August 26

India­ner der USA – im Zei­chen des Wider­stands

(Buch­re­zen­si­on)

Der Autor Bernd Wege­ner erzählt die Geschich­te des indi­ge­nen Wider­stands auf dem heu­ti­gen Staats­ge­biet der USA (ohne Alas­ka und Hawaii), begin­nend mit dem Ende der soge­nann­ten India­ner­krie­ge bis hin zu den brand­ak­tu­el­len Wider­stands­kämp­fen rund um die Dako­ta Access Pipe­line.

Der Wider­stand der Indi­ge­nen in den USA gegen Kolo­nia­li­sie­rung, Unter­drü­ckung, Ver­trei­bung, Assi­mi­la­ti­on, Eth­no­zid und Geno­zid hat knapp nach der Ankunft der ers­ten Euro­pä­er auf „Turt­le Island“ begon­nen und dau­ert (not­wen­di­ger­wei­se) bis in die Gegen­wart.

Das Buch bie­tet im Rah­men sei­nes chro­no­lo­gi­schen Auf­baus neben vie­len schö­nen Abbil­dun­gen auch sehr viel Daten- und Zah­len­ma­te­ri­al, das aus unter­schied­li­chen Quel­len recher­chiert wur­de. Immer wie­der lässt der Autor auch Indi­ge­ne direkt spre­chen, was die Authen­ti­zi­tät sei­ner Erzäh­lung noch erhöht. Er geht auch immer wie­der auf die von den USA geschaf­fe­ne Rechts­la­ge anhand vie­ler, spe­zi­fi­scher Geset­ze ein und erör­tert die­se im Kon­text der unter­schied­li­chen The­men­be­rei­che.

Kurz, prä­gnant und ein­präg­sam ist die Schil­de­rung der letz­ten ver­zwei­fel­ten Ver­su­che der indi­ge­nen Völ­ker der unter­schied­li­chen Kul­turarea­le, ihre Frei­heit und ihr ange­stamm­tes Ter­ri­to­ri­um zu ver­tei­di­gen – mit den bekann­ten Ergeb­nis­sen.
Ganz offen und fol­ge­rich­tig wer­den hier die Begrif­fe Eth­no­zid und Geno­zid genannt!

Spider Rock im Canyon de Chelly (Navajo Reservation)

Spi­der Rock im Can­yon de Chel­ly (Nava­jo Reser­va­ti­on)

Sehr klar wer­den die Moti­ve der „India­ner­po­li­tik“ der USA von Anfang an erklärt:

Das Ziel war immer die Land­nah­me durch jedes erdenk­li­che Mit­tel (Gewalt, Mas­sa­ker, Mor­de, Betrug, Lügen, Kor­rup­ti­on und rei­hen­wei­se gebro­che­ne Ver­trä­ge) sowie die Aus­lö­schung der indi­ge­nen Kul­tu­ren – bzw. bes­ten­falls deren „Auf­nah­me“ in die euro­ame­ri­ka­ni­sche Main­stream-Gesell­schaft durch kom­plet­te Assi­mi­la­ti­on, Umer­zie­hung zu Bau­ern und natür­lich und ins­be­son­de­re zu got­tes­fürch­ti­gen Chris­ten!

Selbst die durch z.T. unter wid­rigs­ten Umstän­den erzwun­ge­nen Ver­trä­ge wur­den von den USA alle­samt gebro­chen – 371 an der Zahl!

Reser­va­ti­ons­po­li­tik, Ter­mi­na­ti­on und Relo­ca­ti­on

Detail­liert und mit vie­len Bei­spie­len unter­mau­ert wer­den die Anfän­ge der Reser­va­ti­ons­zeit sowie die dar­aus ent­ste­hen­den Situa­tio­nen erör­tert: 

