Februar 12, 2021

Die Odys­see der Nat­chez

Im ver­gan­gen Jahr war es 400 Jah­re her, dass die May­flower im heu­ti­gen Ply­mouth Nord­ame­ri­ka erreich­te. Die Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on Sur­vi­val Inter­na­tio­nal hat aus die­sem Anlass eine Umfra­ge unter der heu­ti­gen indi­ge­nen Bevöl­ke­rung durch­ge­führt, um deren Ein­stel­lung zu die­sem his­to­ri­schen Ereig­nis zu erfra­gen. 

Stell­ver­tre­tend für die meis­ten der Ant­wor­ten mag hier die Aus­sa­ge eines Che­ro­kee ste­hen: „Lügen, die man uns seit unse­rer Kind­heit bei­bringt. Es war das Schiff, das den Mas­sen­mord und den Raub von indi­ge­nem Land mit sich brach­te.“ (Sur­vi­val Inter­na­tio­nal auf www.svlint.org/Kolonialismus).

Die Lan­dung der May­flower ist einer der Aus­gangs­punk­te, von dem aus die Ver­trei­bung und fast völ­li­ge Aus­rot­tung der Urein­woh­ner des nord­ame­ri­ka­ni­schen Kon­ti­nents in den fol­gen­den Jahr­hun­der­ten ihren Anfang nahm. Vie­le Gemein­schaf­ten ken­nen wir heu­te gar nicht mehr oder höchs­tens noch dem Namen nach. 

Die Nat­chez heu­te

Die Nat­chez – ein­zi­ge Über­le­ben­de der Mis­sis­sip­pi-Kul­tu­ren

Der „Große Tempel“ and das Haus des „Sonnenhäuptlings“, Alexandre de Batz, ca. 1730

Der „Gro­ße Tem­pel“ and das Haus des „Son­nen­häupt­lings“, Alex­and­re de Batz, ca. 1730

Auch die Nat­chez gehö­ren zu die­sen Gemein­schaf­ten. Selbst in der Fach­li­te­ra­tur wird oft vom Ende der Nat­chez gespro­chen. Den­noch gibt es seit gerau­mer Zeit wie­der Men­schen, die ihre Abstam­mung und ihre Tra­di­tio­nen von den Nat­chez aus vor­ko­lo­nia­ler Zeit her­lei­ten. 

Sie lei­ten damit ihre Abkunft von den letz­ten Ange­hö­ri­gen der berühm­ten Mis­sis­sip­pi-Kul­tu­ren her, die zu ihrer Blü­te­zeit ihr poli­ti­sches und reli­giö­ses Zen­trum in Caho­kia in der Nähe des heu­ti­gen St. Lou­is hat­ten. 

Da die sozia­le Gemein­schaft der Nat­chez bis zum Beginn der Kolo­ni­al­ära Bestand hat­te, sind die Nat­chez die ein­zi­gen Über­le­ben­den der Mis­sis­sip­pi-Kul­tu­ren, über die es aus­führ­li­che geschrie­be­ne Quel­len euro­päi­scher Chro­nis­ten gibt. Selbst in die­sen Quel­len, die aus einer Zeit stam­men, zu der die Nat­chez-Gesell­schaft bereits im Nie­der­gang begrif­fen war, zei­gen sich die Chro­nis­ten beein­druckt von deren dif­fe­ren­zier­ten sozia­len Struk­tur und der reli­giö­sen und poli­ti­schen Bedeu­tung ihres obers­ten Häupt­lings. 

Die Nat­chez heu­te: elek­tro­ni­sche Medi­en und tra­di­tio­nel­le sozia­le Struk­tu­ren

Heu­te leben die meis­ten Nat­chez im Reser­vat der Creek in Okla­ho­ma und eini­ge auch am Edis­to-River in South Caro­li­na.

Die offi­zi­el­le Nat­chez-Nati­on hat ihren Sitz in Gore in Okla­ho­ma. Von dort aus betrei­ben die Nat­chez eine Web­site (www.natcheznation.com), auf der sie über ihre Nati­on berich­ten, über aktu­el­le Ereig­nis­se und auch ver­su­chen, Kon­takt mit ande­ren Indi­ge­nen her­zu­stel­len, die mög­li­cher­wei­se ihrer Nati­on zuzu­rech­nen sind. 

Webseite der Natchez Nation

Web­sei­te der Nat­chez Nati­on

Ein Bei­spiel für die Aktua­li­tät die­ser Web­site ist eine ihrer jüngs­ten Aus­ga­ben, auf der das Amt des zwei­ten Häupt­lings aus­ge­schrie­ben wird und des­sen Auf­ga­ben skiz­ziert wer­den. 

Über sein Pro­fil auf dem Berufs-Forum Lin­ke­dIn (unter Nat­chez Nati­on auf www.linkedin.com) macht sich Hut­ke Fields, der der­zei­ti­ge obers­te Häupt­ling, ein wei­te­res elek­tro­ni­sches Medi­um zunut­ze, um auf sich und damit auch auf sei­ne Eth­nie auf­merk­sam zu machen. 

Er ver­fügt über einen Mas­ter der Uni­ver­si­tät Okla­ho­ma und hat an zahl­rei­chen indi­ge­nen Pro­jek­ten mit­ge­ar­bei­tet. 

Laut Field beträgt die gesam­te Nat­chez-Bevöl­ke­rung zur Zeit ca. 10000 (The Nat­chez Demo­crat vom 27.03.2011, www.natchezdemocrat.com/2011/03/27/does-our-society-reflect-tribe/2/), die Nat­chez-Nati­on in Okla­ho­ma etwa 6000 Per­so­nen (https://mississippiobscura.com/beats-doing-chores-blog/f/the-people-of-the-great-sun-and-the-tattoed-serpent vom 28.11.2018). Damit wäre die Bevöl­ke­rung heu­te grö­ßer als sie zu Beginn der Kolo­ni­al­zeit war, für die die Bevöl­ke­rungs­zahl meis­tens mit max. 4500 ange­ge­ben wird.

