Dezember 17, 2018

Der Kampf der Gwich’in um das Arc­tic Refu­ge in Alas­ka – „den hei­li­gen Ort, wo alles Leben beginnt“

Die Küs­ten­ebe­nen des Arc­tic Natio­nal Wild­life Refu­ge im Nord­os­ten Alaska/USA, des größ­ten Natur­schutz­ge­biets der USA, sind etwas, was auf die­ser Erde sel­ten gewor­den ist: gro­ße Wei­ten kom­plett unbe­rühr­ter Natur.


Es ist Mit­te Dezem­ber 2018, und über die­sen Ebe­nen hängt das Damo­kles­schwert. Ab Janu­ar oder Febru­ar 2019 könn­ten schwe­re Maschi­nen dort auf­fah­ren, 30-Ton­nen-Trucks mit über 100-köp­fi­gen Teams und Begleit­fahr­zeu­gen, die in Git­ter­netz­li­ni­en mit nur 600 Fuß Abstand die­se Wild­nis durch­kreu­zen, um Vibra­tio­nen in die Erde zu schi­cken, seis­mi­sche Tests, um fest­zu­stel­len, wie viel unter­ir­di­sche Öl- und Gas­fel­der es dort gibt.

Map Arctic National Wildlife Refuge

Das ame­ri­ka­ni­sche Land­wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um, das bald­mög­lichst Lea­sing­ver­käu­fe an Öl- und Gas­fir­men unter Dach und Fach bekom­men will, behaup­tet, die­se Tests hät­ten kei­ne gro­ßen Umwelt­aus­wir­kun­gen. Die­ser Tage kommt her­aus, dass schon vor eini­gen Mona­ten im Innen­mi­nis­te­ri­um eine Memo kur­sier­te, die klar­stellt, dass allein die Popu­la­ti­on der Sou­thern-Beau­fort-Polar­bä­ren, von denen es nur noch etwa 900 gibt, durch die­se Tests signi­fi­kant in Gefahr ist, aus­zu­ster­ben. Wis­sen­schaft­ler wis­sen, dass der Ein­satz des schwe­ren Geräts auf Per­ma­f­rost­bo­den unaus­weich­lich zu Ver­än­de­run­gen der Ober­flä­che, der Was­ser­läu­fe, des Pflan­zen­wachs­tums – kurz, des gesam­ten Öko­sys­tems führt. Was weni­ger bekannt ist: Durch die Erd­er­schüt­te­run­gen kön­nen zudem unkal­ku­lier­ba­re Erd­be­ben­ak­ti­vi­tä­ten indu­ziert wer­den, da es in der Gegend immer wie­der schwä­che­re Erd­be­ben gibt.

Dabei ist die­ses Gebiet für vie­le Tie­re ein­zig­ar­tig und unver­zicht­ba­rer Lebens­raum. Nicht nur für die 200.000 Tie­re star­ke Por­cu­pi­ne-Kari­bu­her­de, die letz­te natür­lich zie­hen­de Kari­bu­her­de Kana­das und der Welt, die hier jedes Früh­jahr ihre Käl­ber zur Welt bringt, und die für die dort leben­den indi­ge­nen Gwich‘in phy­sisch, kul­tu­rell und spi­ri­tu­ell über­le­bens­not­wen­dig ist.

Hil­fe­ruf der Gwich’in

„Wir rufen alle unse­re Part­ner, Ver­bün­de­ten und Freun­de auf und ermun­tern sie, uns, der gan­zen Gwich’in Nati­on und der Por­cu­pi­ne-Kari­bu­her­de bei­zu­ste­hen und dem US-Bureau of Land Manage­ment mit­zu­tei­len, dass Öl- und Gas­boh­run­gen im Arc­tic Natio­nal Wild­life Refu­ge nicht ver­ant­wor­tungs­voll durch­ge­führt wer­den kön­nen und die Men­schen­rech­te der Gwich’in bedro­hen.“

Als ich am 20. April 2018 die­se Ankün­di­gung einer 60-Tages-Frist auf der Web­site des Vun­tut Gwit­chin Govern­ments lese, in der man sei­ne Mei­nung ans ame­ri­ka­ni­sche Land­wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um schi­cken kann, ist mir klar, dass ich auch etwas schrei­ben muss. Schließ­lich habe ich acht Mona­te lang bei den Gwich’in im kana­di­schen Old Crow gelebt, habe ihnen die Anders­ar­tig­keit mei­ner selbst zuge­mu­tet und ihre Gast­freund­schaft erfah­ren. Die­se Mei­nungs­er­he­bung ist ver­pflich­ten­der Teil des offi­zi­el­len Pro­zes­ses für Regie­rungs­pro­jek­te, die „sich signi­fi­kant auf die Qua­li­tät der mensch­li­chen Umwelt aus­wir­ken“.