  • die Rol­le der „India­ner­agen­ten“ als de fac­to „lie­ber Gott“, aus­ge­stat­tet vom Bureau of Indi­an Affairs (BIA, vor­mals Office of Indi­an Affairs) mit einer unend­li­chen Macht­fül­le und allen Mög­lich­kei­ten zur skru­pel­lo­sen und unkon­trol­lier­ten Kor­rup­ti­on und Erpres­sung.
  • die zuneh­men­de Abhän­gig­keit von (ver­trag­lich zuge­si­cher­ten) „Regie­rungs­ra­tio­nen“, die sehr häu­fig in schlech­ter Qua­li­tät, ver­spä­tet bzw. zu Erpres­sungs­zwe­cken über­haupt nicht gelie­fert wur­den!
  • Weg­nah­me der Kin­der in teils weit ent­fern­te Inter­nats­schu­len („Boar­ding Schools), deren Zweck haupt­säch­lich die Ent­frem­dung der Kin­der von der eige­nen Kul­tur (➪ Assi­mi­la­ti­on) und somit die Zer­stö­rung des Nach­wuch­ses und die Zer­rüt­tung der sozia­len Struk­tu­ren der indi­ge­nen Völ­ker war.
  • Gro­be Ver­nach­läs­si­gung im gesund­heit­li­chen Bereich, etc.

All dies führ­te dann pro­gramm­ge­mäß zu unsag­ba­rem Elend, Hun­ger, Krank­hei­ten bis hin zum Tod vie­ler Men­schen in den Reser­va­ten.

Bernd Wege­ner erör­tert auch die Rol­le der Kir­chen, da die gro­ße Mehr­zahl der Boar­ding Schools von den ver­schie­dens­ten Kir­chen betrie­ben wur­den.
Etwas zu kurz kommt hier viel­leicht die gro­ße Zahl der Kin­der, die in die­sen Umer­zie­hungs- bzw. Inter­nie­rungs­la­gern auf­grund man­gel­haf­ter medi­zi­ni­scher Ver­sor­gung, Man­gel­er­näh­rung, Krank­hei­ten (die „Schu­len“ waren der „bes­te Boden“ für die Aus­brei­tung von Seu­chen) und natür­lich phy­si­scher sowie see­li­scher Gewalt­an­wen­dung ver­stor­ben sind.

Sehr wohl kri­tisch beleuch­tet wer­den aber die „poli­ci­es“ zu Ter­mi­na­ti­on und Relo­ca­ti­on in den 50er und 60er Jah­ren des 20 Jh., die nichts wei­ter als eine (dies­mal teils auf gesetz­li­cher Ebe­ne, teils durch Set­zen von schein­bar wohl­ge­mein­ten Anrei­zen) Fort­füh­rung der Assi­mi­la­ti­ons- und Aus­lö­schungs­po­li­tik der USA waren.

Fol­ge­rich­tig erkennt Bernd Wege­ner, dass der „Schuss“ in Zusam­men­hang mit der Umsied­lungs­po­li­tik aber nach hin­ten los­ging.
In den Städ­ten waren die Indi­ge­nen, die vie­len ver­schie­de­nen Völ­kern ent­stamm­ten, plötz­lich in der Lage, Kon­tak­te zu Ver­tre­tern ande­rer „Stäm­me“ zu knüp­fen und sich nach dem Vor­bild der schwar­zen Bür­ger­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen zusam­men­zu­schlie­ßen und zu orga­ni­sie­ren.

Die Pro­ble­me, mit denen die neu­en „Stadt­in­dia­ner“ kon­fron­tiert wur­den, reich­ten von Aus­gren­zung, offe­nem Ras­sis­mus und Armut bis hin zu exor­bi­tan­ter Poli­zei­ge­walt.

„Red Power“-Ära

Dies war der Nähr­bo­den für die Ent­ste­hung zahl­rei­cher indi­ge­ner Wider­stands­grup­pen, allen vor­an natür­lich von AIM, dem Ame­ri­can Indi­an Move­ment (1968).

Die­se für die Wider­stands­be­we­gung in den USA in den spä­ten 60er und in den 70er Jah­ren des vori­gen Jahr­hun­derts so ent­schei­den­de Bewe­gung wird aller­dings rela­tiv ober­fläch­lich behan­delt, ande­re sehr wich­ti­ge Orga­ni­sa­tio­nen wie z.B. der Natio­nal Indi­an Youth Coun­cil fin­den gar kei­ne Beach­tung.
Die zwei­te Beset­zung von Alca­traz (Novem­ber 1969 bis Juni 1971, die ers­te im Jahr 1964 dau­er­te nur weni­ge Stun­den) wird zwar erör­tert, die bahn­bre­chen­de Wir­kung die­ser Beset­zung wird aber nicht her­aus­ge­ar­bei­tet.

