
Über das habe ich mir über­haupt noch nie irgend­wel­che Gedan­ken gemacht.“

Ron Lame­man

Eine bemer­kens­wer­te Ant­wort – wel­che die Fra­ge auf­wirft, ob die­se Dis­kus­si­on vor allem in Euro­pa geführt wird.


Recht­lich, his­to­risch, kul­tu­rell – war­um „India­ner“ kein fal­scher Begriff ist

Dr. René Kup­pe, Rechts­an­thro­po­lo­ge und Exper­te für Rech­te Indi­ge­ner Völ­ker, beschäf­tigt sich seit Jahr­zehn­ten mit indi­ge­nen Völ­kern Nord­ame­ri­kas. Für ihn steht fest: Wer sich wirk­lich mit der Geschich­te, Kul­tur und recht­li­chen Stel­lung der nord­ame­ri­ka­ni­schen „India­ner“ aus­ein­an­der­setzt, kommt an die­sem Begriff nicht vor­bei.

Kup­pe ver­weist dar­auf, dass der eng­li­sche Begriff „Indi­an“ – anders als das spa­ni­sche „Indio“ – nie nur eine eth­ni­sche Kate­go­rie war, son­dern in der bri­ti­schen Kolo­ni­al­ge­schich­te von Beginn an eine recht­li­che und poli­ti­sche Dimen­si­on hat­te. Schon im 18. Jahr­hun­dert wur­den indi­ge­ne Grup­pen als „Indi­an Nati­ons“ oder „Indi­an Tri­bes“ bezeich­net – und genau die­ser Sta­tus ist bis heu­te sowohl in Kana­da als auch in den USA juris­tisch aner­kannt. Der Begriff bezeich­net dem­nach nicht nur eine kul­tu­rel­le Zuge­hö­rig­keit, son­dern steht für kol­lek­ti­ve, poli­tisch-recht­li­che Selbst­be­stim­mung. Daher spricht man in bei­den Län­dern auch heu­te noch ganz offi­zi­ell von „Indi­an Tri­bes“.

Wer statt­des­sen pau­schal den Begriff „Indi­ge­ne Völ­ker“ ver­wen­det, ver­kennt die­se Beson­der­heit. Denn die­ser Begriff, so Kup­pe, stammt aus dem inter­na­tio­na­len Recht und meint einen glo­ba­len Sam­mel­be­griff für Grup­pen mit einer mar­gi­na­li­sier­ten Stel­lung inner­halb bestehen­der Natio­nal­staa­ten. Damit lässt sich aber nicht erklä­ren, war­um vie­le nord­ame­ri­ka­ni­sche Stäm­me bis heu­te einen staats­recht­lich beson­de­ren Sta­tus haben – eine Aus­nah­me im glo­ba­len Ver­gleich.

Auch kul­tu­rell macht es durch­aus Sinn, von „India­nern“ zu spre­chen – trotz aller Unter­schie­de im Detail. Die Rede von „den India­nern Nord­ame­ri­kas“ mag also eine Ver­ein­fa­chung sein, aber sie ist sach­lich begrün­det – gera­de in wis­sen­schaft­li­chen oder poli­ti­schen Kon­tex­ten, wo eine gemein­sa­me Iden­ti­tät betont wer­den soll.

Dass man­che heu­te for­dern, aus­schließ­lich die Eigen­be­zeich­nun­gen der ein­zel­nen Grup­pen wie „Apa­che“, „Mohawk“ oder „Ojib­we“ zu ver­wen­den, hält Kup­pe für wenig prak­ti­ka­bel. Vie­le die­ser Namen sind Pro­duk­te der Kolo­ni­al­zeit, ent­stan­den aus poli­ti­scher Reor­ga­ni­sa­ti­on und Wider­stand. Zudem han­delt es sich dabei oft um Sam­mel­be­zeich­nun­gen für Grup­pen mit unter­schied­li­chen Spra­chen und Tra­di­tio­nen. Wenn es also um über­grei­fen­de The­men wie den Schutz hei­li­ger Stät­ten, Umwelt­zer­stö­rung oder Ver­trags­rech­te geht, bleibt der Begriff „India­ner“ der tref­fends­te.

Nicht zuletzt sieht Kup­pe in der aktu­el­len Debat­te eine gewis­se Absur­di­tät: Euro­päi­sche Orga­ni­sa­tio­nen, die sich mora­lisch über­le­gen füh­len, igno­rie­ren mit­un­ter sowohl die his­to­ri­schen Rea­li­tä­ten als auch die Wün­sche der Betrof­fe­nen selbst – und lau­fen dabei Gefahr, genau jene kolo­nia­le Ges­te zu wie­der­ho­len, die sie zu über­win­den glau­ben.