Von den tra­di­tio­nel­len sozia­len Struk­tu­ren sind die Posi­tio­nen des obers­ten Häupt­lings, der Gro­ßen Son­ne, des zwei­ten Häupt­lings, des ehe­ma­li­gen Kriegs­häupt­lings, und eines bera­ten­den Gre­mi­ums, das die­sen zur Sei­te steht, über­nom­men wor­den. Die­se Per­so­nen ver­tre­ten die Grup­pe nach außen und ver­wal­ten alle Ange­le­gen­hei­ten, die für die Grup­pe als gan­ze von Bedeu­tung sind

Wie­der­auf­le­ben der Nat­chez-Spra­che

Ein beson­de­res Anlie­gen ist den Nat­chez das Wie­der­auf­le­ben ihrer tra­di­tio­nel­len Spra­che. Das Nat­chez ist eine Spra­che, die mit Aus­nah­me der klei­nen Grup­pen der Taensa und Avoyell, von kei­ner ande­ren eth­ni­schen Grup­pe gespro­chen wur­de. Sie ähnelt noch am ehes­ten dem Mus­ko­gee. 

Der Eth­no­lo­ge John Swan­ton konn­te Anfang des 20. Jahr­hun­derts die letz­ten Nat­chez, die noch die Spra­che ihrer Vor­fah­ren beherrsch­ten, inter­view­en. Eini­ge Jah­re spä­ter gelang es, die Nat­chez-Spra­che auf Wachs-Zylin­der auf­zu­zeich­nen, von denen eini­ge auch heu­te noch exis­tie­ren. (Bar­nett, 2007: 134). Als 1954 der letz­te Nat­chez-Spea­k­er gestor­ben war, gab es zunächst nie­mand mehr, der des Nat­chez mäch­tig war. Erst seit 2011 gibt es wie­der sechs Mit­glie­der der Nat­chez-Gemein­schaft, die in der Lage sind, sich in ihrer tra­di­tio­nel­len Spra­che aus­zu­drü­cken. Mitt­ler­wei­le ist es sogar gelun­gen, die Lau­te der Nat­chez-Spra­che in das latei­ni­sche Alpha­bet zu über­tra­gen. Es gibt ein Wör­ter­buch Nat­chez-Eng­lisch, das ste­tig ver­voll­stän­digt wird.

Kul­tu­rel­ler Aus­druck und reli­giö­se Zere­mo­nien

Ihre kul­tu­rel­len Aus­drucks­for­men pass­ten die Nat­chez in der Zwi­schen­zeit zum Teil denen der Che­ro­kee und Creek an. Das Ver­wandt­schafts­sys­tem und die mate­ri­el­len Kul­tur­gü­ter ähneln dem der bei­den grö­ße­ren Grup­pen (Gal­lo­way und Jack­son in Fogel­son, 2004: 611). 

In Bezug auf reli­giö­se Zere­mo­nien, Musik und Tanz blie­ben Nat­chez-Ele­men­te aller­dings deut­lich erkenn­bar und die Nat­chez spiel­ten auch eine wich­ti­ge Rol­le beim Wie­der­be­le­ben tra­di­tio­nel­ler Riten (Gal­lo­way und Jack­son in Fogel­son, 2004: 612 f.). Musik, Tanz und Gesang sind die Grund­ele­men­ten des regel­mä­ßig im Früh­jahr auf­ge­führ­ten Pow­wows. Es fin­det auf dem Boden des ehe­ma­li­gen Haupt­dor­fes der Nat­chez, dem Grand Vil­la­ge, in Nat­chez statt. Es ist mitt­ler­wei­le zu einem fes­ten Bestand­teil des Kul­tur­ka­len­ders der Stadt Nat­chez gewor­den.

Die Kus­so-Nat­chez

Die Nat­chez vom Edis­to-River süd­lich der heu­ti­gen Stadt Charles­ton haben sich im Lau­fe der Zeit mit den Kus­so ver­mischt, die schon seit vie­len Gene­ra­tio­nen in die­sem Gebiet behei­ma­tet sind. Die vor ihnen am Edis­to sie­deln­de Grup­pe, die unter dem­sel­ben Namen, nach dem auch der Fluss benannt ist, bekannt wur­de, exis­tiert seit etwa 1700 nicht mehr. Ihr Name wur­de im Lau­fe der Zeit auch auf die Kus­so ange­wandt, sodass die heu­ti­ge Eth­nie sowohl unter der Bezeich­nung Kus­so- als auch Edis­to-Nat­chez oder auch nur Kus­so beschrie­ben wird. 

Die Grup­pe der Kus­so-Nat­chez, die bei­der­seits des Flus­ses leben, umfasst etwa 400 Per­so­nen. Ins­ge­samt dürf­ten es zwi­schen­zeit­lich annä­hernd 1000 Per­so­nen sein, die sich wie­der auf ihre Kus­so-Nat­chez-Her­kunft beru­fen. Der dama­li­ge Häupt­ling Andy Spell bezif­fer­te 2019 die Gesamt­zahl der Kus­so auf ca. 1100 (Sum­mer­ville Jour­nal Sce­ne, 14.04.2019, https://www.postandcourier.com/journal-scene/news/edisto-kusso-tribe-members-teach-children-about-their-culture-and-heritage/article-50de8f02-70c0-552e-9d4d-f9316569914c.html). Damit liegt ihre Zahl deut­lich höher als noch zu Ende des 19. Jahr­hun­derts. 