Die Kapi­tel, die sich mit der Wie­der­ge­burt von Stolz auf die eige­ne Her­kunft und Iden­ti­tät sowie von indi­ge­ner Spi­ri­tua­li­tät befas­sen, sind daher lei­der bei wei­tem nicht so gut recher­chiert wie der Rest des Buches.

Vie­le wesent­li­che Akti­vi­tä­ten von AIM blei­ben uner­wähnt (Stich­wor­te May­flower, Mount Rushmo­re, Cus­ter Court­house Riot im Zusam­men­hang mit der Ermor­dung von Wes­ley Bad Heart Bull, Yel­low Thun­der Camp im Rah­men des Kamp­fes um die Rück­ga­be des Black Hills, usw.).

Zudem haben sich eini­ge Feh­ler bei der Recher­che von Infor­ma­tio­nen ein­ge­schli­chen (bei­spiel­haft):

  • die Beset­zung von Woun­ded Knee 1973 for­der­te auf indi­ge­ner Sei­te zwei Tote – Frank Cle­ar­wa­ter und Bud­dy Lamont – und nicht „nur“ einen
  • Ver­non Bel­le­court wur­de nicht erschos­sen, er starb 2007 an den Fol­gen einer Lun­gen­ent­zün­dung. Hier liegt wohl eine Ver­wechs­lung mit sei­nem Bru­der und AIM-Mit­be­grün­der Cly­de Bel­le­court vor, der aller­dings auch nicht erschos­sen son­dern nach den Ereig­nis­sen von Woun­ded Knee von einem ande­ren AIM-Akti­vis­ten (Car­ter Camp) lebens­be­droh­lich ange­schos­sen wur­de.
  • Alle Lea­der­ship-Pro­zes­se iZm. Woun­ded Knee hät­ten in Frei­sprü­chen geen­det – Frei­sprü­che gab es zwar in den aller­meis­ten Fäl­len, nicht aber für Leo­nard Crow Dog, Car­ter Camp und Stan Hol­der

Die Rol­le des FBI in der Fol­ge bzw. im Zusam­men­hang mit den Akti­vi­tä­ten von AIM hät­te auch mehr Beach­tung „ver­dient“: 

Infil­tra­ti­on (pro­mi­nen­tes­tes Bei­spiel ist sicher Dou­glas Dur­ham), Säen von Zwie­tracht und fal­schen Ver­dachts­mo­men­ten inner­halb von AIM durch die Anwen­dung des berüch­tig­ten Coun­ter Intel­li­gence Pro­gram­me (COINTELPRO) – was schließ­lich zur Exe­ku­ti­on von Anna Mae Aquash führ­te.
Im Rah­men der gericht­li­chen Pro­zes­se gegen die Anfüh­rer der Beset­zung von Woun­ded Knee: Beweis­mit­tel­fäl­schung sei­tens des FBI, Erpres­sung von fal­schen Zeu­gen­aus­sa­gen, Fabri­zie­rung frei erfun­de­ner Zeu­gen, Zurück­hal­tung von ent­las­ten­dem Beweis­ma­te­ri­al, Infil­trie­rung der Ver­tei­di­gung der Ange­klag­ten, usw., usw.

Leo­nard Pel­tier

Im Fall der Ver­ur­tei­lung und Inhaf­tie­rung (2 mal lebens­läng­lich, und zwar auf­ein­an­der­fol­gend) von Leo­nard Pel­tier auf­grund der Ereig­nis­se vom 26. Juni 1975 („Ogla­la Shoot-out“) schil­dert der Autor vie­le Details die­sen kolos­sa­len Falls von ange­wand­tem sys­te­mi­schen Ras­sis­mus im Zusam­men­wir­ken von Poli­zei, Jus­tiz und Ver­wal­tungs­be­hör­den sowie der Rach­sucht des FBI.