„Inu­it“ ist nicht gleich „Eski­mo“

Ein wei­te­res Bei­spiel für gut gemein­te, aber pau­scha­le Sprach­re­ge­lun­gen: Die Emp­feh­lung, statt „Eski­mo“ aus­schließ­lich „Inu­it“ zu sagen. Die­se Ver­ein­fa­chung igno­riert jedoch die tat­säch­li­che Viel­falt der ark­ti­schen Völ­ker. Auch hier zeigt sich, wie kom­plex die Wirk­lich­keit indi­ge­ner Selbst­be­zeich­nun­gen ist.

„Inu­it“ bezeich­net eine bestimm­te Sprach­grup­pe, die vor allem in Nord­ka­na­da, Grön­land und Tei­len Alas­kas lebt. Im süd­li­chen Teil Alas­kas jedoch gibt es meh­re­re wei­te­re Eski­mo-spra­chi­ge Völ­ker, die sich aus­drück­lich nicht als Inu­it bezeich­nen – und den Begriff sogar ableh­nen. Für sie ist „Eski­mo“ kei­ne Belei­di­gung, son­dern eine sach­li­che Sam­mel­be­zeich­nung, die sie wei­ter­hin selbst ver­wen­den.

Die Abwer­tung liegt also nicht im Begriff selbst, son­dern in der Inter­pre­ta­ti­on durch Außen­ste­hen­de – ein Mus­ter, das sich auch in der Debat­te um das Wort „India­ner“ wie­der­holt.


Stim­men aus Kana­da: „Fragt uns, bevor ihr ent­schei­det“

Im Juli 2024 traf unser Obmann Dr. Peter Schwarz­bau­er anläss­lich der Sit­zung „UNO-Exper­ten­me­cha­nis­mus für die Rech­te indi­ge­ner Völ­ker (EMRIP)“ in Genf zwei lang­jäh­ri­ge Weg­be­glei­ter: Wil­lie Litt­le Child und Ken­neth Deer. Bei­de gehö­ren zu den bekann­tes­ten Stim­men indi­ge­ner Selbst­be­stim­mung in Kana­da.

Peter erzähl­te bei­den von unse­rem Aus­schluss aus einem Event im Juni 2024 auf­grund der Ver­wen­dung des Wor­tes „India­ner“ in unse­rem Ver­eins­na­men.

Wil­lie Litt­le Child und Ken­neth Deer waren sofort bereit, ihre Ent­rüs­tung dar­über und die Begrün­dung für ihre Ent­rüs­tung auf Video fest­zu­hal­ten.


Wil­lie Litt­le Child:
„Holt unse­re Zustim­mung ein!“

Wil­lie Litt­le Child war in unzäh­li­gen hohen Funk­tio­nen diver­ser indi­ge­ner Insti­tu­tio­nen in Kana­da und vor allem auch an der UNO tätig. Er ist der inter­na­tio­na­le Chief der „Con­fe­de­ra­ti­on of Trea­ty 6 First Nati­ons“ in Kana­da und nimmt seit 46 Jah­ren an den Sit­zun­gen der Ver­ein­ten Natio­nen teil. Er war Mit­glied des United Nati­ons Per­ma­nent Forum on Indi­ge­nous Issues – dem höchs­ten UNO-Gre­mi­um für indi­ge­ne Völ­ker.

Auf die Nach­richt, dass der Arbeits­kreis India­ner von einer Ver­an­stal­tung aus­ge­schlos­sen wur­de, weil er das Wort „India­ner“ im Namen ver­wen­det, reagiert er mit deut­li­chen Wor­ten:

„Ich bin ein inter­na­tio­na­ler Häupt­ling. Unser Ver­trag, Indi­an Trea­ty Num­mer 6, wur­de 1876 abge­schlos­sen. Über mehr als 150 Jah­re hin­weg wur­de die­ser Begriff ver­wen­det. Wir sind stolz auf ihn, denn er steht für unse­re Iden­ti­tät und unse­re recht­lich bin­den­den Ver­trä­ge mit der Kro­ne.“

Beson­ders bemer­kens­wert ist sei­ne Aus­sa­ge zur ursprüng­li­chen Bedeu­tung des Wor­tes „Indi­os“:

„Es wird oft gesagt, die spa­ni­schen Ent­de­cker hät­ten uns fälsch­lich für Bewoh­ner Indi­ens gehal­ten. Aber man­che sagen auch, dass sie uns als „In Dios“ bezeich­ne­ten – als Men­schen, die „in Gott“ sind. Das ist bedeu­tungs­voll. Mein Volk hat die­se spi­ri­tu­el­le Ver­bin­dung. Und ich glau­be, dass das in die­sem Wort auch zum Aus­druck kommt.“

Ob die­se Inter­pre­ta­ti­on his­to­risch beleg­bar ist oder nicht, spielt für vie­le indi­ge­ne Men­schen heu­te kei­ne Rol­le. Sie emp­fin­den die Deu­tung als „in Gott“ als wür­de­voll – und neh­men sie selbst­be­wusst für sich an.

