Wounded Knee 2 — Widerstand der Indianer
In den frühen Morgenstunden des 27. Februar 1973 zogen rund 200 Indianer und Indianerinnen bei klirrend kaltem Wetter zur historischen Stätte von Wounded Knee auf der Pine Ridge Reservation im US-Bundesstaat South Dakota.
Die Situation im Reservat war über Jahre hin immer unerträglicher und verzweifelter geworden.
Stammespräsident Dick Wilson, Vorsitzender einer Marionettenregierung am Gängelband der US-Regierung, hatte dort mit Hilfe einer eigenen Schlägertruppe, der „Goons“ (Guardians of Oglala Nation), ein korruptes Terrorregime errichtet, mit dem er den Protest von Traditionellen und Aktivisten gegen den Uranabbau auf ihrem Land und den Ausverkauf der Black Hills, einem heiligen Ort der Indigenen, zum Schweigen bringen wollte.
Die traditionellen Oglala-Lakota im Pine Ridge Reservat hatten das American Indian Movement (AIM) um Unterstützung gebeten. Gemeinsam mit AIM-Mitglieder besetzten sie an diesem kalten Tag im Februar 1973 die Ortschaft Wounded Knee. Die nächsten Wochen gingen als „Wounded Knee 2″ in die Geschichte ein.
Wounded Knee 1 — wo eines Volkes Traum starb
Wounded Knee war im Dezember 1890 der Schauplatz eines blutigen und brutalen Massakers, verübt von der 7. US-Kavallerie an über 300 wehrlosen Lakota, viele von ihnen Frauen, Kinder und Alte.
„Wounded Knee 1″ beendete jede Hoffnung auf Widerstand bei den Lakota und hat bis heute ein tief gehendes Trauma hinterlassen, das schwer auf den Nachkommen der Überlebenden lastet.
„Eines Volkes Traum ist dort gestorben. Es war ein schöner Traum ...“ (Black Elk, Medizinmann der Lakota)
Neues Selbstbewusstsein und Widerstand
1973, über 80 Jahre nach dem Massaker, waren die Indianer und Indianerinnen diesmal bewaffnet. Sie verschanzten sich in Wounded Knee und rechneten damit, dass es zum Kampf kommen würde. Und so war es dann auch, es gab Tote auf beiden Seiten.
Die internationale Presse wurde aufmerksam auf das, was sich in einer der ärmsten Regionen der reichen USA abspielte. Die einstigen Herren des Landes traten wieder für ihre Rechte ein. Die amerikanische Gesellschaft war gespalten. Auch viele Nicht-Indianer hatten Sympathien mit den Indigenen.
71 Tage lang hielten die Besetzer von Wounded Knee stand gegen schwer bewaffnete FBI-Agenten und US-Marhalls, gegen Panzer und Helikopter. Ohne Nahrung und Munition mussten sie am 8. Mai 1973 aufgeben.
Gegen die AIM-Führer und bekannten Redner Dennis Banks und Russell Means wurde Anklage erhoben, aber dann fallen gelassen.
Leonard Peltier — unschuldig noch immer im Gefängnis
Gegen Leonard Peltier wurde wegen Mordes an 2 FBI-Beamte ermittelt. Obwohl es keine Beweise für seine Beteiligung gab, wurde er 1977 zu zwei Mal lebenslänglichverurteilt — für Morde, die er nicht begangen hatte.
Die Basis für diese Verurteilung war seine ungesetzliche Auslieferung von Kanada an die USA, ein Prozess voller Verfahrensfehler, gefälschter Zeugenaussagen und vom FBI geschwärzter Dokumente.
Millionen Menschen haben Petitionen für die Freilassung von Leonard Peltier unterzeichnet, leider ohne Erfolg.
Bis heute sitzt der mittlerweile gesundheitlich angeschlagene 78-jährige Leonard Peltier im Gefängnis und kann erst wieder 2024 einen Bewährungsantrag stellen.
Die Pine Ridge Reservation heute
In Pine Ridge setzte Dick Wilson nach Wounded Knee 2 sein Schreckensregime fort, seine Schlägertrupps der Stammesregierung gingen weiterhin gegen Traditionelle und Aktivisten vor, Rund 60 indigene Aktivisten und Aktivistinnen wurden in diesen Jahren von den Handlangern des Regimes ermordet.
Das FBI verschärfte seine Infiltrations- und Einschüchterungspolitik gegenüber AIM.
Pine Ridge ist noch heute der ärmste Bezirk der gesamten USA, die Arbeitslosigkeit liegt bei fast 80%, die Bevölkerung leidet unter miserablen Wohnverhältnissen, Krankheiten und einer hohen Selbstmordrate.
Von Alcatraz über Wounded Knee 2 zu NoDAPL
Wounded Knee 2 1973 und die Besetzung von Alcatraz in der Bucht von San Franciso durch Indianer und Indianerinnen von November 1969 bis Juni 1971 führten zu einem Wendepunkt im Selbstverständnis und einem Erstarken des Selbstbewusstseins der Ureinwohner des nordamerikanischen Kontinents.
Ein Höhepunkt der von Indigenen geleiteten Kampagnen in Nordamerika war 2016der Widerstand gegen den Bau der Dakota Access Pipeline („NoDAPL“) und die zerstörerische Energiepolitik und Missachtung indigener Landrechte , die Zehntausende Indigene und Aktivisten nach Standing Rock in North Dakota führte.
Viele Indigene glaubten lange Zeit, dass Wounded Knee 1 in gewisser Weise das Ende indigenen Widerstands in Nordamerika kennzeichnete. Mit Ende der 1960er Jahre, insbesonders durch Wounded Knee 2, wuchs mit steigendem Selbstbewusstsein auch der Widerstand gegen das ausbeuterische System, ein Widerstand, der sich gegenüber früher durch stärkere Vernetzung der Indigenen, auch bedingt durch die Nutzung sozialer Medien auszeichnet.
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