Die Kennt­nis dar­über, wie vie­le Men­schen genau den Kus­so ange­hö­ren, ist im Lau­fe der Zeit wegen zahl­rei­cher büro­kra­ti­scher Hin­der­nis­se ver­lo­ren gegan­gen. So wur­de in der Ver­gan­gen­heit von den Behör­den die Iden­ti­tät indi­ge­ner Bevöl­ke­rungs­tei­le häu­fig nicht geson­dert fest­ge­hal­ten. Heu­te wer­den den Kus­so alle die Per­so­nen zuge­rech­net, von denen min­des­tens ein Eltern­teil die­ser Eth­nie ange­hört

Der Edis­to gilt den Kus­so-Nat­chez tra­di­tio­nell als hei­lig, in dem sich selbst zum Chris­ten­tum über­ge­tre­te­ne Gläu­bi­ge tau­fen las­sen. Der der­zei­ti­ge Häupt­ling ist der Arzt John Glenn Cre­el, der auf dem Gebiet der Kus­so eine Kli­nik betreibt. Die Grup­pe küm­mert sich ins­be­son­de­re um die Gesund­heit und die Erzie­hung ihrer Mit­glie­der sowie um die Erhal­tung und Pfle­ge ihrer Tra­di­tio­nen. Des­halb wer­den seit eini­ger Zeit wie­der regel­mä­ßig Pow­wows abge­hal­ten, die sich vor allem an Men­schen indi­ge­ner Her­kunft wen­den und sich dar­in ein wenig von den Pow­wows in Nat­chez unter­schei­den, die deut­li­cher auch auf den Tou­ris­mus Rück­sicht neh­men.

Wie sehr sich die Kus­so um den Zusam­men­halt von Indi­ge­nen ihrer Her­kunft bemü­hen, zeigt sich auch an den an jedem zwei­ten Wochen­en­de im Okto­ber statt­fin­den­den Tref­fen von Ange­hö­ri­gen und Freun­den, die an ande­ren Orten leben. Der Wei­ter­ga­be tra­di­tio­nel­ler Wer­te dient die Unter­rich­tung der Jugend­li­chen in den Tra­di­tio­nen und der Spra­che ihrer Vor­fah­ren, um die­se zu erhal­ten und nicht in Ver­ges­sen­heit gera­ten zu las­sen. Auch wird hier­durch sicher­ge­stellt, dass auch kom­men­den Gene­ra­tio­nen ihre Grup­pen­zu­ge­hö­rig­keit bekannt ist. 

In einem Inter­view mit dem „Post and Cou­rier“ vom 28.01.2019 (https://www.postandcourier.com/news/just-outside-charleston-a-native-american-tribe-seeks-to-preserve-its-identity/article-dac0cce6-142a-11e9-8471-c726cd1169ff.html) betont die Kus­so-Nat­chez Sabri­na Cre­el wie wich­tig ihr und ihren Ange­hö­ri­gen ein freund­li­ches Zusam­men­le­ben mit ihren Nach­barn ist. Mit der glei­chen Freund­lich­keit sei­en auch die ers­ten Sied­ler in ihrem Land von ihren Vor­fah­ren begrüßt wor­den. Mit der glei­chen Selbst­ver­ständ­lich­keit, mit der sie sich zu ihrer india­ni­schen Her­kunft und ihren Tra­di­tio­nen bekennt, möch­te sie auch ande­re Men­schen die Annehm­lich­kei­ten in der Umge­bung und am Edis­to genie­ßen las­sen. Weh­mut schwingt nur dann mit, wenn sie erwähnt, dass die­je­ni­gen, die sich am Fluss erfreu­ten, kaum die Indi­ge­nen wahr­ge­nom­men haben, die in ihrer Nähe in Armut leb­ten. Dar­in sieht sie ein Motiv, um ihre Grup­pe und ihre Wert­vor­stel­lun­gen in der Öffent­lich­keit sicht­ba­rer wer­den zu las­sen.

Okla­ho­ma-Nat­chez und Kus­so-Nat­chez

Im Gegen­satz zu den Nat­chez in Okla­ho­ma, die bis heu­te weder über eine bun­des­staat­li­che Aner­ken­nung noch über eine Aner­ken­nung durch die Bun­des­be­hör­den in Washing­ton ver­fü­gen, sind die Kus­so-Nat­chez immer­hin vom Staat South Caro­li­na als india­ni­sche Nati­on aner­kannt wor­den. Den­noch stre­ben auch die Kus­so-Nat­chez nach einer Aner­ken­nung durch die US-Bun­des­ad­mi­nis­tra­ti­on, da nur so auf glei­cher Ebe­ne mit den Behör­den ver­han­delt wer­den kann. 

Über Inter­net­por­tal zur Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung ver­fü­gen wir heu­te über ein Mit­tel, das es bis vor weni­gen Jah­ren noch nicht gab, mit des­sen Hil­fe Ver­wand­te oder Bekann­te, die sich aus den Augen ver­lo­ren haben, sich wie­der­fin­den kön­nen oder mit dem man sei­nen eige­nen Stamm­baum zurück­ver­fol­gen kann. Auch kann man Fra­gen an eine grö­ße­re Com­mu­ni­ty rich­ten, um Kon­tak­te auf­zu­bau­en. Sowohl die Nat­chez aus Okla­ho­ma als auch die vom Edis­to nut­zen die­ses Mit­tel. Damit besteht eine Chan­ce noch mehr Men­schen auch in weit ent­fern­ten Regio­nen zu fin­den, die sich den Nat­chez zuge­hö­rig füh­len. 

Webseite Natchez Kusso Tribe, South Carolina

Web­sei­te Nat­chez Kus­so Tri­be, South Caro­li­na

Die Geschich­te der Nat­chez

Jeder, der hört, dass Nat­chez heu­te sowohl in Okla­ho­ma wie auch in South Caro­li­na leben, kann unschwer erken­nen, dass die­se Gebie­te Hun­der­te von Kilo­me­tern ent­fernt sind von jener Regi­on am unte­ren Mis­sis­sip­pi, in der die Stadt liegt, die ihren Namen trägt. Nach Gore sind es über 700, bis zum Edis­to über 1200 km. Für eine indi­vi­du­el­le Mobi­li­tät mögen die­se Ent­fer­nun­gen kein Hin­der­nis sein. Wenn aber eine gesam­te Eth­nie von ihrem Ursprungs­ort völ­lig ver­schwin­detund nur noch an weit ent­fern­ten Orten nach­weis­bar ist, dann bedarf dies einer Erklä­rung. Damit stellt sich die Fra­ge, was gesche­hen ist, dass Men­schen glei­cher Her­kunft heu­te an ganz unter­schied­li­chen Orten leben. Um die­se Fra­ge zu beant­wor­ten, muss man etwa 300 Jah­re in die Ver­gan­gen­heit zurück­schau­en.