Bedro­hung der Lebens­grund­la­ge der Kari­bu­her­den, Polar­bä­ren, Moschus­och­sen und der Gwich’in-Nation

Die Coas­tal Plains des Arc­tic Natio­nal Wild­life Refu­ge (ANWR) sind eine völ­lig unbe­rühr­te Wild­nis von 1,5 Mil­lio­nen Acres (etwa 6.070 Qua­drat­ki­lo­me­ter) im US-Bun­des­staat Alas­ka, gleich an der Gren­ze zu Kana­da. Es ist Früh­jahrs-Refu­gi­um und Geburts-Sam­mel­stät­te der letz­ten gro­ßen, vom Men­schen unbe­ein­flusst zie­hen­den Kari­bu­her­de von zur­zeit 218.000 Tie­ren, Zufluchts­ort für Polar­bä­ren, Über­le­bens­raum bedroh­ter Moschus­och­sen, Über­win­te­rungs­platz von über 200 Zug­vo­gel­ar­ten aus fünf Kon­ti­nen­ten. Für die Gwich’in auf US-ame­ri­ka­ni­scher und kana­di­scher Sei­te, für die seit Jahr­tau­sen­den die Por­cu­pi­ne-Kari­bu­her­de Lebens­grund­la­ge ist und die eine tie­fe kul­tu­rel­le und spi­ri­tu­el­le Ver­bun­den­heit zu ihr pfle­gen, ist die­ser Ort „Iiz­hik Gwats’an Gwan­daii Good­lit“, über­setzt etwa „die hei­li­ge Stät­te, wo alles Leben beginnt“. Eine Per­le, ein „Kron­ju­wel“ unter den Natur­schutz­ge­bie­ten der USA, „Ame­ri­kas Seren­ge­ti“.

Arctic National Wildlife Refuge im Nordosten Alaska/USA (Foto: Petra Krumme)

Arc­tic Natio­nal Wild­life Refu­ge im Nord­os­ten Alaska/USA

Seit über 30 Jah­ren ver­su­chen Men­schen, die­ses Gebiet für Öl- und Gas­aus­beu­te zu öff­nen, das laut Umfra­gen zwei Drit­tel aller Ame­ri­ka­ner als Natur­schatz bewah­ren wol­len. Bis zum Dezem­ber 2017 war die Auf­he­bung des Schutz­sta­tus letz­ten Endes immer an der erfor­der­li­chen 60-Stim­men-Mehr­heit im US-Senat geschei­tert, auch dank jahr­zehn­te­lan­gem Ein­satz und der Lob­by­ar­beit von Gwich’in.

Das Arc­tic Refu­ge fällt der Trump-Steu­er­re­form zum Opfer

Als ich mein Schrei­ben auf­set­ze, habe ich Hoff­nung: Das auf Grund­la­ge der Bür­ger­mei­nun­gen erstell­te Umwelt­gut­ach­ten („Envi­ron­ment Impact State­ment“, EIS) nimmt schwer­punkt­mä­ßig auf die ein­ge­brach­ten Punk­te Bezug, bewer­tet die Situa­ti­on, macht Alter­na­tiv­vor­schlä­ge oder emp­fiehlt „no action“. Viel­leicht geht alles gut, wenn genug besorg­te Men­schen und Orga­ni­sa­tio­nen ihre Stim­me erhe­ben, wenn die Beweis­last zu schwer wiegt.

