November 24, 2024

Beding­te Selbst­be­stim­mung Indi­ge­ner Völ­ker? — Das 23. Tref­fen des UN Per­ma­nent Forum on Indi­ge­nous Issues (UNPFII)

Das dies­jäh­ri­ge Tref­fen des UN Per­ma­nent Forum tag­te vom 15. bis zum 26. April 2024 in New York. Neben der übli­chen Tages­ord­nungs-Agen­da zu 

1. Men­schen­rech­ten

2. Umwelt

3. Bil­dung

4. Wirtschaft/Soziales

5. Kul­tur und 

6. Gesund­heit

soll­te ein The­ma dies­mal im Fokus des Inter­es­ses ste­hen:

Enhan­cing Indi­ge­nous Peo­p­les’ right to self-deter­mi­na­ti­on in the con­text of the United Nati­ons Decla­ra­ti­on on the Rights of Indi­ge­nous Peo­p­les (UNDRIP)empha­si­zing the voices of Indi­ge­nous youth,“ 

(„Die För­de­rung des Selbst­be­stim­mungs­rechts Indi­ge­ner Völ­ker im Kon­text der UN Dekla­ra­ti­on der Rech­te Indi­ge­ner Völ­ker (UNDRIP): Bekräf­ti­gung der Stim­men der indi­ge­nen Jugend.“)

Bei genaue­rer Betrach­tung impli­ziert der Titel bereits eine Beschrän­kung des Selbst­be­stim­mungs­rechts durch den gege­be­nen Rah­men der UNDRIP und eine Fokus­sie­rung auf die indi­ge­ne Jugend. 

Wäh­rend Letz­te­res kaum pro­ble­ma­tisch erschei­nen mag, kann ers­te­res durch­aus als wider­sprüch­lich inter­pre­tiert wer­den. Zunächst jedoch zum Vor­be­rei­tungs­tref­fen des Glo­bal Indi­ge­nous Peo­p­les Cau­cus, wel­ches am 13. und 14. April knapp vor der Eröff­nung des 23. UNPFII statt­fand:

Vor­be­rei­tung auf das 23. Tref­fen des UN Per­ma­nent Forum on Indi­ge­nous Issues:
Der Glo­bal Indi­ge­nous Peo­p­les Cau­cus

Um sich auf UN Tref­fen vor­zu­be­rei­ten und eine mög­lichst kol­lek­ti­ve, ein­heit­li­che, star­ke Stim­me zu reprä­sen­tie­ren, stellt der Glo­bal Indi­ge­nous Peo­p­les Cau­cus ein bereits lang­jäh­ri­ges, tra­di­tio­nell eta­blier­tes, offe­nes Forum für Indi­ge­ne Völ­ker und deren Reprä­sen­tan­tIn­nen dar.

Die NGOs Ame­ri­can Indi­an Law Alli­ance, Tona­tier­ra und das Ame­ri­can Indi­an Com­mu­ni­ty House sind u.a. für die kost­spie­li­gen Vor­be­rei­tun­gen ver­ant­wort­lich. Ins­be­son­de­re das uner­müd­li­che Enga­ge­ment von Bet­ty Lyons und Evie Reyes-Aguir­re ist hier­bei her­vor­zu­he­ben.

Evie Reyes Aguirre und Gawan Maringer (AKIN) beim 23. Treffen des UN Permanent Forum on Indigenous Issues (UNPFII)in Genf (2024)

Evie Reyes Aguir­re, Gawan Marin­ger beim 23. Tref­fen UN Per­ma­nent Forum on Indi­ge­nous Issues (UNPFII) — New York, 2024

etty Lyonsund Gawan Maringer (AKIN) beim 23. Treffen des UN Permanent Forum on Indigenous Issues (UNPFII)in Genf (2024)

Bet­ty Lyons, Gawan Marin­ger beim 23. Tref­fen des UN Per­ma­nent Forum on Indi­ge­nous Issues (UNPFII) — New York, 2024

Gegen­sätz­lich zum vor­jäh­ri­gem Cau­cus-Tref­fen war bereits am ers­ten Tag eine Zunah­me der par­ti­zi­pie­ren­den Indi­ge­nen erfreu­li­cher­wei­se fest­zu­stel­len. Eben­so konn­te sich des­sen Struk­tur wie auch wahr­ge­nom­me­ne Rele­vanz zumin­dest beim Vor­be­rei­tungs­tref­fen revi­ta­li­sie­ren. [vgl. hier­zu Ari­kel 2023 UNPFII: Das UN Per­ma­nent Forum on Indi­ge­nous Issues 2023 (New York)]

Eröff­net wur­de tra­di­tio­nell mit einem Gebet zur Bekräf­ti­gung der holis­ti­schen Ein­heit unter den Teil­neh­men­den — „One mind, one body, one heart“.