300 Jah­re zurück: unter­schied­li­chen Auf­fas­sun­gen von die Expan­si­ons­be­stre­bun­gen Frank­reichs

Führt man sich die Besied­lungs­ge­schich­te Nord­ame­ri­kas mit ihrer bru­ta­len Land­nah­me quer über den gesam­ten Halb­kon­ti­nent von Ost nach West vor Augen, dann muss es einen nicht wun­dern, dass es auch zwi­schen den Nat­chez und den am unte­ren Mis­sis­sip­pi sie­deln­den Fran­zo­sen zu Kon­flik­ten kam, bei denen das bebau­ba­re Land eine Rol­le spiel­te. 

In den Jah­ren zu Beginn des 18. Jahr­hun­derts ver­än­der­te sich die fran­zö­si­sche Kolo­ni­al­po­li­tik in dem dama­li­gen Loui­sia­na weg von rei­nen Han­dels­be­zie­hun­gen zwi­schen den indi­ge­nen Grup­pen und den Kolo­nis­ten hin zur Plan­ta­gen­wirt­schaft mit einer Aneig­nung des Grund und Bodens durch die Plan­ta­gen­be­sit­zer. 

Dadurch wur­den die zwi­schen der ein­hei­mi­schen Bevöl­ke­rung und den Euro­pä­ern völ­lig unter­schied­li­chen Auf­fas­sun­gen von Eigen­tum deut­lich auf­ge­zeigt. Für die indi­ge­nen Grup­pen war der für den Anbau geeig­ne­te Boden Gemein­schafts­be­sitz, der von allen Mit­glie­dern der Gemein­schaft gemein­sam bear­bei­tet oder nur zum Zwe­cke des Anbaus zeit­wei­lig ein­zel­nen Fami­li­en über­las­sen wur­de und des­sen Ertrag, soweit er über den indi­vi­du­el­len Bedarf hin­aus­ging, der gan­zen Gemein­schaft zur Ver­fü­gung stand. 

"Die Große Sonne", Oberhäuptling der Natchez; Zeichnung von Antoine-Simon Le Page du Pratz, 1758

„Die Gro­ße Son­ne“, Ober­häupt­ling der Nat­chez; Zeich­nung von Antoine-Simon Le Page du Pratz, 1758

Die Kolo­nis­ten brach­ten dage­gen ihren Begriff von indi­vi­du­el­lem Grund­ei­gen­tum mit nach Nord­ame­ri­ka und leg­ten Ver­trä­ge mit den ein­hei­mi­schen Bewoh­nern in ihrem Sin­ne aus. Die Erträ­ge, die die Boden­be­ar­bei­tung erbrach­te, wur­den folg­lich auch nicht wie in vor­ko­lo­nia­ler Zeit wie­der ver­teilt, son­dern kamen nur den­je­ni­gen zugu­te, die im Besitz des Lan­des waren. 

Mit Auf­kom­men der Plan­ta­gen­wirt­schaft wur­de zudem für einen Markt außer­halb Nord­ame­ri­kas und damit für eine der indi­ge­nen Bevöl­ke­rung völ­lig unbe­kann­ten Regi­on pro­du­ziert. 

Hin­zu kam die geo­po­li­ti­sche Bedeu­tung des Mis­sis­sip­pis für die Expan­si­ons­be­stre­bun­gen Frank­reichs. Durch sei­ne Beherr­schung wur­de eine Ver­bin­dung zu Fran­zö­sisch-Kana­da her­ge­stellt und damit gleich­zei­tig ein Rie­gel um das Gebiet der Eng­län­der gelegt, sowie eine Ver­bin­dung des spa­ni­schen Mexi­kos mit den spa­ni­schen Besitz­tü­mern in Flo­ri­da ver­hin­dert.

Land­raub, gewalt­tä­ti­ge Aus­ein­an­der­set­zun­gen und der letz­te Auf­stand der Nat­chez

Das Schick­sal der Nat­chez zeigt, dass die durch die Kolo­nis­ten her­vor­ge­ru­fe­nen öko­no­mi­schen Ver­än­de­run­gen auf eine Viel­zahl von diver­gie­ren­den Inter­es­sen sowohl unter­schied­li­cher indi­ge­ner Grup­pen als auch mit­ein­an­der riva­li­sie­ren­der euro­päi­scher Ein­wan­de­rer tra­fen. 

Bünd­nis­se zwi­schen india­ni­schen und euro­päi­schen Grup­pen konn­ten gleich­zei­tig bedeu­ten, dass sich sowohl eine india­ni­sche Grup­pe über eine ande­re, als auch, dass sich Fran­zo­sen über Eng­län­der oder umge­kehrt Vor­tei­le von der Über­ein­kunft ver­spra­chen. 

Dane­ben gab es auch bereits vor Ankunft der Euro­pä­er Span­nun­gen inner­halb der ein­hei­mi­schen Grup­pen sowie zwi­schen den ein­zel­nen Häupt­lings­tü­mern. So war die Macht der über ein gan­zes Kon­glo­me­rat von Dör­fern herr­schen­den obers­ten Häupt­lin­ge der Nat­chez, der Gro­ßen Son­nen, schon seit der spa­ni­schen De-Soto-Expe­di­ti­on durch den Süd­os­ten der 40er Jah­re des 16. Jahr­hun­derts im Schwin­den begrif­fen. Ein­ge­schlepp­te Krank­hei­ten und der von Eng­land aus­ge­lös­te Skla­ven­han­del führ­ten zum Zusam­men­bruch vie­ler Häupt­lings­tü­mer und dem Ent­ste­hen neu­er sozia­ler Struk­tu­ren. Ein Bei­spiel hier­für ist die Inte­gra­ti­on geflo­he­ner Nach­bar­grup­pen in die Gesell­schaft der Nat­chez.

Die Span­nun­gen zwi­schen Ein­hei­mi­schen und Fran­zo­sen nah­men zu, als unter Lud­wig XIV. ein Pri­vat­in­ves­tor dafür sor­gen soll­te, dass die bis­lang unren­ta­ble Kolo­nie Gewinn abwarf. 