Doch beim Recher­chie­ren erfah­re ich, „no action“ ist in die­sem Fall gar nicht mög­lich. In der Steu­er­re­form der Trump-Admi­nis­tra­ti­on vom Dezem­ber 2017 heißt es näm­lich, dass min­des­tens zwei Lea­sing­ver­käu­fe für Öl- und Gas­boh­run­gen in Area­len von je 400.000 Acre (etwa 1.619 Qua­drat­ki­lo­me­ter) inner­halb einer Zehn-Jah­res-Frist durch­zu­füh­ren sei­en. Der ers­te inner­halb von vier, der zwei­te von sie­ben Jah­ren. Eben­falls ver­bind­lich fest­ge­legt ist die Bebau­ung von min­des­tens 2000 Acre Ober­flä­che – was nicht viel klingt, aber da nur die ein­zel­nen Pos­ten wie Pipe­line-Stüt­zen zusam­men­ge­zählt wer­den, bedeu­tet das de fac­to einen Fuß­ab­druck viel grö­ße­ren Aus­ma­ßes.

Die Indus­tria­li­sie­rung der Coas­tal Plains ist also nicht mehr eine zu prü­fen­de Opti­on, son­dern bereits Gesetz, ein­ge­glie­dert in eine radi­ka­le Steu­er­sen­kungs-Reform, als finan­zi­el­ler Aus­gleich für die zu erwar­ten­den Steu­er­aus­fäl­le und zu fin­den auf der siebt­letz­ten Sei­te im 560-Sei­ten-Doku­ment. Was die Funk­ti­on des EIS ad absur­dum führt und unter den Ver­ant­wort­li­chen selbst etwas „Ver­wir­rung“ aus­ge­löst hat.

Die Gwich’in-Community Old Crow über dem Polarkreis (Foto: Petra Krumme)

Die Gwich’in-Community Old Crow über dem Polar­kreis (Foto: Petra Krum­me)

Ein his­to­ri­scher Skan­dal, der an Mafia­me­tho­den erin­nert

Wäh­rend es für die meis­ten Geset­zes­vor­la­gen 60 Stim­men bedarf, benö­tigt eine Steu­er­re­form nur eine 51-Stim­men-Mehr­heit im Senat. Die Repu­bli­ka­ner haben das Steu­er­ge­setz benutzt, um Res­sour­cen­aus­beu­tung in den Coas­tal Plains durch­zu­be­kom­men, „weil sie wuss­ten, dass sie die Stim­men im nor­ma­len Gesetz­ge­bungs­pro­zess nie bekom­men hät­ten“, so der US-demo­kra­ti­sche Sena­tor Ed Mar­key.

Schon seit Janu­ar 2017, gleich nach Trumps Amts­ein­füh­rung, bemüh­te sich die repu­bli­ka­ni­sche Sena­to­rin von Alas­ka Lisa Mur­kow­ski unter dem Radar um die­sen trick­rei­chen Umweg, eine Öff­nung des Arc­tic Refu­ge zu errei­chen. Wäh­rend ich im klei­nen kana­di­schen Gwich’in-Dorf lern­te, wie man das Fell von Kari­bu­haut am geschick­tes­ten löst und wie man sie anschlie­ßend zu fei­nem Leder gerbt, und kei­ne Zeit hat­te für Poli­tik, „haben wir die Din­ge rich­tig ins Rol­len gebracht, aber wir haben es lei­se getan“, so Mur­kow­ski in einem Ener­gie­bran­chen-News­let­ter, um die typi­schen Ver­su­che von Umwelt­schüt­zern ver­hin­dern, die sol­che Bemü­hun­gen sonst im Vor­hin­ein „aus­höh­len und unter­gra­ben“.

Es wird aber immer deut­li­cher, dass hier etwas ganz ande­res aus­ge­höhlt und unter­gra­ben wird: das ame­ri­ka­ni­sche Umwelt­recht. Die 756.228 Form­brie­fe und Peti­ti­ons­teil­nah­men, basie­rend auf 124 Form­brief­kam­pa­gnen und 16 Peti­tio­nen, 4.226 indi­vi­du­el­len Stel­lung­nah­men wie mei­ne und 14.000 kana­di­sche Pro­test-Unter­schrif­ten und 2 Brie­fe ter­ri­to­ria­ler kana­di­scher Regie­run­gen müss­ten zu einem Eva­lu­ie­rungs­pro­zess füh­ren, der in der Regel drei bis vier Jah­re dau­ert. Die­ser müss­te eigent­lich dar­aus bestehen, feh­len­de oder ver­al­te­te Infor­ma­tio­nen zu eru­ie­ren, die best­mög­li­chen ver­füg­ba­ren wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­se her­an­zu­zie­hen, Impacts zu bewer­ten, strik­te Schutz­maß­nah­men zu for­mu­lie­ren, inten­si­ve Govern­ment-to-Govern­ment-Kon­sul­ta­tio­nen zu füh­ren und die Öffent­lich­keit ein­zu­be­zie­hen. Doch der stell­ver­tre­ten­de US-Innen­mi­nis­ter David Bern­hardt hat im August 2017 eine „Ratio­na­li­sie­rung“ des Pro­zes­ses durch­ge­setzt und damit des­sen Zeit auf etwa ein Jahr ver­kürzt.

