März 21, 2023

“The Voice of the Lako­ta Nati­on” – 40 Jah­re KILI Radio

Wenn in die­sem Jahr des 50. Jah­res­tags der Beset­zung von Woun­ded Knee 1973 gedacht wird, braucht man den Blick nur ein paar Kilo­me­ter wei­te­schwei­fen las­sen, um den nächs­ten Jubi­lar zu ent­de­cken – KILI Radio, des­sen Grün­dung ohne den dor­ti­gen Wider­stand unvor­stell­bar gewe­sen wäre.

Der Radio­sen­der KILI (KILI heißt so etwas wie „cool“ auf Lako­ta) am Por­cu­pi­ne But­te nahe der Ort­schaft Woun­ded Knee in Süddakota (Pine Ridge Reser­vat) fei­ert heu­er sei­nen 40. Geburts­tag.

Er wur­de im Febru­ar 1983 vom Ame­ri­can Indi­an Move­ment (AIM) gegrün­det und wird seit­dem von Stam­mes­mit­glie­dern – groß­teils ehren­amt­lich und mit einem mini­ma­len Bud­get von jähr­lich nur ca. 450.000 US-Dol­lar betrie­ben. Etwa zwei Drit­tel des Gel­des kom­men aus der öffent­li­chen Medi­en­för­de­rung, ein Drit­tel muss jähr­lich in Form von Spen­den und ande­rer Spon­so­ren­tä­tig­keit auf­ge­bracht wer­den.

Das Sen­de­ge­biet der 100.000 Watt Sta­ti­on (mit Ver­stär­kern in ande­ren Reser­va­ten) umfasst ins­ge­samt eine Flä­che von fast 80.000 km² und beinhal­tet neben den Lako­ta Reser­va­ten in Süddakota auch die süd­li­chen Black Hills, Rapid City und Tei­le von Nebras­ka. Die Anzahl der haupt­säch­lich Lako­ta-Hörer liegt bei etwa 50.000. In Umfra­gen gaben 95% der Reser­vats­be­woh­ner von Pine Ridge an, KILI in den zurück­lie­gen­den 24 Stun­den gehört zu haben.

Die Sta­ti­on, die täg­lich von 6 Uhr mor­gens bis 2 Uhr nachts auf Sen­dung ist, wird der­zeit (und schon seit Jahr­zehn­ten) von Tom Casey gelei­tet und von einem Lako­ta-Vor­stand unter Vor­sitz von Bill Means ver­wal­tet. Das täg­li­che Pro­gramm wird von einer Viel­zahl ehren­amt­li­cher DJs (wie sie genannt wer­den) gestal­tet.

KILI-Radio / Pine Ridge Reservation

KILI-Radio / Pine Ridge Reser­va­ti­on

Viel bes­ser als schrift­li­che Medi­en, wie etwa Zei­tun­gen, fügt sich das gespro­che­ne Medi­um Radio in die ora­le Tra­di­ti­on der Lako­ta Kul­tur ein. KILI fun­giert jedoch nicht nur als Radio­sen­der in unse­rem Sinn. Er dient auch als Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stel­le zwi­schen Stam­mes­mit­glie­dern durch kurz­fris­ti­ge Durch­sa­gen von aktu­el­len Ereig­nis­sen, Not­fäl­len etc.

KILI ist kein kom­mer­zi­el­les Radio, son­dern bezeich­net sich als „Com­mu­ni­ty Radio“, als Sta­ti­on, die Dienst­leis­tun­gen an der Gemein­schaft erbringt, ohne gleich­zei­tig eine Insti­tu­ti­on in öffent­li­chem Besitz zu sein. Für bestimm­te Pro­jek­te bzw. Sen­dun­gen und Durch­sa­gen erhält die Sta­ti­on jedoch auch öffent­li­che Mit­tel (z.B. von Schu­len, Ogla­la Lako­ta Col­lege, Stam­mes­ver­wal­tung).

Das Radio bie­tet auch die Mög­lich­keit der Ver­wen­dung der Lako­ta Spra­che. Am Beginn des Sen­ders war die Zwei­spra­chig­keit der Mode­ra­to­ren Vor­aus­set­zung und die Erhal­tung der Spra­che eines der wich­tigs­ten Anlie­gen von KILI.

