Wenn in diesem Jahr des 50. Jahrestags der Besetzung von Wounded Knee 1973 gedacht wird, braucht man den Blick nur ein paar Kilometer weiteschweifen lassen, um den nächsten Jubilar zu entdecken – KILI Radio, dessen Gründung ohne den dortigen Widerstand unvorstellbar gewesen wäre.
Der Radiosender KILI (KILI heißt so etwas wie „cool“ auf Lakota) am Porcupine Butte nahe der Ortschaft Wounded Knee in Süddakota (Pine Ridge Reservat) feiert heuer seinen 40. Geburtstag.
Er wurde im Februar 1983 vom American Indian Movement (AIM) gegründet und wird seitdem von Stammesmitgliedern – großteils ehrenamtlich und mit einem minimalen Budget von jährlich nur ca. 450.000 US-Dollar betrieben. Etwa zwei Drittel des Geldes kommen aus der öffentlichen Medienförderung, ein Drittel muss jährlich in Form von Spenden und anderer Sponsorentätigkeit aufgebracht werden.
Das Sendegebiet der 100.000 Watt Station (mit Verstärkern in anderen Reservaten) umfasst insgesamt eine Fläche von fast 80.000 km² und beinhaltet neben den Lakota Reservaten in Süddakota auch die südlichen Black Hills, Rapid City und Teile von Nebraska. Die Anzahl der hauptsächlich Lakota-Hörer liegt bei etwa 50.000. In Umfragen gaben 95% der Reservatsbewohner von Pine Ridge an, KILI in den zurückliegenden 24 Stunden gehört zu haben.
Die Station, die täglich von 6 Uhr morgens bis 2 Uhr nachts auf Sendung ist, wird derzeit (und schon seit Jahrzehnten) von Tom Casey geleitet und von einem Lakota-Vorstand unter Vorsitz von Bill Means verwaltet. Das tägliche Programm wird von einer Vielzahl ehrenamtlicher DJs (wie sie genannt werden) gestaltet.
Viel besser als schriftliche Medien, wie etwa Zeitungen, fügt sich das gesprochene Medium Radio in die orale Tradition der Lakota Kultur ein. KILI fungiert jedoch nicht nur als Radiosender in unserem Sinn. Er dient auch als Kommunikationsstelle zwischen Stammesmitgliedern durch kurzfristige Durchsagen von aktuellen Ereignissen, Notfällen etc.
KILI ist kein kommerzielles Radio, sondern bezeichnet sich als „Community Radio“, als Station, die Dienstleistungen an der Gemeinschaft erbringt, ohne gleichzeitig eine Institution in öffentlichem Besitz zu sein. Für bestimmte Projekte bzw. Sendungen und Durchsagen erhält die Station jedoch auch öffentliche Mittel (z.B. von Schulen, Oglala Lakota College, Stammesverwaltung).
Das Radio bietet auch die Möglichkeit der Verwendung der Lakota Sprache. Am Beginn des Senders war die Zweisprachigkeit der Moderatoren Voraussetzung und die Erhaltung der Sprache eines der wichtigsten Anliegen von KILI.
Die Bedeutung der Lakota Sprache hat im Laufe der Zeit leider deutlich abgenommen, nur mehr wenige Sendungen (u.a. das Gartenbauprogramm von Milo Yellow Hair) werden zumindest großteils in Lakota abgehalten. Es gab und gibt zwar viele Bemühungen in den Lakota Reservaten, die Sprache zu erhalten bzw. wieder zu beleben, aber bisher beschränken sich diese vor allem auf einige Kurse in Schulen und an den Colleges in den Reservaten (ein Lakota Sprachkurs ist verpflichtend etwa am Oglala Lakota College). Im Alltag und auch in den Radioprogrammen von KILI haben sich diese ambitionierten Vorhaben leider noch nicht durchgesetzt.
Die Bedeutung der Lakota Sprache hat im Laufe der Zeit leider deutlich abgenommen, nur mehr wenige Sendungen (u.a. das Gartenbauprogramm von Milo Yellow Hair) werden zumindest großteils in Lakota abgehalten.
Es gab und gibt zwar viele Bemühungen in den Lakota Reservaten, die Sprache zu erhalten bzw. wieder zu beleben, aber bisher beschränken sich diese vor allem auf einige Kurse in Schulen und an den Colleges in den Reservaten (ein Lakota Sprachkurs ist verpflichtend etwa am Oglala Lakota College). Im Alltag und auch in den Radioprogrammen von KILI haben sich diese ambitionierten Vorhaben leider noch nicht durchgesetzt.
Die Gründung von KILI verlief nicht ohne Schwierigkeiten. Ende der 1970er Jahre glaubte mit Ausnahme der Initiatoren niemand so recht an ein Funktionieren der Radiostation. In der Vorbereitungsphase Anfang der 80er Jahre meinte der damalige Stammespräsident noch: „Radiostation? Warum versucht ihr es nicht mit einer Tankstelle?“.