“Es ist schlicht unver­ant­wort­lich, ein kalt­schnäu­zi­ger Affront gegen die Gwich’in und eine Ver­let­zung des Minis­terums-Auf­tra­ges gegen­über dem ame­ri­ka­ni­schen Volk, das das Refu­ge als letz­te gro­ße ame­ri­ka­ni­sche Wild­nis ehrt“, sagt Geoffrey Has­kett, frü­he­rer Lei­ter des U.S. Fish & Wild­life Ser­vice für Alas­ka, heu­te Vor­sit­zen­der der Natio­nal Wild­life Refu­ge Asso­cia­ti­on. „Die Trump-Admi­nis­tra­ti­on höhlt die Ele­men­te des ame­ri­ka­ni­schen Umwelt­rechts aus.“

Gel­ten­des Recht wird ver­letzt, die Bedro­hung des gesam­ten Öko­sys­tems wird in Kauf genom­men

Den Lea­sing­ver­käu­fen vor­ge­schal­tet sind seis­mi­sche Tests. Mit­te der Acht­zi­ger gab es die­se schon ein­mal außer­halb des Refu­ge: Fahr­zeu­ge fuh­ren in Git­ter­netz­li­ni­en über das Land, wie es jetzt im Refu­ge wie­der geplant ist, nur deut­lich eng­ma­schi­ger als damals. Luft­fo­tos der Gegend zei­gen heu­te noch immer sicht­ba­re Spu­ren. Trotz kla­rer wis­sen­schaft­li­cher Erkennt­nis­se, die das Gegen­teil bele­gen, behaup­tet das US-Innen­mi­nis­te­ri­um, die­se Tests könn­ten ohne signi­fi­kan­te Aus­wir­kun­gen auf die Umwelt durch­ge­führt wer­den, und drü­cken aufs Tem­po.

Umwelt­grup­pen sind der Ansicht, dass die­se Tests nicht durch­ge­führt wer­den kön­nen, ohne gel­ten­des Recht zu ver­let­zen – das Inkauf­neh­men des Todes von Tie­ren ist nur erlaubt, wenn dies eine Spe­zi­es nicht im Bestand gefähr­det –, und ste­hen in den Start­lö­chern, die US-Regie­rung zu ver­kla­gen. Was erst mög­lich ist, wenn die Bewer­ber­fir­men, die die­se Tests durch­füh­ren wol­len, ein Go erhal­ten haben und begin­nen kön­nen.

Die Kari­bus und „der hei­li­ge Ort, wo alles Leben beginnt“

Ich erin­ne­re mich dar­an, wie ich wäh­rend des tie­fen, lan­gen Win­ters in Old Crow das ers­te Mal Kari­bus begeg­net bin, bei einem Spa­zier­gang die Stra­ße nach Crow Moun­tain hin­auf bei minus 25 Grad. Ein Dorf­be­woh­ner ist mit dem Ski­doo neben mir ste­hen­ge­blie­ben, und wir bli­cken zusam­men auf die drei Tie­re nur 20, 30 Meter vor uns.