Rasch konn­te man sich auf die admi­nis­tra­ti­ven Moda­li­tä­ten eini­gen, um sich auf den Inhalt und Zweck des Cau­cus zu fokus­sie­ren: 

➪ Die Erar­bei­tung einer star­ken, kol­lek­ti­ven Stim­me zu den ein­gangs erwähn­ten 6 The­men­be­rei­chen und dem dies­jäh­ri­gen Spe­zi­al­the­ma — Bekräf­ti­gung des Selbst­be­stim­mungs­rechts — des UNPFII

Kri­tik an der „Green Eco­no­my“

Als beson­ders bemer­kens­wert stell­te sich die viel­fa­che, The­men­be­reichs-über­schnei­den­de und alle indi­ge­nen Regio­nen glo­bal umfas­sen­de vehe­men­te Kri­tik sämt­li­cher anwe­sen­den indi­ge­nen Reprä­sen­tan­tin­nen bezüg­lich der soge­nann­ten Green Eco­no­my dar: 

So pran­ger­te bei­spiels­wei­se das Inter­na­tio­nal Indi­an Trea­ty Coun­cil (IITC) die von Kon­zer­nen durch­ge­führ­te rigo­ro­se Aus­beu­tung soge­nann­ter „cri­ti­cal minerals/transitional mine­rals“ — wie etwa Lithi­um, Kup­fer, Nickel — und das nicht unter die Defi­ni­ti­on kri­ti­scher Mine­ra­li­en fal­len­de aber neu­er­dings „grün-gewa­sche­ne“ Uran — im Namen der „Green Eco­no­my“ auf indi­ge­nen Ter­ri­to­ri­en an.
Des wei­te­ren berich­te­te das IITC über die Errich­tung von Solar­pro­jek­ten in der son­o­ri­schen Wüs­te, die ohne den Free, Pri­or, Infor­med Con­sent (FPIC) — der frei­en, vor­he­ri­gen, voll­in­for­mier­ten Kon­sul­ta­ti­on und Zustim­mung der lokal leben­den Indi­ge­nen auf deren Ter­ri­to­ri­um rea­li­siert wer­den.

Das Indi­ge­nous Envi­ron­men­tal Net­work (IEN) for­der­te gar ein Mora­to­ri­um bezüg­lich soge­nann­ter „car­bon based solu­ti­ons“ — Koh­len­di­oxid basier­ter Lösungs­an­sät­ze, wel­che durch Spei­che­rung des CO2 den Han­del von Zer­ti­fi­ka­ten mit sich zie­hen.
Basie­rend auf der­ar­ti­gen „Lösungs­an­sät­zen“ wird die Pro­ble­ma­tik einer sub­stan­zi­el­len Reduk­ti­on von CO2 in Län­dern des „Nor­dens“ in den glo­ba­len „Süden“ aus­ge­la­gert, um dort mit­tels CO2 Spei­cher-Pro­jek­te Zer­ti­fi­ka­te zu gene­rie­ren und sich frei zu kau­fen – ohne dabei im „Nor­den“ tat­säch­lich Koh­len­di­oxid redu­ziert zu haben. Dies ist ins­be­son­de­re hin­sicht­lich diver­ser Natio­nal­parks und „Pro­tec­ted Are­as“ (Schutz­zo­nen) äußerst beun­ru­hi­gend, da ohne Berück­sich­ti­gung der lokal behei­ma­te­ten Indi­ge­nen Völ­ker der­ar­ti­ge Pro­jek­te auf­ok­troy­iert und deren Ter­ri­to­ri­en mit­tels CO2 Markt kom­mer­zia­li­siert wer­den.

