August 9, 2019

Inter­na­tio­na­ler Tag der indi­ge­nen Völ­ker am 9.08.2019 (Pres­se­infor­ma­ti­on)

Inter­na­tio­na­ler Tag der indi­ge­nen Völ­ker

1994 erklär­te die UN-Voll­ver­samm­lung den 9. August zum Inter­na­tio­na­len Tag der indi­ge­nen Völ­ker, um auf den drin­gend not­wen­di­gen Schutz und die För­de­rung der Rech­te der indi­ge­nen Völ­ker welt­weit auf­merk­sam zu machen. Die­ses Jahr gewinnt der Tag beson­de­re Bedeu­tung, denn die Ver­ein­ten Natio­nen erklär­ten 2019 zum Inter­na­tio­na­len Jahr der indi­ge­nen Spra­chen (Inter­na­tio­nal Year on Indi­ge­nous Lan­guages, IYIL).

Nach Anga­ben der UNESCO exis­tie­ren der­zeit rund 7.000 Spra­chen welt­weit. Obwohl die rund 370 Mil­lio­nen Indi­ge­nen nur 5% der Welt­be­völ­ke­rung bil­den, spre­chen sie mehr als 4.000 der Spra­chen. Doch das Über­le­ben der indi­ge­nen Spra­chen ist akut bedroht. Die UNESCO pro­gnos­ti­ziert, dass 90% der heu­ti­gen Spra­chen bis zum Ende des Jahr­hun­derts unwie­der­bring­lich ver­schwun­den sein wer­den.

Spra­che ist mehr als ein Mit­tel der Kom­mu­ni­ka­ti­on, denn sie ist von zen­tra­ler Bedeu­tung für die Kul­tur, Lebens­wei­se, Phi­lo­so­phie, Tra­di­ti­on und Iden­ti­tät der indi­ge­nen Völ­ker und damit unver­zicht­ba­rer Bestand­teil und Aus­druck ihres kol­lek­ti­ven Selbst­be­stim­mungs­rechts. In den USA und Kana­da spre­chen nur noch ein Vier­tel der ins­ge­samt rund fünf Mil­lio­nen Indi­ge­nen ihre Mut­ter­spra­che – vor allem in den Reser­va­ten, doch inzwi­schen lebt die Hälf­te von ihnen in städ­ti­schen Sied­lungs­ge­bie­ten, wo sie kaum Unter­stüt­zung für den Erhalt ihrer Spra­chen fin­den,

Die Bedro­hung ihrer Spra­che – und damit ihrer Iden­ti­tät – ist eine direk­te Fol­ge des Kolo­nia­lis­mus bzw. anhal­ten­der kolo­nia­ler Struk­tu­ren, wel­che die Indi­ge­nen ihrer grund­le­gen­den Rech­te beraubt. Seit dem Ende des 19. Jahr­hun­derts wur­de den indi­ge­nen Kin­dern in den Inter­nats­schu­len (Boar­ding Schools in den USA bzw. Resi­den­ti­al Schools in Kana­da) die eige­ne Spra­che mit­tels dras­ti­scher Sank­tio­nen ver­bo­ten. Noch vor dem Ende des Inter­nats­sys­tem wur­den die Indi­ge­nen im Zuge der Ter­mi­na­ti­ons­po­li­tik Mit­te des 20. Jahr­hun­derts von den Reser­va­ten in die Städ­te zwangs­um­ge­sie­delt, um ihre Assi­mi­la­ti­on zu voll­enden.

Eltern oder Groß­el­tern, denen in den Inter­nats­schu­len die eige­ne Spra­che ver­bo­ten war, konn­ten ihren Kin­der ihre Spra­che nicht mehr über­lie­fern bzw. waren sie durch die dor­ti­ge Gehirn­wä­sche über­zeugt, dass ihre Mut­ter­spra­che min­der­wer­tig sei. In ande­ren Fäl­len woll­ten sie die eige­nen Kin­der vor Dis­kri­mi­nie­rung und Ras­sis­mus schüt­zen, indem sie ihnen nur die Spra­che der Mehr­heits­ge­sell­schaft ver­mit­tel­ten.

Das Sys­tem der Miss­ach­tung indi­ge­ner Rech­te und damit auch der Unter­drü­ckung der indi­ge­nen Spra­chen hält bis heu­te an. Bei den letz­ten Kon­gress­wah­len 2018 in den USA kam es gar zu einem Recht­streit, weil die Behör­den in Ari­zo­na und Utah gegen die eige­nen Geset­ze ver­stie­ßen, wel­che vor­schrei­ben, dass die Wahl­un­ter­la­gen auch in der Spra­che der 170.000 Dineh-India­ner, der größ­ten indi­ge­nen Nati­on der USA, vor­lie­gen müs­sen, wodurch der Grund­satz des glei­chen Wahl­rechts mas­siv ver­letzt wur­de. Trotz bestehen­der Rege­lun­gen wird auch das Recht der Indi­ge­nen, sich vor Gericht ihrer Mut­ter­spra­che zu bedie­nen, igno­riert.