„Wie schön sie sind“, steht in mei­nem Tage­buch. „Wenn sie über die Stra­ße sprin­gen, ist es eher wie ein Tan­zen. Es ist wahr­haft ein Tän­zeln mit allen vier Bei­nen. Unfass­bar, aber ich sehe die Ähn­lich­keit zum Jig­gen, dem loka­len Tanz, wo die Füße zu flot­ter Fidd­le-Musik bewegt wer­den.“
‚Beau­tiful!‘, sage ich. ‚Die weib­li­chen Tie­re kal­ben bald‘, erklärt er mir, ‚jetzt im Früh­jahr. Dann zie­hen sie in den Nor­den zu den ‚cal­ving grounds‘. Weißt du was? Die Tie­re, die hier über­all ver­streut sind, spü­ren, wenn die Leit­tie­re kilo­me­ter­weit ent­fernt ent­schei­den, zu den ‚cal­ving grounds‘ auf­zu­bre­chen, und dann zie­hen sie alle dort­hin, strö­men in die glei­che Rich­tung, tref­fen zusam­men. Rein intui­tiv.‘“

Ich habe die ‚cal­ving grounds‘ nie gese­hen. Der 300-Ein­woh­ner-Ort Old Crow, in dem ich war, ist etwa 300 Kilo­me­ter süd­lich davon. Außer­dem ist das Gebiet für die Gwich’in zu hei­lig, um es zu betre­ten, selbst in Hun­ger­pe­ri­oden frü­he­rer Zei­ten haben sie sich davon fern­ge­hal­ten. Der Gwich’in David Solo­mon beschreibt es so: “Für jeden da drau­ßen, der wis­sen möch­te, wie schön das Arc­tic Natio­nal Wild­life Refu­ge ist, setz dich hin und sieh dir dei­ne Kin­der an. Siehst du, wie schön dei­ne Kin­der sind? Das ist Mut­ter Natur, und so schön wie sie ist das Refu­ge.“

Die Vor­stel­lung ist erschüt­ternd, was die Roh­stoff­in­dus­trie für das fra­gi­le Öko­sys­tem bedeu­ten wür­de, für die sen­si­blen Käl­ber und die erschöpf­ten Mut­ter­kü­he, die eine Tau­sen­de Kilo­me­ter lan­ge Wan­de­rung hin­ter sich haben. Die Coas­tal Plains sind mit ihren Bedin­gun­gen als Schutz- und Ruheort sowie als Nah­rungs­quel­le ein­zig­ar­tig. Wenn sie den Kari­bus nicht mehr zur Ver­fü­gung ste­hen, ist eine Dezi­mie­rung der Her­de laut Gwich’in-Elders und wis­sen­schaft­li­chen Stu­di­en die unab­wend­ba­re Fol­ge.

Noch immer wer­den die Rech­te indi­ge­ner Völ­ker miss­ach­tet

2018 soll­te kein Jahr mehr sein, in dem Regie­run­gen mit wei­ßer, kolo­nia­lis­ti­scher Macht­ges­te indi­ge­nen Völ­kern ihr Land weg­neh­men kön­nen. Es gibt Ver­ein­ba­run­gen und recht­li­che Rah­men. Die von den USA unter­zeich­ne­te UN-Dekla­ra­ti­on für die Rech­te indi­ge­ner Völ­ker betont aus­drück­lich, „in Aner­ken­nung der drin­gen­den Not­wen­dig­keit, die ange­stamm­ten Rech­te der indi­ge­nen Völ­ker, die sich aus ihren poli­ti­schen, wirt­schaft­li­chen und sozia­len Struk­tu­ren und ihrer Kul­tur, ihren spi­ri­tu­el­len Tra­di­tio­nen, ihrer Geschich­te und ihren Denk­wei­sen her­lei­ten, ins­be­son­de­re ihre Rech­te auf ihr Land, ihre Gebie­te und ihre Res­sour­cen, zu ach­ten und zu för­dern“. „Indi­ge­ne Völ­ker haben das Recht auf das Land, die Gebie­te und die Res­sour­cen, die sie tra­di­tio­nell beses­sen, inne­ge­habt oder auf ande­re Wei­se genutzt oder erwor­ben haben“, und die Staa­ten ver­spre­chen, „wirk­sa­me Maß­nah­men (zu ergrei­fen), um sicher­zu­stel­len, dass ohne die frei­wil­li­ge und in Kennt­nis der Sach­la­ge erteil­te vor­he­ri­ge Zustim­mung der indi­ge­nen Völ­ker in deren Land oder deren Gebie­ten kei­ne gefähr­li­chen Stof­fe gela­gert oder ent­sorgt wer­den.“

Die Infra­struk­tur, die nun geplant ist, Bohr­tür­me, Stra­ßen, Pipe­lines, Gebäu­de, die Ver­wen­dung und das Hin­ter­las­sen von Che­mi­ka­li­en und ver­schmutz­tem Was­ser, die beleg­ba­re Gefahr von Ölka­ta­stro­phen durch Lecks, für deren Besei­ti­gung es so hoch im Nor­den nur unge­nü­gend oder kei­ne Mit­tel gibt, all das steht in hane­bü­che­nem Gegen­satz zum Geist der UN-Dekla­ra­ti­on.