Ver­trei­bung indi­ge­ner Völer und Bedro­hung indi­ge­ner Akti­vist­eInnen

Oft­mals ist dies mit der Ver­trei­bung der Indi­ge­nen Völ­ker — wie bei­spiels­wei­se meh­re­re indi­ge­ne Ver­tre­te­rIn­nen von Bra­si­li­en, Ecua­dor, El Sal­va­dor, Kolum­bi­en, Kenya, Bor­neo, Neu­ka­le­do­ni­en, Indi­en, Grön­land und Skan­di­na­vi­en zu berich­ten wuss­ten — ver­bun­den. Letzt­ge­nann­te ver­wie­sen auf die eigent­lich zu kurz­ge­grif­fe­ne, unge­nü­gen­de regio­na­le Unter­tei­lung zwi­schen Nor­den und Süden: Saa­mi Ver­tre­te­rIn­nen berich­te­ten über die Errich­tung von Wind­parks, die auf­grund natio­na­lem Inter­es­ses vom Staat prio­ri­siert und über ihre ter­ri­to­ria­len Rech­te gestellt wur­den. Ins­be­son­de­re der Kon­flikt zwi­schen den Saa­mi und Nor­we­gen bezüg­lich der Errich­tung der Wind­kraft­an­la­ge auf der Halb­in­sel Fosen sei hier­bei her­vor­ge­ho­ben. 

Klas­si­scher Abbau von Kli­ma­kil­lern wie etwa Braun­koh­le, Gas und Erd­öl oder auch die Holz­in­dus­trie stel­len frei­lich wei­ter­hin eben­so ein mas­si­ves Pro­blem dar. 

Auf­grund genann­ter neo­ko­lo­nia­ler Pro­jek­te resul­tiert in immer häu­fi­ger wer­den­den Extrem­fäl­len phy­si­sche Gewalt, die bis zur Ermor­dung zahl­rei­cher indi­ge­ner Akti­vis­tIn­nen reicht.

Als beson­ders bemer­kens­wert stell­te sich in die­sem Zusam­men­hang der Kom­men­tar einer anwe­sen­den Paläs­ti­nen­se­rin dar: Sie ver­wies auf aktu­el­le Inves­ti­tio­nen eines däni­schen Unter­neh­mens auf sub­ter­ra­ne Gas­res­sour­cen in Gaza nach Been­di­gung des Geno­zids. Die kon­zern­ge­trie­be­ne Gier scheint kei­ner­lei ethi­sche Gren­zen zu ken­nen.

Recht auf Selbst­be­stim­mung als Fun­da­ment für Indi­ge­ne Völ­ker

Letzt­lich beton­ten alle Anwe­sen­den das Recht auf Selbst­be­stim­mung als Fun­da­ment für Indi­ge­ne Völ­ker, um ihre Län­der, Ter­ri­to­ri­en und Res­sour­cen (LTRs), ihre Spra­chen und Iden­ti­tä­ten aus­rei­chend wahr­neh­men, nüt­zen und für die fol­gen­den Gene­ra­tio­nen schüt­zen zu kön­nen.

Basie­rend auf die­sem Aus­tausch reflek­tier­te folg­lich auch das vom indi­ge­nen Cau­cus for­mu­lier­te, als Grund­la­ge für das UNPFII-Tref­fen die­nen­de Doku­ment eben dar­ge­brach­te Inhal­te, wie etwa ein Mora­to­ri­um bezüg­lich des Koh­len­di­oxid-Mark­tes und asso­zi­ier­ten Zer­ti­fi­ka­ten, die unbe­ding­te Ein­hal­tung des FPIC ‑Prin­zips (vor­he­ri­ge freie und infor­mier­te Zustim­mung) in allen Belan­gen Indi­ge­ne Völ­ker betref­fend und der Ent­kri­mi­na­li­sie­rung indi­ge­ner Men­schen­rechts­ak­ti­vis­tIn­nen wie auch der Schutz ihres Lebens

Obwohl der Glo­bal Indi­ge­nous Peo­p­les Cau­cus nur von einem Teil der am UNPFII par­ti­zi­pie­ren­den indi­ge­nen Reprä­sen­tan­tIn­nen besucht wird und daher for­mal nicht als kol­lek­ti­ve Stim­me aller Indi­ge­ner beim Forum gilt, haben sei­ne State­ments beson­de­re Rele­vanz und basie­ren auf kol­lek­ti­vem Kon­sens.
Folg­lich mani­fes­tier­ten sich die im Cau­cus behan­del­ten The­men auch als zen­tral für das nach­fol­gen­de 24. Tref­fen des UNPFII.