Im Zusam­men­hang mit der skan­da­lö­sen, von him­mel­schrei­en­den Beweis­mit­tel­fäl­schun­gen bzw. Beweis­mit­tel­vor­ent­hal­tun­gen geschwän­ger­ten Ver­ur­tei­lung von Pel­tier, der der am längs­ten inhaf­tier­te poli­ti­sche Gefan­ge­ne der USA ist, erwähnt der Autor schließ­lich auch COINTELPRO: hier aller­dings mit einer zeit­li­chen Beschrän­kung auf die 60er Jah­re, was nicht den Fak­ten ent­spricht. Die­ses noto­ri­sche FBI-Pro­gramm wur­de, nach­dem es gele­akt wur­de und in der Öffent­lich­keit für sehr viel Auf­ruhr sorg­te, „offi­zi­ell“ 1972 ein­ge­stellt. In Wirk­lich­keit aber lei­der nie, wie nicht nur die FBI-Aktio­nen gegen AIM wäh­rend der gesam­ten 70er Jah­re des 20. Jahr­hun­derts zei­gen, son­dern ganz aktu­ell auch die Kam­pa­gnen des FBI (z.B. angeb­li­che Ver­un­treu­ung von Spen­den­gel­dern) gegen Anfüh­rer der schwar­zen Bür­ger­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on „Black lives mat­ter“.

Zwangs­ste­ri­li­sa­tio­nen

Sehr aus­führ­lich und detail­liert wird das The­ma der Zwangs­ste­ri­li­sa­tio­nen behan­delt, das vor allem in den 1970er Jah­ren unglaub­li­che Aus­ma­ße annahm.

Schät­zun­gen zu Fol­ge (es gibt hier lei­der kei­ne genau­en, zuver­läs­si­gen Daten) wur­de in die­sem Zeit­raum an min­des­tens 25 % der indi­ge­nen Frau­en und Mäd­chen im gebär­fä­hi­gen Alter im Rah­men von Spi­tals­auf­ent­hal­ten (gänz­lich unge­ach­tet des gesund­heit­li­chen The­mas, wes­we­gen sie eigent­lich ein Spi­tal auf­such­ten) Ste­ri­li­sa­tio­nen gegen ihren Wil­len (oder zumin­dest ohne aus­rei­chen­de, ver­ständ­li­che Infor­ma­ti­on) vor­ge­nom­men ➪ das war nichts ande­res als eine Fort­set­zung des Völ­ker­mords an den Indi­ge­nen der USA.

Res­sour­cen­plün­de­rung auf indi­ge­nem Land und die Fol­gen

Ein wei­te­rer aus­führ­lich behan­del­ter The­men­be­reich befasst sich mit der Aus­plün­de­rung der Res­sour­cen auf indi­ge­nem Reser­vat­s­land durch die diver­sen Kon­zer­ne mit tat­kräf­ti­ger Unter­stüt­zung der Regie­rung der USA (vor allem in Form von Umwelt­be­hör­den und natür­lich dem für „Indi­an Affairs“ zustän­di­gen Innen­mi­nis­te­ri­um).

Anhand von vie­len Bei­spie­len zeigt der Autor auf, mit wel­cher Gier und unter Miss­ach­tung der eigent­lich gel­ten­den ver­trag­li­chen Rege­lun­gen (lei­der auch immer wie­der in „Koope­ra­ti­on“ mit kor­rup­ten, BIA-höri­gen Stam­mes­rä­ten) Koh­le, Öl, Gas und Uran in den Reser­va­ten rück­sichts­los abge­baut wur­den mit kata­stro­pha­len Fol­gen für die dort leben­den Men­schen und für die Umwelt.

Die Errich­tung von Stau­däm­men, die Absen­kung des Grund­was­ser­spie­gels sowie die Kon­ta­mi­nie­rung des Trink­was­sers haben eben­so wie die Errich­tung von Müll­de­po­nien (u.a. auch für radio­ak­ti­ve Abfäl­le!) einen gro­ßen Bei­trag zu den enor­men gesund­heit­li­chen Pro­ble­men in vie­len Reser­va­ten „geleis­tet“.

