Oktober 15, 2020

India­ner­hef­te, Yaka­ri und Mol­ly of Dena­li: Von kli­schee­haf­ten Dar­stel­lun­gen bis tat­säch­li­che Lebens­um­stän­de von India­nern

Medi­en prä­gen unser Bild von der Welt. Auf unter­schied­lichs­te Wei­se wird die Lebens­wei­se von Indi­ge­nen dar­ge­stellt. Anhand drei aktu­el­ler Bei­spie­le möch­te ich zei­gen, wie The­men zu und mit Indi­ge­nen für Kin­der auf­be­rei­tet wer­den.

India­ner­hef­te, um das Ler­nen zu erleich­tern

Mei­ne India­ner­hef­te sind Schul­bü­cher für Kin­der der Volks­schu­le, her­aus­ge­ge­ben vom Ernst-Klett-Ver­lag. Der Schul­stoff, bei­spiels­wei­se Deutsch, Mathe­ma­tik oder Sach­kun­de, wird mit Hil­fe von Anoki, eines Jun­gen mit einer gro­ßen Feder im Stirn­band und in Leder­klei­dung mit Fran­sen bei­gebracht; also das bekann­te kli­schee­haf­te Bild eines India­ners als nied­li­che Comic-Figur. Das Hin­ter­grund­bild der Titel­sei­te ist an die nord­ame­ri­ka­ni­sche Prä­rie ange­lehnt. Anoki soll Schü­le­rIn­nen beim Ler­nen von Lesen, Schrei­ben und Rech­nen unter­stüt­zen und ihnen das Ler­nen erleich­tern. 

Auf­grund von Ras­sis­mus-Vor­wür­fen wird nun das Erschei­nungs­bild der Schul­buch­rei­he geän­dert. Die Kri­tik kam vor allem von Eltern und betraf im Spe­zi­el­len den Begriff India­ner: Die­sen im Titel der Schul­bü­cher zu nen­nen sei nicht mehr zeit­ge­mäß. 
Es geht bei die­sen Vor­wür­fen nicht um das The­ma „India­ner / Indi­ge­ne“ an sich; Kei­ne Vor­wür­fe über eine kli­schee­haf­te Dar­stel­lung eines India­ners als Lern-Mas­kott­chenwur­den erho­ben.

Ab Janu­ar 2021 wird der Ernst-Klett-Ver­lag die Schul­hef­te ohne bild­li­che Bezü­ge zu Indi­ge­nen ver­öf­fent­li­chen. Die Neu­auf­la­ge der Schul­buch­rei­he sol­len unter dem Namen Mei­ne Anoki-Übungs­hef­te erschei­nen und anstel­le Anokis, dem Jun­gen in Leder­klei­dung, wer­den vier jun­ge Freun­de die Schul­kin­der beim Ler­nen unter­stüt­zen. Der Ver­lag teil­te mit, dass es ihnen wich­tig ist, dass sich jun­ge Men­schen kri­tisch mit dem The­ma (Post)Kolonialismus, Ras­sis­mus, Diver­si­tät und Migra­ti­on aus­ein­an­der­set­zen. 

Die Sioux — oder doch nicht?

Yaka­ri ist die Haupt­fi­gur der gleich­na­mi­gen Comic­buch­rei­he- ab 1983 als Fern­seh­se­ri­en­rei­he gezeigt- eines Schwei­zer Car­too­nis­ten aus den 1970ern und zeigt Indi­ge­ne aus Nord­ame­ri­ka um das 15. Jahr­hun­dert. 

Yaka­ri ist ein jun­ger Sioux-Bur­sche und trägt ein brau­nes Leder­hemd mit Fran­sen, einen Len­den­schurz und eine gro­ße Feder im Haar. Mit sei­nen Freun­den Regen­bo­gen, einem gleich­alt­ri­gen Mäd­chen mit zwei lan­gen Zöp­fen in einem Leder­kleid, und Klei­ner Don­ner, einem schwarz-wei­ßen Pony, erlebt Yaka­ri Aben­teu­er. 
Yaka­ris Stamm wohnt in Tipis und baut sich Pfeil und Bogen, wie auch ande­re Werk­zeu­ge selbst. In Yaka­ri wer­den die Natur- und Tier­ver­bun­den­heit der India­ner unter­stri­chen, sinn­bild­lich in der Figur Yaka­ris dar­ge­stellt: Er ver­steht Tier­spra­chen und lernt von ihnen und sei­nem Totem­tier.

Die Riva­li­tät zwi­schen Wolf und Mensch wird in Yaka­ri öfters the­ma­ti­siert und steht exem­pla­risch für die Angst vor dem Ande­ren durch das Unwis­sen über den ande­ren. Die Wöl­fe füh­len sich vom Men­schen in ihrer Exis­tenz bedroht, da der Mensch allei­ne durch sei­ne Prä­senz die Beu­te des Wol­fes ver­jagt. Wie­der­um haben die Men­schen Angst vor den Wöl­fen und jagen sie, wobei sich die Wöl­fe dage­gen weh­ren. 
Yaka­ri ist die Brü­cke zwi­schen Mensch und Tier, da er Tie­re ver­ste­hen kann und er zwi­schen bei­den Sei­ten ver­mit­telt. 
Schluss­end­lich wer­den dadurch Miss­ver­ständ­nis­se und Bar­rie­ren abge­baut. Das fried­vol­le und acht­sa­me Zusam­men­le­ben von Mensch und Natur sind die Haupt­bot­schaf­ten von Yaka­ri

Kin­der bekom­men mit Yaka­ri als Vor­bild einen fried­li­chen und ver­ständ­nis­vol­len Umgang mit­ein­an­der ver­mit­telt; der Umgang zwi­schen Mensch, Tier und Natur.