In Kana­da bedeu­tet zudem die epi­de­mi­sche Gewalt an indi­ge­nen Frau­en – rund 4.000 Mor­de in den letz­ten drei Jahr­zehn­ten – eben­falls eine Bedro­hung der indi­ge­nen Spra­chen, denn dadurch feh­len die Müt­ter, die ihren Kin­dern die eige­ne Spra­che ver­mit­teln kön­nen.

Indi­ge­ne Völ­ker haben zahl­rei­che Pro­gram­me und Pro­jek­te ins Leben geru­fen, um ihre Spra­chen zu erhal­ten oder wie­der­zu­be­le­ben, doch meist fehlt es an den finan­zi­el­len Mit­teln zur deren Umset­zung – trotz de Lip­pen­be­kennt­nis­se der Regie­run­gen, die auch durch inter­na­tio­na­le Abkom­men dazu ver­pflich­tet wären.

Das Recht der indi­ge­nen Völ­ker auf den Schutz und die För­de­rung der Spra­che ist in zahl­rei­chen inter­na­tio­na­len Über­ein­kom­men kodi­fi­ziert – ange­fan­gen von Arti­kel 13 der All­ge­mei­nen Erklä­rung der Men­schen­rech­te (1948) über die Kon­ven­ti­on über öko­no­mi­sche, sozia­le und kul­tu­rel­le Rech­te (1966), die Kon­ven­ti­on über die Kin­der­rech­te (1989), die Agen­da 2030 für nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung (2015), die UN-Dekla­ra­ti­on der Rech­te der indi­ge­nen Völ­ker (2007) und auch der ILO-Kon­ven­ti­on 169 der Inter­na­tio­na­len Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on, dem „Über­ein­kom­men über ein­ge­bo­re­ne und in Stäm­men leben­de Völ­ker in unab­hän­gi­gen Län­dern“ (1989).Unter Arti­kel 13 wird expli­zit der Schutz und die För­de­rung der indi­ge­nen Spra­chen gefor­dert.

Das UNO-Jahr der indi­ge­nen Spra­chen ist ein ers­tes sym­bo­li­sches Zei­chen, um sich end­lich zu der Umset­zung der Rech­te der indi­ge­nen Völ­ker zu beken­nen. Indi­ge­ne wie auch UNESCO, NGOs und die Ver­ein­ten Natio­nen drän­gen dar­auf, dies zum Anlass zu neh­men, eine Deka­de der indi­ge­nen Spra­chen zu erklä­ren.

Moni­ka Seil­ler, Akti­ons­grup­pe
India­ner & Men­schen­rech­te e.V., im Namen der Alli­ance


Für wei­te­re Infor­ma­tio­nen kon­tak­tie­ren Sie bit­te: post@aktionsgruppe.de

Die Euro­pean Alli­ance for the Self-Deter­mi­na­ti­on of Indi­ge­nous Peo­p­leist ein Zusam­men­schluss fol­gen­der Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen:

Akti­ons­grup­pe India­ner & Men­schen­rech­te e.V., Munich, Ger­ma­ny; www.aktionsgruppe.de

Arbeits­kreis India­ner Nord­ame­ri­kas (AKIN), Vien­na, Aus­tria; www.arbeitskreis-indianer.at

Comi­té de Soli­da­ri­té avec les Indi­ens des Amé­ri­ques (CSIA-NITASSINAN), Paris, France; www.csia-nitassinan.org

Inter­na­tio­na­les Komi­tee für die Indi­ge­nen Ame­ri­kas, Zurich, Switz­er­land; www.incomindios.ch

MENSCHENRECHTE 3000 e.V. (HUMAN RIGHTS 3000), Frei­burg, Ger­ma­ny; www.menschenrechte3000.de

Ver­ein zur Unter­stüt­zung nord­ame­ri­ka­ni­scher India­ner (ASNAI), Ber­lin, Ger­ma­ny; www.asnai.de




{"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}

Bleibe mit uns in Kontakt und melde dich zu unserem Newsletter an:

Unser „Newsletter“ ist ein Informationsdienst über unsere Tätigkeiten, zu Veranstaltungen, über neue aktuelle und historische Beiträge. 

Informationen zum Datenschutz ➪ Datenschutzerklärung