Monument Valley (Navajo-Reservation) - Uranabbau

Monu­ment Val­ley (Nava­jo-Reser­va­ti­on) — Uran­ab­bau

Extrem erhöh­te Krebs­ra­ten, Fehl- und Tod­ge­bur­ten, teils mas­si­ve Gesund­heits­be­ein­träch­ti­gun­gen quer durch die Bevöl­ke­rung sowie eine all­ge­mein deut­lich ver­kürz­te Lebens­er­war­tung waren die von den Behör­den und Kon­zer­nen vor­sätz­lich in Kauf genom­me­nen Fol­gen.

Nach so viel Berich­ten über Kata­stro­phen und Ver­bre­chen an der indi­ge­nen Bevöl­ke­rung der USA sowie an deren zuge­wie­se­nem Lebens­raum ver­schafft das Buch aber auch Hoff­nung auf Bes­se­rung.

Hoff­nung durch neue Geset­ze und Erfol­ge in Gerichts­ver­fah­ren

Bernd Wege­ner führt eini­ge Geset­ze an, die in der Fol­ge der Wider­stands­be­we­gung ins­be­son­de­re in den 70er Jah­ren des 20. Jahr­hun­derts erlas­sen wur­den und dem Zweck der Stär­kung der indi­ge­nen Selbst­ver­wal­tung sowie der wohl­wol­len­den Rege­lung von diver­sen The­men­kom­ple­xen die­nen.

Exem­pla­risch sei­en hier der Indi­an Self Deter­mi­na­ti­on Act (1975), der Indi­an Child Wel­fa­re Act (ICWA, 1978), der Indi­an Reli­gious Free­dom Act (1978) sowie schließ­lich der Indi­an Gra­ves Pro­tec­tion and Repa­tria­ti­on Act (1990) ange­führt.
In der Pra­xis gab und gibt es aber immer wie­der auch gro­ße Unter­schie­de zwi­schen Geset­zes­text (und damit dem Wil­len des Gesetz­ge­bers) und der Umset­zung durch die Ver­wal­tung.

Bei­spiel­haft sei hier die man­gel­haf­te Umset­zung des von Sena­tor James Abou­rezk ein­ge­brach­ten und schließ­lich eben 1978 ver­ab­schie­de­ten ICWA zu nen­nen, dem­zu­fol­ge indi­ge­ne Kin­der, deren Eltern (meis­tens aus Grün­den erdrü­cken­der Armut mit allen sozia­len Fol­gen) nicht in der Lage sind, für ihre Kin­der aus­rei­chend zu sor­gen, wenn irgend­wie mög­lich inner­halb ihres ange­stamm­ten Vol­kes bzw. zumin­dest bei ande­ren indi­ge­nen Pfle­ge­el­tern unter­zu­brin­gen sind.

In Wirk­lich­keit ver­su­chen aber die zustän­di­gen Sozi­al­hil­fe­be­hör­den und die Kir­chen nach wie vor mit all ihrer Macht, die­se Kin­der an wei­ße Paa­re zu ver­ge­ben und damit ihrem „Stam­mes­le­ben“ zu ent­rei­ßen.
Selbst heu­te noch ist der Pro­zent­satz der den Indi­ge­nen ent­ris­se­nen Kin­dern unvor­stell­bar hoch (ein Viel­fa­ches ver­gli­chen mit nicht­in­di­ge­nen Kin­dern), tra­di­tio­nell am höchs­ten in Süd­da­ko­ta (Anmer­kung M.S.).

Doch auch der mar­kan­te Anstieg der indi­ge­nen Bevöl­ke­rung in den letz­ten Jahr­zehn­ten gibt viel Zuver­sicht, dass sich die Mär von der „ster­ben­den, ver­schwin­den­den Ras­se“ trotz aller gewalt­sa­men Ver­su­che sei­tens der USA doch nicht erfüllt – im Gegen­teil!