Im Zuge die­ser Bestre­bun­gen wur­de im Gebiet der Nat­chez ein Han­dels­pos­ten und nach einem Über­fall der Nat­chez auf fran­zö­si­sche Rei­sen­de zur Befes­ti­gung die­ses Pos­tens ein Fort errich­tet. 

Mit der Ver­wal­tung der Kolo­nie durch die Indi­en­kom­pa­gnie und die ver­mehr­te Ansied­lung von Kolo­nis­ten aus dem Mut­ter­land wur­de die Kon­trol­le wei­ter ver­stärkt. Eine Auf­ga­be der Indi­en­kom­pa­gnie war es, Land­rech­te an Pri­vat­per­so­nen zu ver­ge­ben. Ein gro­ßer Teil der Neu­an­kömm­lin­ge sie­del­te sich auf dem Land der Nat­chez an, um dort Anbau zu betrei­ben. 

Postkarte von 1907, aufgenommen an jener Stelle, an der Fort Rosalie stand, 1729 Schauplatz der Schlacht zwischen den Natchez und französischen Siedlern

Post­kar­te von 1907, auf­ge­nom­men an jener Stel­le, an der Fort Rosa­lie stand, 1729 Schau­platz der Schlacht zwi­schen den Nat­chez und fran­zö­si­schen Sied­lern

Nach zwei wei­te­ren gewalt­sa­men Aus­ein­an­der­set­zun­gen kam es 1729 wegen eska­lie­ren­der Strei­tig­kei­ten um Land zu einem letz­ten Auf­stand der Nat­chez gegen die Kolo­ni­al­macht, der schließ­lich 1735 end­gül­tig blu­tig nie­der­ge­schla­gen wur­de. Hun­der­te Nat­chez, Män­ner, Frau­en und Kin­der, wur­den als Skla­ven nach San­to Dom­in­go ver­schleppt, eini­ge blie­ben in der Nähe ihrer Hei­mat und führ­ten dort eine Art Gue­ril­la­krieg und die meis­ten such­ten Zuflucht bei ihren Ver­bün­de­ten, den Chick­a­saw.

Die Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen Nat­chez und Fran­zo­sen zei­gen, dass die Land­nah­me durch die Euro­pä­er nicht nur neue, den India­nern unbe­kann­te Eigen­tums­for­men son­dern auch völ­lig neu Pro­duk­ti­ons­for­men ein­führ­ten. Die neu­en Boden­be­ar­bei­tungs­tech­ni­ken waren den ein­hei­mi­schen über­le­gen und führ­ten bald zu einer Bedro­hung der india­ni­schen Nah­rungs­mit­tel­ver­sor­gung (Mil­ne, 2015: 88 ‑91, 116). Erschwe­rend kam hin­zu, dass um das für den Anbau geeig­nets­te Land von einer so zahl­rei­chen Bevöl­ke­rung kon­kur­riert wur­de wie sonst kaum irgend­wo in Nord­ame­ri­ka. (Mil­ne, 2015: 93, 98).

Mil­ne (2015: 70 – 75, 105 f., 111, 115 – 119) weist außer­dem nach, dass die tra­di­tio­nel­len Streit­schlich­tungs­me­tho­den der Nat­chez kaum mehr die Auto­ri­tät der Gro­ßen Son­nen stütz­ten. Ver­ant­wort­lich hier­für macht Mil­ne (2015: 116 f.) die zwi­schen Ein­hei­mi­schen und Sied­lern gemisch­te Sied­lungs­wei­se, wodurch sich vie­le Bezie­hun­gen zwi­schen die­sen bei­den Grup­pen dem Ein­fluss der alten Eli­ten ent­zo­gen, und den Zugang der wei­ter am Ran­de der Nat­chez-Regi­on gele­ge­nen Dör­fer zu eng­li­schen Waren, die dem Gro­ßen Dorf nicht zur Ver­fü­gung stan­den und somit von den Gro­ßen Son­nen ihren Unter­ta­nen auch nicht zur Ver­fü­gung gestellt wer­den konn­ten. 

Zuflucht bei den Chick­a­saw

Bei den Chick­a­saw tra­fen die Nat­chez auf eine in sich gespal­te­ne Gesell­schaft. Die Regi­on, in der die Chick­a­saw an der Wen­de vom 17. zum 18. Jahr­hun­dert leb­ten, war sowohl für die Eng­län­der als auch die Fran­zo­sen von Bedeu­tung. 

Frank­reich benö­tig­te die­se Regi­on im Nor­den des heu­ti­gen Bun­des­staa­tes Mis­sis­sip­pi, um eine Ver­bin­dung von fran­zö­sisch Loui­sia­na mit Kana­da her­zu­stel­len, und Eng­land woll­te im Zuge sei­nes Vor­drin­gens von Ost nach West genau die­se Ver­bin­dung ver­hin­dern (John­son et al., 2008: 5). 

Die­se expo­nier­te Lage führ­te dazu, dass die zwei Hälf­ten, in die die Chick­a­saw-Gesell­schaft geglie­dert war, die rote und die wei­ße Hälf­te, sich der jeweils ande­ren euro­päi­schen Kolo­ni­al­macht zuwand­ten. 

Die wei­ße Hälf­te, die den Fran­zo­sen zuneig­te, wider­setz­te sich der Auf­nah­me der Nat­chez, wäh­rend die rote Hälf­te, die mit den Eng­län­dern sym­pa­thi­sier­te, die Flücht­lin­ge in ihren Rei­hen akzep­tier­te (John­son et al., 2008: 8). Archäo­lo­gi­sche Bele­ge bestä­ti­gen, dass die geflo­he­nen Nat­chez vor allem in den pro-eng­li­schen Dör­fern Auf­nah­me fan­den (John­son in McE­wan, 2000: 98). Die wei­ße Hälf­te ging in ihrem Wider­stand gegen die Neu­an­kömm­lin­ge sogar so weit, dass sie Ver­hand­lun­gen mit den Fran­zo­sen über eine Aus­lie­fe­rung der Nat­chez führ­te (John­son et al., 2008: 8). 