Wil­lie Litt­le Child betont, dass außen­ste­hen­de Orga­ni­sa­tio­nen nicht ein­fach über Begrif­fe bestim­men dür­fen, die für indi­ge­ne Völ­ker recht­lich und his­to­risch so zen­tra­le Bedeu­tung haben. „Ande­re, die mit dem Begriff nicht ein­ver­stan­den sind, soll­ten unse­re Zustim­mung ein­ho­len. Denn das ist Bestand­teil des Ver­trags. Gebt uns die Mög­lich­keit, unse­re Sicht­wei­se zu erklä­ren – das ist uns wich­tig.“

Immer­hin ent­spricht das auch einem der zen­tra­len Grund­sät­ze der „UNO-Dekla­ra­ti­on über die Rech­te indi­ge­ner Völ­ker (UNDRIP), näm­lich der frei­en, vor­he­ri­gen und infor­mier­ten Zustim­mung (FPIC)“ (Anm.: FPIC bezeich­net ein Recht indi­ge­ner Völ­ker, das ihnen erlaubt, zu ent­schei­den, ob sie Hand­lun­gen zulas­sen, die ihre Län­der, Ter­ri­to­ri­en und Res­sour­cen beein­träch­ti­gen könn­ten).


Ken­neth Deer:
„Wir ver­wen­den das Wort selbst!“

Ken­neth Deer (Mohawk/Kanyen’kéha) ist ein lang­jäh­ri­ger Akti­vist und Ver­tre­ter indi­ge­ner Inter­es­sen auf inter­na­tio­na­ler Ebe­ne. Er ist Mit­glied des Hau­de­no­sau­nee-Komi­tees (Kon­fö­de­ra­ti­on der Sechs Natio­nen / Iro­ke­sen Bund) für inter­na­tio­na­le Bezie­hun­gen. Auch er war schon unzäh­li­ge Male bei UN-Gre­mi­en in Genf und New York ver­tre­ten und ist für sei­ne fun­dier­ten Bei­trä­ge bekannt.

Im Gespräch mit unse­rem Obmann Dr. Peter Schwarz­bau­er äußer­te sich Ken­neth Deer zur Fra­ge der Begriffs­wahl sehr deut­lich:

„Euer Name – Arbeits­kreis India­ner Nord­ame­ri­kas – ist schon seit Jahr­zehn­ten bekannt. Und zu der Zeit, als eure Orga­ni­sa­ti­on gegrün­det wur­de, war er gebräuch­lich – und er wird auch heu­te noch häu­fig ver­wen­det. Zum Bei­spiel in Kana­da, wo es immer noch den ‚Indi­an Act‘ gibt.“

Deer weist dar­auf hin, dass der Begriff „Indi­an“ wei­ter­hin fes­ter Bestand­teil vie­ler Geset­ze in Kana­da und den USA ist. Auch wenn heu­te oft „First Nati­ons“, „Indi­ge­nous Peo­p­les“ oder „Nati­ve Ame­ri­cans“ ver­wen­det wer­den – der Begriff „Indi­an“ ist recht­lich ver­an­kert und bleibt in vie­len Kon­tex­ten von Bedeu­tung.

„Ich den­ke nicht, dass es not­wen­dig ist, den Namen eurer Orga­ni­sa­ti­on zu ändern. Eure Absicht ist ja nicht, den Kolo­nia­lis­mus fort­zu­set­zen, son­dern genau das Gegen­teil: Ihr macht auf sei­ne Aus­wir­kun­gen auf­merk­sam. Ihr erin­nert die Men­schen an die­se Geschich­te.“

Peter fragt Ken­neth, ob er es als gerecht­fer­tigt ansieht, dass wir den Begriff auch aus prak­ti­schen Grün­den ver­wen­den – immer­hin suchen im deutsch­spra­chi­gen Raum zehn­tau­sen­de Men­schen monat­lich nach dem Begriff „India­ner“, aber nur weni­ge hun­dert nach dem Begriff „Indi­ge­ne“. Unse­re Sicht­bar­keit im Inter­net hängt also auch von der Begriffs­wahl ab.