Das UNPFII 2024: Die Eröff­nung

Der Glanz der vor­jäh­ri­gen, von höchs­ter Pro­mi­nenz gepräg­ten Eröff­nung samt Vor­trä­ge des UN Gene­ral­se­kre­tärs Guter­rez und des Prä­si­den­ten von Kolum­bi­en Petro, konn­te dies­mal nicht repli­ziert wer­den. Den­noch, die kri­ti­sche Eröff­nungs­an­spra­che der frisch gewähl­ten Forums-Vor­sit­zen­den Hin­dou Ouma­ru Ibra­him, des indi­ge­nen Noma­den­volks Mbororo aus dem Tschad und die pole­mi­sche, aber den­noch sehr inspi­rie­ren­de Rede des indi­ge­nen Vize-Prä­si­den­ten von Boli­vi­en David Cho­que­huan­ca sta­chen durch­aus als beson­ders bemer­kens­wert her­vor. 

UNPFII-Vorsitzende Hindou Oumarou Ibrahim

UNPFII-Vor­sit­zen­de Hin­dou Oum­a­rou Ibra­him beim 23. Tref­fen des UN Per­ma­nent Forum on Indi­ge­nous Issues (UNPFII) — New York, 2024

Aus­beu­tung „cri­ti­cal mine­rals“ im Namen der Green Eco­no­my

Hin­dou Ouma­ru ver­ur­teil­te die rigo­ro­se Aus­beu­tung von „cri­tit­cal mine­rals im Namen der „Green Eco­no­my“ und den oft­mals damit ein­her­ge­hen­den Land­raub. Sie beton­te die essen­ti­el­le Rol­le von Indi­ge­nen Völ­kern, um gegen die Her­aus­for­de­run­gen des Kli­ma­wan­dels und für den Erhalt der glo­ba­len Bio­di­ver­si­tät gewapp­net zu sein. Die Ver­bin­dung zu den Ahnen, die Wei­ter­ga­be des bewähr­ten, im Ein­klang mit der Natur tra­dier­tem Wis­sen der älte­ren Gene­ra­ti­on an die indi­ge­ne Jugend sei von exis­ten­zi­el­ler Rele­vanz. Auf­grund die­ses bewähr­ten tra­di­tio­nel­len Wis­sens sei­en Indi­ge­ne Völ­ker Exper­tIn­nen bezüg­lich einer har­mo­ni­schen Bezie­hung zur Mut­ter Erde. Ihre Selbst­be­stim­mung stel­le daher kei­ne Gefahr dar, son­dern resul­tie­re viel­mehr in einer Vor­bild­wir­kung zum Schutz des Pla­ne­ten.

Indi­ge­ne Völ­ker sind kei­ne loka­le Gemein­schaf­ten!

Hier­zu kri­ti­sier­te die Forums-Vor­sit­zen­de die Ver­men­gung von „Indi­ge­nen Völ­kern“ mit „Loka­len Gemein­schaf­ten“, wel­che im glei­chen Atem­zug als „indi­ge­nous peo­p­les and local com­mu­ni­ties“ etwa bei den Con­fe­ren­ces of the Par­ties (COPs) der UN Frame­work Con­ven­ti­on on Cli­ma­te Chan­ge (UNFCCC) und der Con­ven­ti­on on Bio­di­ver­si­ty (CBD) u.a. Foren der Ver­ein­ten Natio­nen sub­su­miert wer­den.
Indi­ge­ne Völ­ker ver­fü­gen über das Recht auf Selbst­be­stim­mung und dar­aus resul­tie­ren­de kol­lek­ti­ve Rech­te. Loka­le Gemein­schaf­ten kön­nen hin­ge­gen nicht den­sel­ben Sta­tus bean­spru­chen, son­dern sind auf Min­der­hei­ten­rech­te beschränkt. Eine Pau­scha­li­sie­rung wäre dem­nach eine Degra­die­rung des selbst­be­stimm­ten Sta­tus Indi­ge­ner Völ­ker. [sie­he dazu auch den Arti­kel: Indi­ge­ne Völ­ker sind kei­ne loka­le Gemein­schaf­ten!]