Der Frie­dens­häupt­ling, der in einem Dorf der wei­ßen Hälf­te leb­te, droh­te damit, sich einem Ver­bün­de­ten der Fran­zo­sen, den Choc­taw, zuzu­wen­den (John­son in McE­wan, 2000: 204). Aller­dings war auch die rote Hälf­te sich ihrer Sache nicht unein­ge­schränkt sicher, obwohl sie sich einer Über­ga­be der Nat­chez an die Fran­zo­sen erfolg­reich wider­set­ze (John­son et. al., 2008: 8, 23). Dies dürf­te ihr dadurch erleich­tert wor­den sein, dass sie von den Eng­län­dern mit gro­ßen Men­gen an Waf­fen und Muni­ti­on ver­sorgt wur­de (John­son et al., 2008: 23). Die Nat­chez-Fra­ge blieb unge­löst und war wei­ter­hin ein Grund andau­ern­der Strei­tig­kei­ten zwi­schen Chick­a­saw und Fran­zo­sen. 

An der Wei­ge­rung, die Nat­chez aus­zu­lie­fern, schei­ter­te das Zustan­de­kom­men eines Bünd­nis­ses zwi­schen Chick­a­saw und Fran­zo­sen mit der Fol­ge mili­tä­ri­scher Angrif­fe der fran­zö­si­schen Kolo­ni­al­trup­pen auf Chick­a­saw-Dör­fer (John­son in McE­wan, 2000: 97). 

Als ein Teil der Chick­a­saw wei­ter nach Osten bis nach Geor­gia und South-Caro­li­na zog, um sich am Sav­an­nah-River und damit näher bei ihren eng­li­schen Ver­bün­de­ten nie­der­zu­las­sen, beglei­te­te sie eine Grup­pe von Nat­chez (Smyth, 2016: 108 f.). Eine ande­re Grup­pe von Nat­chez sie­del­te sich gemein­sam mit jenen Chick­a­saw, die nicht den Weg bis zum Sav­an­nah mit­ge­hen woll­ten, unge­fähr auf hal­ber Distanz zwi­schen dem ange­stamm­ten Chick­a­saw-Land im Nord­os­ten des heu­ti­gen Mis­sis­sip­pi und den Sav­an­nah-Chick­a­saw an (Smyth, 2016: 110 f.).

Siedlungsgebiet der Natchez

Sied­lungs­ge­biet der Nat­chez

Neue Hei­mat bei den Che­ro­kee

In ihrer neu­en Hei­mat kamen die Nat­chez mit den benach­bar­ten Che­ro­kee, einem wei­te­ren Ver­bün­de­ten der Eng­län­der, in Kon­takt. Das Feh­len der unein­ge­schränk­ten Unter­stüt­zung aller Chick­a­saw-Grup­pen dürf­te sich güns­tig auf die Annä­he­rung an die Che­ro­kee aus­ge­wirkt haben. 

Die Che­ro­kee sie­del­ten in fünf geo­gra­phi­schen Bezir­ken, die aus meh­re­ren Dör­fern bestan­den und alle im Grenz­ge­biet der heu­ti­gen Bun­des­staa­ten Ten­nes­see, North und South Caro­li­na lagen (Schroedl in McE­wan, 2000: 204 f.). 

Im 18. Jahr­hun­dert waren sie ein regel­rech­ter Schmelz­tie­gel unter­schied­li­cher indi­ge­ner Grup­pen sowohl aus dem Nor­den als auch dem Süd­os­ten (Hamil­ton, o. D.: 26). Die Nat­chez zog es ins­be­son­de­re in den Bezirk der Overhill Towns, in den Tälern des Hiwas­see und des Litt­le Ten­nes­see. Archäo­lo­gi­sche Fun­de bestä­ti­gen, dass Nat­chez sich am Litt­le Ten­nes­see nie­der­ge­las­sen hat­ten (Schroedl in McE­wan, 2000: 215). Außer­dem gibt es Hin­wei­se auf eine Grup­pe von Nat­chez am Hiwas­see (Bar­nett, 2007: 132). 

Die Eng­län­der leg­ten gro­ßen Wert dar­auf, sich mit Hil­fe von Waf­fen und ande­ren Aus­rüs­tungs­ge­gen­stän­den vor allem die Unter­stüt­zung der Bewoh­ner der Overhill Towns an der Gren­ze zum Ein­fluss­be­reich der Creek und der Fran­zo­sen zu sichern (Schroedl in McE­wan, 2000: 217). Erst dadurch erlang­ten die Overhill-Dör­fer all­mäh­lich die Ober­hand über die ande­ren Che­ro­kee-Regio­nen und ihre füh­ren­den Per­so­nen übten bald poli­ti­sche und mili­tä­ri­sche Macht über alle Che­ro­kee aus. 

Den Dör­fern am Litt­le Ten­nes­see und am Hiwas­see war es offen­bar unter allen Che­ro­kee-Dör­fern noch am ehes­ten gelun­gen, den Zer­stö­run­gen durch die eng­li­sche Kolo­ni­al­macht und spä­ter durch die US-ame­ri­ka­ni­schen Streit­kräf­ten zu ent­kom­men (Schroedl in McE­wan, 2000: 222 f.).

Die Bezie­hun­gen der Nat­chez zu den Che­ro­kee schei­nen so eng gewe­sen zu sein, dass sie ihnen einen weit­rei­chen­den Schutz vor feind­li­chen Über­grif­fen boten (Smyth, 2016: 123 ff.). Nach der ame­ri­ka­ni­schen Unab­hän­gig­keit erleb­ten die Che­ro­kee unter dem Ein­fluss der neu­en US-Regie­rung eine erstaun­li­che Renais­sance (Lindig/Münzel, 1976: 85 f.). Es wur­de eine Haupt­stadt gegrün­det, par­la­men­ta­ri­sche Struk­tu­ren ent­stan­den und für die Spra­che der Che­ro­kee wur­de ein eige­nes Alpha­bet erar­bei­tet. Die Che­ro­kee wur­den zu einem Vor­bild für die ande­ren indi­ge­nen Grup­pen des Süd­os­tens, den Chick­a­saw, den Choc­taw, den Creek und den Semi­no­len