Die Bedeu­tung der Lako­ta Spra­che hat im Lau­fe der Zeit lei­der deut­lich abge­nom­men, nur mehr weni­ge Sen­dun­gen (u.a. das Gar­ten­bau­pro­gramm von Milo Yel­low Hair) wer­den zumin­dest groß­teils in Lako­ta abge­hal­ten. Es gab und gibt zwar vie­le Bemü­hun­gen in den Lako­ta Reser­va­ten, die Spra­che zu erhal­ten bzw. wie­der zu bele­ben, aber bis­her beschrän­ken sich die­se vor allem auf eini­ge Kur­se in Schu­len und an den Col­leges in den Reser­va­ten (ein Lako­ta Sprach­kurs ist ver­pflich­tend etwa am Ogla­la Lako­ta Col­lege). Im All­tag und auch in den Radio­pro­gram­men von KILI haben sich die­se ambi­tio­nier­ten Vor­ha­ben lei­der noch nicht durch­ge­setzt.

Die Bedeu­tung der Lako­ta Spra­che hat im Lau­fe der Zeit lei­der deut­lich abge­nom­men, nur mehr weni­ge Sen­dun­gen (u.a. das Gar­ten­bau­pro­gramm von Milo Yel­low Hair) wer­den zumin­dest groß­teils in Lako­ta abge­hal­ten. 

KILI-Radio: Milo Yellowhair on air

KILI-Radio: Milo Yel­lowhair on air

Es gab und gibt zwar vie­le Bemü­hun­gen in den Lako­ta Reser­va­ten, die Spra­che zu erhal­ten bzw. wie­der zu bele­ben, aber bis­her beschrän­ken sich die­se vor allem auf eini­ge Kur­se in Schu­len und an den Col­leges in den Reser­va­ten (ein Lako­ta Sprach­kurs ist ver­pflich­tend etwa am Ogla­la Lako­ta Col­lege). Im All­tag und auch in den Radio­pro­gram­men von KILI haben sich die­se ambi­tio­nier­ten Vor­ha­ben lei­der noch nicht durch­ge­setzt.

Die Gründung von KILI ver­lief nicht ohne Schwie­rig­kei­ten. Ende der 1970er Jah­re glaub­te mit Aus­nah­me der Initia­to­ren nie­mand so recht an ein Funk­tio­nie­ren der Radio­sta­ti­on. In der Vor­be­rei­tungs­pha­se Anfang der 80er Jah­re mein­te der dama­li­ge Stam­mes­prä­si­dent noch: „Radio­sta­ti­on? War­um ver­sucht ihr es nicht mit einer Tank­stel­le?“.

KILI überträgt live poli­ti­sche und kul­tu­rel­le Ereig­nis­se, wie etwa Stam­mes­rats­sit­zun­gen, was für die Trans­pa­renz poli­ti­scher Vor­gän­ge in den Reser­va­ten von beson­de­rer Bedeu­tung ist. Aber auch Pow­Wows, Ereig­nis­se im Schul- und Sport­be­reich wer­den ange­kün­digt bzw. es wird über sie berich­tet. 

Dass sich KILI als „Com­mu­ni­ty Radio“ ver­steht, wird auch dadurch deut­lich, dass loka­le Not­fäl­le bekannt gege­ben wer­den und zur Hil­fe auf­ge­ru­fen wird. 

Vor allem aber sen­det KILI viel Musik – moder­ne wie tra­di­tio­nel­le. Nach­rich­ten­sen­dun­gen umfas­sen loka­le wie natio­na­le Berich­te. Die Sta­ti­on arbei­tet eng mit Schu­len und Col­leges zusam­men. Schü­ler und Stu­den­ten gestal­ten eige­ne Sen­dun­gen und wach­sen so in die Tätig­keit von Jour­na­lis­ten, Spre­chern und Disk-Jockeys hin­ein. Unter den jugend­li­chen Lako­ta gilt es als gro­ße Ehre und Ansporn, für KILI Radio tätig sein zu kön­nen.

Film No More Smoke Signals

Film­pla­kat: No More Smo­ke Signals

KILI Radio erreg­te auch inter­na­tio­na­le Auf­merk­sam­keit. Die Schwei­ze­rin, Fan­ny Bräu­ning, erstell­te 2008 ein Film­por­trait der Sta­ti­on mit dem Titel „No More Smo­ke Signals“. 