Auch eine Ver­ein­ba­rung zwi­schen Kana­da und USA, das Por­cu­pi­ne Cari­bou Agree­ment von 1987, wird gebro­chen: Sie ver­pflich­ten sich dar­in, die Por­cu­pi­ne-Kari­bu­her­de, ihre Rou­ten und ‚cal­ving grounds‘ zu schüt­zen, und garan­tie­ren den Gwich’in Betei­li­gung in allen Pro­zes­sen, die die­ses The­ma betref­fen. Kon­sul­ta­tio­nen fin­den aber so gut wie nicht statt, und Hea­rings sind oft viel zu kurz anbe­raumt, um alle zu Wort kom­men zu las­sen.

Arctic National Wildlife Refuge im Nordosten Alaska/USA (Foto: Petra Krumme)

Arc­tic Natio­nal Wild­life Refu­ge im Nord­os­ten Alaska/USA

#pro­tect­the­arc­tic – in Soli­da­ri­tät mit den Gwich’in

Die Gwich’in kämp­fen inzwi­schen mit ihrem Ein­satz für die Kari­bus und die ‚cal­ving grounds‘ um ihr Leben. Etli­che Grup­pie­run­gen, Ark­tis- und Umwelt­ak­ti­vis­ten wie die Wil­der­ness League Alas­ka und der Sier­ra Club, und Fir­men haben sich hin­ter die indi­ge­nen Vor­kämp­fer gestellt. Es gibt Dive­st-Kam­pa­gnen, und inzwi­schen sind die Gwich‘in auch bei den UN vor­stel­lig und haben eine Reso­lu­ti­on ein­ge­reicht zur Unter­stüt­zung ihres Anlie­gens, die Indi­ge­nous Rights Decla­ra­ti­on hoch­zu­hal­ten und damit den Schutz der Coas­tal Plains.

Online unter dem Hash­tag #pro­tect­the­arc­tic und ande­ren sind täg­lich neue Infos und Fotos, Links und Aktio­nen von Indi­ge­nen, Umwelt- und Kli­ma­schüt­zern und Ark­tis­freun­den zu fin­den. „Nor­ma­ler­wei­se“, sagt Adam Kol­ton von der Wil­der­ness League Alas­ka, „wäre die­ses The­ma, die furcht­ba­re Gefahr für das Arc­tic Natio­nal Wild­life Refu­ge, auf allen Titel­sei­ten der US-Pres­se. Aber die Zei­ten spie­len ver­rückt.“

Gibt es noch einen Weg, zu ver­hin­dern, dass ame­ri­ka­ni­sche Poli­ti­ker „unter dem Radar“ Tat­sa­chen schaf­fen und unbe­merkt das hei­li­ge Arc­tic Refu­ge der Ölin­dus­trie öff­nen kön­nen?

Hof­fen wir es.

Petra Krum­me, 17. Dezem­ber 2018


(der ursprüng­li­che Arti­kel erschien in der Zeit­schrift „bedroh­te Völ­ker – pogrom“, Aus­ga­be 307, 04/2018)

Autoren­in­fo:
Petra Krum­me stu­dier­te Ger­ma­nis­tik und Poli­tik­wis­sen­schaft und arbei­tet als Lek­to­rin und Tex­te­rin. 201617 ver­brach­te sie acht Mona­te in der klei­nen indi­ge­nen Fly-in-Com­mu­ni­ty Old Crow/Yukon in Nord­ka­na­da, um das Leben der Gwich’in ken­nen­zu­ler­nen und mal einen rich­ti­gen ark­ti­schen Win­ter in der Wild­nis zu erle­ben.

Foto der Gwich’in-Community Old Crow: Petra Krum­me
alle ande­ren Fotos: US Fish and Wild­life Ser­vice



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