Bei den Abih­ka-Creek: zwi­schen Eng­län­dern und Fran­zo­sen

Mit den Nat­chez fand die eng­li­sche Kolo­nie im Süd­os­ten Nord­ame­ri­kas neben den Chick­a­saw und den Che­ro­kee einen zusätz­li­chen Ver­bün­de­ten gegen ihren fran­zö­si­schen Riva­len im Kampf um die Vor­herr­schaft in Nord­ame­ri­ka. Als Kund­schaf­ter gegen das benach­bar­te spa­nisch Flo­ri­da oder als Hel­fer beim Ein­fan­gen ent­lau­fe­ner afri­ka­ni­scher Skla­ven leis­te­ten die Nat­chez den Eng­län­dern so wert­vol­le Diens­te, dass sie sie mit Land am Edis­to-River belohn­ten (Smyth, 2016: 123 ff.).

Auf Grund gemein­sa­mer Aktio­nen mit den Eng­län­dern und ihrer gemein­sa­men Skla­ven­raub­zü­gen gab es schon vor Ankunft der Nat­chez eine fes­te Bin­dung zwi­schen den Chick­a­saw und den Creek, die eini­ge Nat­chez vom Litt­le Ten­nes­see zu nut­zen wuss­ten, um sich im Gebiet der Abih­ka-Creek nie­der­zu­las­sen (Smyth, 2016: 139 f.). 

Die Abih­ka-Creek leb­ten im Nord­wes­ten des heu­ti­gen Ala­ba­ma, an der Gren­ze zum nord­west­li­chen Teil des heu­ti­gen Geor­gia, und damit nörd­lich der von den Ala­ba­ma- und Tall­a­poosa-Creek bewohn­ten Gebie­te. Als die Abih­ka im 18. Jahr­hun­dert wei­ter nach Süden zogen (Wasel­kov und Smith in McE­wan, 2000: 247), dürf­te für die Nat­chez eine eher unge­müt­li­che Situa­ti­on ent­stan­den sein. Die Ala­ba­ma lavier­ten näm­lich bewusst zwi­schen den eng­li­schen und fran­zö­si­schen Fron­ten und gin­gen dabei sogar so weit, den Fran­zo­sen den Bau von Fort Tou­lou­se auf ihrem Ter­ri­to­ri­um zu gestat­ten (Wasel­kov und Smith in McE­wan, 2000: 249). 

Unter dem Ein­fluss der Fran­zo­sen grif­fen Creek-Grup­pen auch Che­ro­kee-Sied­lun­gen, vor allem die im Grenz­be­reich zwi­schen den bei­den Caro­li­nas und dem heu­ti­gen Geor­gia lie­gen­den, an, sodass deren Bewoh­ner sich ver­stärkt in die siche­re­ren Gegen­den wie den Overhill-Towns zurück­zo­gen (Rod­ning, 2010: 15 f., 21). 

Grö­ße­re Sicher­heit könn­te den Nat­chez dage­gen die Nähe der Abih­ka zu den im öst­li­chen Teil des heu­ti­gen Ala­ba­ma sie­deln­den Okfus­kee-Creek gebo­ten haben (Wasel­kov und Smith in McE­wan, 2000: 255). Trotz der für die Nat­chez gefähr­li­chen Ver­su­che der Fran­zo­sen, die Creek für ihre gegen die Eng­län­der gerich­te­ten Inter­es­sen ein­zu­span­nen, gelang es den Nat­chez, sich bei den Creek dau­er­haft und nach­weis­lich bis ins 19. Jahr­hun­dert zu eta­blie­ren, ohne ihre eige­ne Iden­ti­tät auf­ge­ben zu müs­sen (Smyth, 2016: 141 ff., 157 ff.). 

Anders als bei den Che­ro­kee war nach dem Ende Frank­reichs als ame­ri­ka­ni­scher Kolo­ni­al­macht die gesell­schaft­li­che Ent­wick­lung der Creek von Nie­der­gang gekenn­zeich­net (Lindig/Münzel, 1976: 84). Eine Schau­kel­po­li­tik zwi­schen zwei Kolo­ni­al­mäch­ten war jetzt nicht mehr mög­lich.

Spu­ren einer Rück­kehr in die alte Hei­mat

Nicht ganz aus­zu­schlie­ßen ist, dass Nat­chez in ihre alte Hei­mat zurück­kehr­ten, nach­dem die Gefahr durch fran­zö­si­sches Mili­tär nach des­sen Abzug nicht mehr gege­ben war. Eine Erwäh­nung in den Memoi­ren eines bri­ti­schen Offi­ziers legen die­se Ver­mu­tung nahe (Bar­nett, 2012: 152). Dort wird von einem Dorf gespro­chen, das den glei­chen Namen trug wie eines der ehe­ma­li­gen Nat­chez-Dör­fern aus der Zeit vor 1729. Dar­über hin­aus­ge­hen­de Bele­ge, die die­se Ver­mu­tung erhär­ten könn­ten, sind bis heu­te jedoch noch nicht gefun­den wor­den. 

Ver­trei­bung ins „India­ner­land“ Okla­ho­ma, Ver­bleib der Edis­to-Nat­chez

In den 30er Jah­ren des 19. Jahr­hun­derts erlit­ten die ver­blie­be­nen Nat­chez das glei­che Schick­sal wie ihre gast­ge­ben­den Grup­pen im Süd­os­ten, denen ihr Land genom­men wur­de und die wei­ter nach Wes­ten in das sog. India­ner­land ver­trie­ben wur­den (Bar­nett, 2007: 133, vgl. auch https://www.arbeitskreis-indianer.at/oklahoma-vielvoelkerstaat-indianischer-nationen vom 16.03.2011). Mit ihnen gelang­ten die meis­ten Nat­chez nach Okla­ho­ma, wo ihre Nach­kom­men heu­te noch leben. 

Die Edis­to-Nat­chez durf­ten offen­bar in South Caro­li­na blei­ben und dort ihr Leben als Sied­ler fris­ten (Bar­nett, 2007: 134). 