Ken­neth Deer stimmt dem zu:

„Kom­mu­ni­ka­ti­on ist wich­tig. Eine der wich­tigs­ten Auf­ga­ben euro­päi­scher Unter­stüt­zungs­grup­pen ist es, die All­ge­mein­heit über die Pro­ble­me der indi­ge­nen Völ­ker zu infor­mie­ren. Und wenn ihr durch die Ver­wen­dung des Begriffs ‚India­ner‘ leich­ter gefun­den wer­det, dann ist das hilf­reich. Dadurch könnt ihr mehr Men­schen errei­chen und auf­klä­ren.“

Er ergänzt: „Es gibt vie­le indi­ge­ne Orga­ni­sa­tio­nen, die wei­ter­hin das Wort ‚India­ner‘ ver­wen­den. Zum Bei­spiel der Inter­na­tio­nal Indi­an Trea­ty Coun­cil oder der Natio­nal Con­gress of Ame­ri­can Indi­ans. Das sind alles indi­ge­ne Orga­ni­sa­tio­nen. Ich selbst ver­wen­de den Begriff auch, weil er einen his­to­ri­schen Kon­text hat. Für uns ist das kein Ras­sis­mus, denn wir ver­wen­den ihn ja selbst.“


Milo Yel­lowhair: „Das Bild des India­ners lebt – und wir fül­len es mit Bedeu­tung“

Milo Yel­lowhair, Ogla­la Lako­ta vom Pine Ridge Reser­vat in Süd­da­ko­ta, ver­tritt seit den 1980er Jah­ren die Anlie­gen der tra­di­tio­nel­len Lako­ta. Beson­ders bekannt wur­de er durch sein Enga­ge­ment im Black Hills Land­rechts­fall, der ihn mehr­fach zur UNO führ­te und in vie­le euro­päi­sche Län­der brach­te. Milo hat meh­re­re Jah­re in Wien gelebt und kennt daher auch die euro­päi­sche Per­spek­ti­ven und Men­ta­li­tä­ten sehr gut. Er ist Ehren­mit­glied unse­res Ver­eins und unser wich­tigs­ter Ansprech­part­ner bei den Lako­ta.

Als Peter ihn über unse­ren Aus­schluss von der Ver­an­stal­tung in Wien infor­mier­te, weil unser Ver­eins­na­me das Wort „India­ner“ ent­hält, reagier­te Milo mit Betrof­fen­heit – und sehr kla­ren Wor­ten.

„Die­se Leu­te, die glau­ben, dass man ein­fach das Wort ‚India­ner‘ eli­mi­nie­ren muss oder Men­schen beschämt, weil sie es benut­zen – sie haben vie­le eige­ne Pro­ble­me, über die sie mal nach­den­ken soll­ten.“

Er kri­ti­siert den mora­li­schen Eifer man­cher euro­päi­scher Stim­men, die sich an einem Begriff abar­bei­ten, ohne sich wirk­lich mit den Anlie­gen indi­ge­ner Völ­ker aus­ein­an­der­zu­set­zen:

„Es sind die­se Leu­te, die Selbst­re­fle­xi­on betrei­ben soll­ten, nicht jene, die immer auf unse­rer Sei­te waren und mit uns gemein­sam die Idee einer leben­di­gen Erde vor­an­ge­bracht haben. Das ist sehr arro­gant – und in vie­ler Hin­sicht eigen­nüt­zig.“

Milo erin­nert dar­an, war­um indi­ge­ne Akti­vis­ten über­haupt nach Euro­pa kom­men: um Unter­stüt­zung zu fin­den im Kampf gegen Umwelt­zer­stö­rung, Ent­eig­nung und kul­tu­rel­le Aus­lö­schung. In die­sem Kon­text sei es absurd, sich über einen Begriff auf­zu­re­gen, wäh­rend gleich­zei­tig gan­ze Land­schaf­ten durch Bau­pro­jek­te zer­stört wer­den:

„Es ist eine Sache, über Spi­ri­tua­li­tät zu reden. Aber es ist eine ganz ande­re Sache, wenn eine rie­si­ge Stra­ßen­bau­ma­schi­ne vor dei­nem Haus steht, bereit, dei­ne hei­li­gen Ber­ge zu zer­stö­ren. Genau da brau­chen wir Hil­fe. Und genau da waren unse­re euro­päi­schen Unter­stüt­zer in all den Jah­ren so wich­tig.“

Milo betont, wie wert­voll die jahr­zehn­te­lan­ge Soli­da­ri­tät euro­päi­scher Orga­ni­sa­tio­nen war – auch und gera­de sol­cher Grup­pen, die das Wort „India­ner“ im Namen tra­gen. Für ihn zählt die Hal­tung, nicht das Wort:

„Ich bin sehr trau­rig dar­über, dass die­se Orga­ni­sa­ti­on ‚Working Cir­cle for North Ame­ri­can Indi­an‘ (Arbeits­kreis India­ner Nord­ame­ri­kas) von einer Men­schen­rechts­ver­an­stal­tung aus­ge­schlos­sen wur­de. Wie unan­stän­dig ist das denn? Und wie arro­gant.“

Auch zur Bedeu­tung kul­tu­rel­ler Bil­der äußert sich Milo dif­fe­ren­ziert. Er spricht das berühm­te Bild vom „roten Mann mit wehen­den Haa­ren auf einem Pferd“ an, das in Euro­pa durch Karl May stark geprägt wur­de. Milo sagt dazu:

„An man­chen die­ser Bil­der müs­sen wir arbei­ten. Aber das Bild, das Karl May mit Win­ne­tou geschaf­fen hat, hat eines bewirkt, auf das ich immer stolz war: Es hat die Idee des India­ners im Bewusst­sein vie­ler Men­schen am Leben gehal­ten. Ob das Bild nun rich­tig oder falsch war – Karl May hat eine Grund­la­ge geschaf­fen.“

Für Milo geht es nicht dar­um, sol­che Bil­der pau­schal abzu­leh­nen, son­dern sie wei­ter­zu­ent­wi­ckeln – in einen Dia­log zu brin­gen mit der eige­nen Wirk­lich­keit:

„Wir schau­en auf die­ses Bild und sagen: Okay, wir kön­nen damit arbei­ten. Lass uns mit der Denk­wei­se begin­nen, die es geschaf­fen hat, und dann unse­re Sicht­wei­se hin­zu­fü­gen. Viel­leicht ent­steht so ein Ver­ständ­nis, das irgend­wann irgend­wo einen Men­schen bewegt, etwas zu ver­än­dern – in der eige­nen Regie­rung oder in der eige­nen Indus­trie.“

Am Ende spricht Milo eine deut­li­che Ermu­ti­gung aus:

„Ich wür­de euch dazu ermu­ti­gen, das Wort ‚Indi­an‘ wei­ter zu ver­wen­den. ‚Working Cir­cle for North Ame­ri­can Indi­an‘ – dar­an ist nichts falsch.“

Und er erin­nert uns dar­an, was indi­ge­ner Wider­stand tat­säch­lich bedeu­tet:

„Ich glau­be, vie­le Men­schen wis­sen gar nicht, was es gebraucht hat, um hier­her zu kom­men. Unser Weg ist gepflas­tert mit toten Kör­pern. Mit uner­füll­ten Träu­men. Und ihr seid Men­schen, die die­sen Weg mit uns gegan­gen seid. Hört nicht auf damit. Macht wei­ter.“


Fragt die Men­schen und lasst sie selbst ent­schei­den, wie sie genannt wer­den wol­len

Die Stim­men, die hier zu Wort gekom­men sind, spre­chen eine kla­re Spra­che. Für vie­le indi­ge­ne Men­schen in Nord­ame­ri­ka ist der Begriff „India­ner“ kei­nes­wegs ein Relikt kolo­nia­ler Unter­drü­ckung, son­dern Teil ihrer Iden­ti­tät, ihrer Geschich­te und ihrer poli­ti­schen Rea­li­tät. Sie ver­wen­den ihn selbst – aus Über­zeu­gung und mit Stolz.

Die Debat­te um den „rich­ti­gen“ Begriff ist wich­tig. Aber sie darf nicht ohne die Men­schen geführt wer­den, um die es dabei geht. Wenn wei­ße Euro­pä­er im Namen von Anti­ras­sis­mus dar­über ent­schei­den wol­len, wie indi­ge­ne Völ­ker sich selbst bezeich­nen dür­fen – ohne die­se über­haupt zu fra­gen –, dann wird aus gut gemein­ter Kor­rekt­heit schnell eine neue Form von Bevor­mun­dung.

Unser Ver­ein wird wei­ter­hin den Begriff „India­ner“ ver­wen­den. Nicht aus Unwis­sen­heit, son­dern aus Respekt – und weil wir denen zuhö­ren, deren Stim­men in die­ser Debat­te den Ton ange­ben soll­ten. Denn letzt­lich geht es nicht dar­um, wie wir sie nen­nen, son­dern dar­um, dass wir wirk­lich zuhö­ren.

Ange­li­ka Froech im Namen des Arbeits­krei­ses India­ner Nord­ame­ri­kas




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