Der Film geht aber über die Dar­stel­lung von KILI selbst hin­aus und zeigt auch die sozi­al pre­kä­ren Lebens­um­stän­de der Ogla­la-Lako­ta, die u.a. durch die Nicht-Ein­hal­tung der Fort Lara­mie Ver­trä­ge 1851 und 1868 sei­tens der USA zu erklä­ren sind. 


KILI gehört auch nach 40 Jah­ren nicht nur zu einem der wich­tigs­ten, auf Pri­vat­in­itia­ti­ve beru­hen­den Erfolgs­pro­jek­te im Pine Ridge Reser­vat, es ist – trotz sons­ti­ger Unei­nig­keit der ver­schie­de­nen poli­ti­schen Frak­tio­nen – auch eine Insti­tu­ti­on, die sich all­ge­mei­ner und unge­teil­ter Beliebt­heit erfreut. Trotz­dem muss die Radio­sta­ti­on auf­grund der unsi­che­ren Finanz­la­ge jähr­lich ums Über­le­ben kämp­fen.

Per­sön­li­che Bemer­kun­gen des Autors:

Ich selbst hat­te meh­re­re Male Gele­gen­heit, KILI Radio zu besu­chen und auch – spe­zi­ell von Milo Yel­low Hair – in sei­ne Sen­dun­gen ein­ge­bun­den zu wer­den. 

Peter Schwarzbauer bei KILI-Radio / Eine Ridge Reservation

Peter Schwarz­bau­er bei KILI-Radio / Eine Ridge Reser­va­ti­on

Zu einem mei­ner per­sön­lich größ­ten Erfolgs­er­leb­nis­se gehört die Tat­sa­che, dass ich live einen eige­nen Song über Woun­ded Knee mit Gitar­re, Mund­har­mo­ni­ka und Gesang dar­bie­ten durf­te, den ich schon Jahr­zehn­te zuvor in mei­nen Teen-Jah­ren im Ein­druck von Woun­ded Knee II (1973) geschrie­ben hat­te. Bei KILI Radio ist es üblich, dass Hörer auch wäh­rend und nach Sen­dun­gen anru­fen und einen Input geben können. Mein Song wur­de jeden­falls sehr posi­tiv auf­ge­nom­men.

In der Radio­sta­ti­on konn­te ich natür­lich auch haut­nah die Gestal­tung von Sen­dun­gen mit­er­le­ben. Euro­päi­schen Jour­na­lis­ten wür­den sich ver­mut­lich die Haa­re sträu­ben, wenn sie erlebt hät­ten, wie zwei Stun­den Radio­pro­gramm im KILI Radio zustan­de kom­men kön­nen. 

Milo Yel­low Hair mode­riert wöchent­lich eine Stun­de lang ein Pro­gramm für die land­wirt­schaft­li­che Initia­ti­ve „Slim But­tes Agri­cul­tu­re and Deve­lo­p­ment Pro­ject“, eine Insti­tu­ti­on, die unter ande­rem den Gar­ten­bau im Reser­vat unter­stützt und allen, die es wün­schen, aktiv unter die Arme greift. 

Ich habe zwar selbst von Radio­jour­na­lis­mus kei­ne Ahnung, weiß aber, dass jede Radio­stun­de in Euro­pa ein Mehr­fa­ches an Vor­be­rei­tungs­zeit braucht. Bei Milo bestand die Vor­be­rei­tungs­zeit höchs­tens aus fünf Minu­ten, in denen ich instru­iert wur­de, wobei es unge­fähr bei die­sen bei­den Sen­dun­gen gehen wür­de. Der Rest war rei­ne Impro­vi­sa­ti­on. Dabei ging es nicht nur ums Gitar­re spie­len, son­dern auch und vor allem um mei­ne Ein­schät­zun­gen zur Situa­ti­on im Pine Ridge Reser­vat aus euro­päi­scher Sicht. Ohne Über­trei­bung: Wir hat­ten zwei Stun­den lang ein tol­les Pro­gramm und noch viel Spaß dabei. Offen­bar die Hörer auch, denn es gab eine Rei­he von posi­ti­ven Reak­tio­nen.

Peter Schwarz­bau­er
Der Autor ist Obmann (Vor­sit­zen­der) des Arbeits­krei­ses India­ner Nord­ame­ri­kas


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