Man kann eini­ges von Indi­ge­nen über nach­hal­ti­ges Leben und Wirt­schaf­ten ler­nen. Die Comic-Rei­he Yaka­ri the­ma­ti­siert jedoch nichts vom tat­säch­li­chen aktu­el­len oder ver­gan­ge­nen Leben und den Her­aus­for­de­run­gen von Sioux-Natio­nen.

Mol­ly of Dena­li – Das Leben als Indi­ge­ne in Alas­ka

Mol­ly of Dena­li ist eine ame­ri­ka­nisch-kana­di­sche Kin­der­se­rie, wel­che 2019 zum ers­ten Mal aus­ge­strahlt wur­de. Es ist die ers­te Kin­der­se­rie, die Indi­ge­ne aus Alas­ka als Prot­ago­nis­ten zeigt. 

Mol­ly und ihre Freun­de kom­men aus Kaja, einem fik­ti­ven Ort um Dena­li — ein Gebiet im Zen­trum von Alas­ka — mit 95 Ein­woh­nern. Jeder kennt dort jeden. Mol­ly und ihr bes­ter Freund Tui zei­gen das typi­sche, all­täg­li­che Leben in Alas­ka, wie zum Bei­spiel, dass man manch­mal nur mit dem Flug­zeug in bestimm­te Tei­le von Alas­ka kommt. 

Mehr über das Leben in Alas­ka erzählt Mol­ly in ihrem Video­blog Frag Mol­ly. Bei­spiels­wei­se berich­tet sie dort von ihrem Ver­such in Kaja, einem Ort, wo es wenig Kin­der gibt, eine Bas­ket­ball­mann­schaft auf­zu­bau­en, oder ihrer Teil­nah­me bei einem Koch­wett­be­werb des bes­ten Nava­gis, eine alas­ki­sche Eis­creme aus tie­ri­schem Fett und Bee­ren. 

Neben dem ani­mier­ten Teil sind auch Live-Seg­men­te, wel­che in Alas­ka gedreht wur­den, Teil der Serie. Im Video­blog Frag Mol­ly wer­den Fra­gen von Mol­lys Fol­lower über die indi­ge­ne Kul­tur und Lebens­wei­se in Alas­ka beant­wor­tet. Es sind schein­bar ein­fa­che Fra­gen, die jedoch ein gege­be­nes ste­reo­ty­pi­sches Bild der Indi­ge­nen aus Alas­ka abbau­en sol­len. Fra­gen wie Wie woh­nen Indi­ge­ne in Alas­ka? wer­den in den Live-Seg­men­ten von Kin­dern aus Alas­ka bespro­chen, wo sie erzäh­len, dass sie wie Mol­ly nicht in Iglus, son­dern in für Alas­ka typi­schen holz­ver­klei­de­ten Häu­sern woh­nen. 

Medi­en und die kul­tu­rel­le Viel­falt

Mit Begrif­fen asso­zi­iert man nicht nur bestimm­te Bil­der von Men­schen; Lebens­wei­sen und Cha­rak­ter­ei­gen­schaf­ten wer­den genau­so damit ver­mit­telt. Die­se erzeug­ten Bil­der blei­ben nicht idea­li­sier­te Vor­stel­lun­gen von Men­schen, son­dern prä­gen die Auf­fas­sung von der Welt. 
Bei­spiels­wei­se stel­len sich Men­schen, die mit den Büchern von Karl May auf­ge­wach­sen sind, einen ande­ren Indi­ge­nen vor als jemand, der mit der Kin­der­se­rie Yaka­ri oder Mol­ly of Dena­li groß gewor­den ist.

Kul­tu­rel­le Beson­der­hei­ten zeich­nen zwar die eige­ne Kul­tur aus, sie machen sie aber nicht aus. Die eige­ne Kul­tur lässt sich nicht auf aus­ge­wähl­te Objek­te redu­zie­ren.

Die Medi­en­prä­sen­ta­ti­on von Bevöl­ke­rungs­grup­pen unter­schei­det sich oft von deren geleb­ten Rea­li­tät. Mehr­mals wird die Prä­sen­ta­ti­on ein­zel­ner Grup­pen auf aus­ge­wähl­te kul­tu­rel­le Merk­ma­le beschränkt. Kul­tu­rel­le Beson­der­hei­ten zeich­nen zwar die eige­ne Kul­tur aus, sie machen sie aber nicht aus. Die eige­ne Kul­tur lässt sich nicht auf aus­ge­wähl­te Objek­te redu­zie­ren.

Wie der Ernst-Klett-Ver­lag in sei­ner Pres­se­mel­dung dar­legt: Wich­tig ist „(…) die Viel­falt gesell­schaft­li­cher Lebens­for­men und Ent­wick­lun­gen dis­kri­mi­nie­rungs­frei und vor­ur­teils­frei [zu] prä­sen­tie­ren und dazu bei­tra­gen, dass tole­ran­tes Den­ken und Ver­hal­ten ent­ste­hen bezie­hungs­wei­se gefes­tigt wer­den kön­nen“. (Pres­se­mel­dung Ernst-Klett-Ver­lag). 

Sarah May­er




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