Seit 1977 sind die Indi­ge­nen bei­der Ame­ri­kas durch die von der UNO aner­kann­te NGO Inter­na­tio­nal Indi­an Trea­ty Coun­cil (IITC, gegrün­det in Süd Dako­ta vom AIM sowie eini­gen ande­ren Grup­pie­run­gen von Akti­vis­ten) an der UNO ver­tre­ten und kämp­fen dort auf inter­na­tio­na­ler Ebe­ne um die Aner­ken­nung ihrer durch Ver­trä­ge zuge­si­cher­ten Rech­te – auch die­ser Form des Wider­stands ist in dem Buch ein eige­nes Kapi­tel gewid­met.

Eben­so erläu­tert wer­den die auf natio­na­ler Ebe­ne in den USA vor Gericht errun­ge­nen gro­ße Sie­ge, am bekann­tes­ten ist dabei sicher das von Rich­ter Geor­ge Boldt gefäll­te bahn­bre­chen­de Urteil (1974) zuguns­ten der Ver­trags­rech­te (trea­ty rights) ver­ein­ter Stäm­me in Washing­ton

in Zusam­men­hang mit den Fische­rei­rech­ten auch außer­halb ihrer zuge­wie­se­nen Reser­va­te, näm­lich in „usu­al and accus­to­med are­as“, weil näm­lich die Mit­te der 1850er geschlos­se­nen Ver­trä­ge genau dies gemeint hat­ten.

Wenn die Indi­ge­nen auch bei Wei­tem nicht alle Gerichts­ver­fah­ren gewon­nen haben, so gab es doch in vie­len Fäl­len zumin­dest beacht­li­che Teil­erfol­ge.

Koope­ra­tio­nen

Die Indi­ge­nen haben gelernt, sich zu orga­ni­sie­ren: Kämpf­te frü­her im Wesent­li­chen jedes Volk sei­nen eige­nen Kampf (mit eini­gen bedeu­ten­den his­to­ri­schen Aus­nah­men, wie z.B. die Ver­ei­ni­gun­gen unter Pon­ti­ac oder Tecum­seh), so wuchs die Zahl der Zusam­men­schlüs­se für die gemein­sa­me Sache ab Mit­te der 60er Jah­re rasant an. Der Autor zeigt auf, wie es ab den 70ern immer wie­der zu erfolg­rei­chen kon­zer­tier­ten Aktio­nen ins­be­son­de­re mit Umwelt- und Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen kam, deren Erfol­ge auch dar­auf zurück­zu­füh­ren waren und sind, dass sich „Wei­ße“ inmit­ten eines immer noch ras­sis­ti­schen Umfelds für die Pro­ble­me und Anlie­gen von Indi­ge­nen gemein­sam mit Indi­ge­nen ein­setz­ten.

Bernd Wege­ner lie­fert zahl­rei­che, äußerst genau und sorg­fäl­tig recher­chier­te Fäl­le von sol­chen Koope­ra­tio­nen.
Damit unter­streicht er die Wich­tig­keit und Sinn­haf­tig­keit der Arbeit so vie­ler ehren­amt­lich täti­ger Men­schen in aller Welt.

Gegen­wart und Aus­blick

Pueblo Taos (New Mexico) - Unesco-Weltkulturerbe

Pue­blo Taos (New Mexi­co) — Unesco-Welt­kul­tur­er­be

Das Buch endet gemäß der Chro­no­lo­gie mit den Pro­ble­men der Gegen­wart, die prak­tisch nach wie vor alle Lebens­be­rei­che umfas­sen:

Aus­wa­schung von Kul­tur und Tra­di­ti­on, fort­schrei­ten­der Ver­lust der eige­nen Spra­chen, Arbeits­lo­sig­keit und Armut mit allen sozia­len Begleit­um­stän­den, Wohn­si­tua­ti­on, Qua­li­tät der Ernäh­rung und der gesund­heit­li­chen Ver­sor­gung, Bil­dungs­we­sen, Alko­hol- und Dro­gen­miss­brauch, Gewalt beson­ders unter Jugend­li­chen, Per­spek­tiv­lo­sig­keit, etc.

Aber trotz­dem:

Die Hoff­nung ist nicht gestor­ben und sie wird trotz aller wid­ri­ger Umstän­de am Leben erhal­ten!