KILI überträgt live politische und kulturelle Ereignisse, wie etwa Stammesratssitzungen, was für die Transparenz politischer Vorgänge in den Reservaten von besonderer Bedeutung ist. Aber auch PowWows, Ereignisse im Schul- und Sportbereich werden angekündigt bzw. es wird über sie berichtet.
Dass sich KILI als „Community Radio“ versteht, wird auch dadurch deutlich, dass lokale Notfälle bekannt gegeben werden und zur Hilfe aufgerufen wird.
Vor allem aber sendet KILI viel Musik – moderne wie traditionelle. Nachrichtensendungen umfassen lokale wie nationale Berichte. Die Station arbeitet eng mit Schulen und Colleges zusammen. Schüler und Studenten gestalten eigene Sendungen und wachsen so in die Tätigkeit von Journalisten, Sprechern und Disk-Jockeys hinein. Unter den jugendlichen Lakota gilt es als große Ehre und Ansporn, für KILI Radio tätig sein zu können.
KILI Radio erregte auch internationale Aufmerksamkeit. Die Schweizerin, Fanny Bräuning, erstellte 2008 ein Filmportrait der Station mit dem Titel „No More Smoke Signals“.
Der Film geht aber über die Darstellung von KILI selbst hinaus und zeigt auch die sozial prekären Lebensumstände der Oglala-Lakota, die u.a. durch die Nicht-Einhaltung der Fort Laramie Verträge 1851 und 1868 seitens der USA zu erklären sind.
KILI gehört auch nach 40 Jahren nicht nur zu einem der wichtigsten, auf Privatinitiative beruhenden Erfolgsprojekte im Pine Ridge Reservat, es ist – trotz sonstiger Uneinigkeit der verschiedenen politischen Fraktionen – auch eine Institution, die sich allgemeiner und ungeteilter Beliebtheit erfreut. Trotzdem muss die Radiostation aufgrund der unsicheren Finanzlage jährlich ums Überleben kämpfen.
Persönliche Bemerkungen des Autors:
Ich selbst hatte mehrere Male Gelegenheit, KILI Radio zu besuchen und auch – speziell von Milo Yellow Hair – in seine Sendungen eingebunden zu werden.
Zu einem meiner persönlich größten Erfolgserlebnisse gehört die Tatsache, dass ich live einen eigenen Song über Wounded Knee mit Gitarre, Mundharmonika und Gesang darbieten durfte, den ich schon Jahrzehnte zuvor in meinen Teen-Jahren im Eindruck von Wounded Knee II (1973) geschrieben hatte. Bei KILI Radio ist es üblich, dass Hörer auch während und nach Sendungen anrufen und einen Input geben können. Mein Song wurde jedenfalls sehr positiv aufgenommen.
In der Radiostation konnte ich natürlich auch hautnah die Gestaltung von Sendungen miterleben. Europäischen Journalisten würden sich vermutlich die Haare sträuben, wenn sie erlebt hätten, wie zwei Stunden Radioprogramm im KILI Radio zustande kommen können.
Milo Yellow Hair moderiert wöchentlich eine Stunde lang ein Programm für die landwirtschaftliche Initiative „Slim Buttes Agriculture and Development Project“, eine Institution, die unter anderem den Gartenbau im Reservat unterstützt und allen, die es wünschen, aktiv unter die Arme greift.
Ich habe zwar selbst von Radiojournalismus keine Ahnung, weiß aber, dass jede Radiostunde in Europa ein Mehrfaches an Vorbereitungszeit braucht. Bei Milo bestand die Vorbereitungszeit höchstens aus fünf Minuten, in denen ich instruiert wurde, wobei es ungefähr bei diesen beiden Sendungen gehen würde. Der Rest war reine Improvisation. Dabei ging es nicht nur ums Gitarre spielen, sondern auch und vor allem um meine Einschätzungen zur Situation im Pine Ridge Reservat aus europäischer Sicht. Ohne Übertreibung: Wir hatten zwei Stunden lang ein tolles Programm und noch viel Spaß dabei. Offenbar die Hörer auch, denn es gab eine Reihe von positiven Reaktionen.
Peter Schwarzbauer
Der Autor ist Obmann (Vorsitzender) des Arbeitskreises Indianer Nordamerikas
Links:
- Webseite KILI Radio: www.kiliradio.org
- Film „No More Smoke Signals“ (engl.) auf YouTube:
www.youtube.com/ watch?v=noYkzjLS76c&t=614s - Link zum Artikel „50. Jahrestag der Besetzung von Wounded Knee“:
www.arbeitskreis-indianer.at/50-jahrestag-der-besetzung-von-wounded-knee