Der Über­le­bens­wil­le und die Über­le­bens­kunst der Nat­chez-Kul­tur

Das über Jahr­hun­der­te wäh­ren­de Über­le­ben von Tei­len ihrer Tra­di­tio­nen, ohne dass die­se an eige­ne poli­ti­sche Struk­tu­ren gebun­den waren, zeigt, dass es den Nat­chez offen­bar gelun­gen war, auch in der Frem­de eine Nische zu fin­den, in der Ele­men­te ihrer Kul­tur fort­be­stehen konn­ten. 

Das deckt sich mit den Fest­stel­lun­gen von Per­du und Green (2013: 7) und auch Mat­tio­li (2017: 351) von einer erstaun­li­chen Lang­le­big­keit india­ni­scher Lebens­ge­wohn­hei­ten bis in unse­re heu­ti­ge Zeit. 

Hier­zu passt, dass nach einer bis in die Mit­te des 20. Jahr­hun­derts andau­ern­den stän­di­gen Abnah­me der Bevöl­ke­rungs­zah­len der indi­ge­nen Grup­pen Nord­ame­ri­kas in den letz­ten Jahr­zehn­ten eine Umkehr bis hin zu einem Bevöl­ke­rungs­zu­wachs zu ver­zeich­nen ist. Dahin­ter mag ein ver­stärk­tes Bewusst­sein von der eige­nen Iden­ti­tät und ein damit ein­her­ge­hen­des Bekennt­nis zu der eige­nen eth­ni­schen Grup­pe ste­hen. 

Sozio­lo­gen, Eth­no­lo­gen, Anthro­po­lo­gen und indi­ge­ne For­scher haben sich in der letz­ten Zeit ver­mehrt den Über­le­ben­den des Eth­no­zids an der Urbe­völ­ke­rung Nord­ame­ri­kas gewid­met.

Gera­de klei­ne­re Grup­pen, die als aus­ge­stor­ben oder wei­test­ge­hend aus­ge­stor­ben gal­ten, sind damit ins Blick­feld der Spu­ren­su­che gelangt.

Zukünf­ti­gen Unter­su­chun­gen bleibt es über­las­sen her­aus­zu­fin­den, was die Grün­de für einen der­art beharr­li­chen Über­le­bens­wil­len sind, dass sich heu­te wie­der Men­schen wie die Nat­chez auf ihre Her­kunft beru­fen. 

Karl-Her­mann Hör­ner


Zum Autor:

Karl-Her­mann Hör­ner

Stu­di­um der Sozio­lo­gie, Eth­no­lo­gie und Geschich­te an der Goe­the-Uni­ver­si­tät Frankfurt/M. Abschluss mit dem Diplom in Sozio­lo­gie und den bei­den Staats­exami­na für das Lehr­amt an der Sek. I. Schwer­punk­te: Sozio­lo­gie nicht-indus­tri­el­ler Gesell­schaf­ten, Ent­wick­lungs­so­zio­lo­gie, Eth­no­lo­gie des Süd­os­tens Nord­ame­ri­kas, Geschich­te His­pano­ame­ri­kas.

Bis zum Ruhe­stand beruf­li­che Tätig­keit in einem Schul­buch­ver­lag.

Ver­öf­fent­li­chun­gen des Autors:

Die Nat­chez, Die Nat­chez vom Unter­lauf des Mis­sis­sip­pi (ver­än­der­te Neu­auf­la­ge); erhält­lich u.a. bei:
> GRIN Publi­shing GmbH: Die Nat­chez vom Unter­lauf des Mis­sis­sip­pi
 (mit Lese­pro­be)

Die Nat­chez — Der Weg in die Dia­spo­ra (kur­ze Ergän­zung zu ‚Die Nat­chez vom Unter­lauf des Mis­sis­sip­pi‘); kos­ten­frei lesen unter:
> GRIN Publi­shing GmbH: Die Nat­chez. Der Weg in die Dia­spo­ra

Web­sei­te des Autors:

Webseite von Karl-Hermann Hörner

Lite­ra­tur:

Bar­nett, James: The Nat­chez Indi­ans. Jack­son 2007.

Bar­nett, James: Mis­sis­sip­pi ́s Ame­ri­can Indi­ans. Jack­son 2012.

Fogel­son, Ray­mond D. (ed.): Hand­book of North Ame­ri­can Indi­ans, Vol. 14, Sou­the­ast. Washing­ton 2004.

Hamil­ton, Chuck: The True Ori­gin of the Che­ro­kee and the Pre-Histo­ry of the Che­ro­kee Coun­try. Ohne Ort, ohne Datum.

Hör­ner, Karl-Her­mann: Die Nat­chez vom Unter­lauf des Mis­sis­sip­pi

Hör­ner, Karl-Her­mann: Die Nat­chez — Der Weg in die Dia­spo­ra

John­son, Jay K., John W. O ́Hear, Rob­bie Ethridge, Brad R. Lieb, Sus­an L. Scott und H. Edwin John­son: Mea­su­ring Chick­a­saw Adap­ti­on on the Wes­tern Fron­tier of the Colo­ni­al South. In: Sou­the­as­tern Archaeo­lo­gy, Vol. 27, No. 1, 2008.

Lin­dig, Wolf­gang und Mark Münzel: Die India­ner. München 1976.

Mat­tio­li, Aram: Ver­lo­re­ne Wel­ten. Stutt­gart 2017.

McE­wan, Bon­nie G. (ed.): Indi­ans of the Grea­ter Sou­the­ast. Gains­ville 2000.

Mil­ne, Geor­ge E.: Nat­chez Coun­try. Athens 2015.

Per­due, The­da und Micha­el D. Green: Die India­ner Nord­ame­ri­kas. Stutt­gart 2013.

Rod­ning, Chris­to­pher B.: Euro­pean Trade Goods at Che­ro­kee Sett­le­ments in Sou­thwes­tern North Caro­li­na. In: North Caro­li­na Archaeo­lo­gy, Vol. 59, 2010. 

Smyth, Edward G.: The Nat­chez Dia­spo­ra (Diss.). San­ta Cruz 2016.




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