Prairie Island Indian Community - Wacipi-Powwow

Prai­rie Island Indi­an Com­mu­ni­ty — Waci­pi-Pow­wow

Die Erfol­ge der „India­ner­be­we­gun­gen“ der 60er und 70er Jah­re haben ganz ent­schei­dend zur Wie­der­be­le­bung von StolzBeken­nung zur eige­nen Iden­ti­tätRück­kehr zu tra­di­tio­nel­lem Wis­sen und Spi­ri­tua­li­tät geführt und haben ein Feu­er ent­facht, das auf die Kin­der und Enkel der dama­li­gen Akti­vis­ten über­ge­gan­gen ist – sie füh­ren den Wider­stand­kampf wei­ter fort!

Bes­ter Beleg hier­für sind die gemein­sam mit Umwelt­schutz- und Men­schen­rechts­grup­pie­run­gen durch­ge­führ­ten Aktio­nen im Wider­standscamp im Stan­ding Rock Reser­vat gegen die Dako­ta Access Pipe­line (Details dazu sie­he vor­letz­tes Kapi­tel des Buchs), wo seit 2016 zehn­tau­sen­de Indi­ge­ne aus über 100 ver­schie­de­nen Völ­kern welt­weit Auf­merk­sam­keit erreg(t)en und Unter­stüt­zung in ihrem Kampf um Ihr Land (Stich­wort: „water pro­tec­tors“) und Ihre Rech­te fin­den – der Kampf dau­ert bis heu­te an, der Wider­stand ist unge­bro­chen!

Protestcamp gegen den Bau der Dakota Access Pipeline, Standing Rock Reservation

Pro­test­camp gegen den Bau der Dako­ta Access Pipe­line, Stan­ding Rock Reser­va­ti­on

Lese­emp­feh­lung

Das Buch von Bernd Wege­ner ist auf­grund der sehr detail­liert näher­ge­brach­ten und sehr gut recher­chier­ten Aktio­nen des indi­ge­nen Wider­stands­kampfs in den USA ins­be­son­de­re für jene Leser eine auf­schluss­rei­che und infor­ma­ti­ve Quel­le, die sich in das The­ma der umfas­sen­den Her­aus­for­de­run­gen der Indi­ge­nen in der jün­ge­ren Geschich­te (etwa ab Ende der 1970er Jah­re) bis hin zur Gegen­wart ein­ar­bei­ten wol­len.

gele­sen von Mar­kus Schie­fer

Bernd-Wegener: Indianer der USA Im Zeichen des Widerstandes

Bernd Wege­ner: 

India­ner der USA – Im Zei­chen des Wider­stan­des
(2021, 2. über­ar­bei­te­te Auf­la­ge)
ISBN: 978–3‑00–065125‑0

kann beim Autor bestellt wer­den:
➪ b.wegener@gmx.de


Zum Autor:

Dipl. Ing. Bernd Wege­ner, geb. 1952, war im Umwelt- und Natur­schutz des Land­krei­ses Lud­wigs­lust-Par­chim tätig. Seit der Jugend Inter­es­se für Eth­no­lo­gie, Publi­ka­tio­nen in Zeit­schrif­ten und Tages­zei­tun­gen. 
2007 Buch „Schwarz­a­si­en — Urein­woh­ner zwi­schen Kul­tur­ver­nich­tung und Aus­rot­tung“ (nicht mehr erhält­lich), 2018 „Gran Cha­co — Die Wild­nis stirbt, Auf den Spu­ren der letz­ten Wald­in­dia­ner“, 2021 „Der Regen­wald ist unser Atem!„
Rei­sen nach Nord- und Süd­ame­ri­ka, Nord- und Ost­afri­ka sowie die Phil­ip­pi­nen. Von 1997 bis 2020 im Vor­stand, davon von 2012 bis 2020 Vor­sit­zen­der der gemein­nüt­zi­gen Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on „Ret­tet die Natür­völ­ker“ e.V., wei­ter­hin dort aktiv.



{"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}

Bleibe mit uns in Kontakt und melde dich zu unserem Newsletter an:

Unser „Newsletter“ ist ein Informationsdienst über unsere Tätigkeiten, zu Veranstaltungen, über neue aktuelle und historische Beiträge. 

Informationen zum Datenschutz ➪ Datenschutzerklärung