Damit asso­zi­ie­rend for­der­te Hin­dou Oua­ma­ru die Wich­tig­keit von direk­ten Inves­ti­tio­nen für Indi­ge­ne Völ­ker zum Schut­ze von Bio­di­ver­si­tät und Kli­ma-Resi­li­enz anstatt dies über natio­na­le oder inter­na­tio­na­le Orga­ni­sa­tio­nen über­ge­ord­net zu koor­di­nie­ren. Des wei­te­ren bestand sie auf die vol­le, und effek­ti­ve Par­ti­zi­pa­ti­on Indi­ge­ner Völ­ker in allen sie betref­fen­den Belan­gen und Dis­kur­sen und beton­te hier­bei die essen­ti­el­le Rol­le der indi­ge­nen Jugend.

Vorsitzende Hindou Oumarou (Mbororo) und Gawan Maringer

Vor­sit­zen­de Hin­dou Oum­a­rou (Mbororo), Gawan Marin­ger beim 23. Tref­fen des UN Per­ma­nent Forum on Indi­ge­nous Issues (UNPFII) — New York, 2024 

„Grü­ner Neo­ko­lo­nia­lis­mus“ einer „grü­nen Aris­to­kra­tie“

David Cho­que­huan­ca, der Vize-Prä­si­dent von Boli­vi­en, arti­ku­lier­te sich etwas weni­ger diplo­ma­tisch und kri­ti­sier­te vehe­ment und unver­blümt die — sei­ner Ansicht nach — neu­en For­men des Kolo­nia­lis­mus als „grü­nen Neo-Impe­ria­lis­mus, wel­cher sich auf der Ideo­lo­gie des Kapi­ta­lis­mus grün­den und unter der Füh­rung einer „grü­nen Aris­to­kra­tie“ mani­fes­tie­ren wür­de.

David Choquehuanca, Vize-Präsident von Bolivienbeim UNPFII-Treffen in Genf, 2024

David Cho­que­huan­ca, Vize-Präsident von Boli­vi­en beim 23. Tref­fen des UN Per­ma­nent Forum on Indi­ge­nous Issues (UNPFII) — New York, 2024

Die­ser „west­li­che Weg“ sepa­rie­re sich von „Mut­ter Erde“ und wäre nicht kom­pa­ti­bel mit den Wer­ten der „Pue­blos Ances­tra­les, wie er die Indi­ge­nen Völ­ker, inklu­si­ve sei­ner selbst, bezeich­ne­te. Sie sei­en mit „Mut­ter Erde“ unwei­ger­lich ver­wo­ben, alle Rech­te wür­den von „Mut­ter Erde“ stam­men.
Das Tra­di­tio­nel­le Wis­sen, die Weis­heit der „Pue­plos Ances­tra­les“ wür­de ihre Unzer­stör­bar­keit und Frei­heit sichern. Auf­grund die­ser gewähl­ten Ter­mi­no­lo­gie beton­te Cho­que­huan­ca die Deko­lo­ni­sie­rung Indi­ge­ner Völ­ker, ver­ur­teil­te ihre Mar­gi­na­li­sie­rung und ver­wies auf ihre Selbst­be­stim­mung im ursprüng­lichs­ten Sin­ne. 

Obwohl bei­de erwähn­ten Red­ner nicht expli­zit auf eine Inter­pre­ta­ti­on des Selbst­be­stim­mungs­rechts ein­gin­gen, war, wenn auch auf nicht völ­lig iden­te Wei­se, das­sel­bi­ge als Fun­da­ment für die kol­lek­ti­ven Rech­te Indi­ge­ner Völ­ker klar wahr­zu­neh­men. Eben­so ein­deu­tig wahr­nehm­bar war ihre gemein­sa­me Kri­tik bezüg­lich einer pseu­do-grü­nen Öko­no­mie. Die­ser Fokus soll­te sich bis zum Ende der Forum-Sit­zung durch­zie­hen, wur­de jedoch ins­be­son­de­re im fol­gen­den The­men­feld beson­ders beleuch­tet:

Dis­kus­sio­nen über die 6 UNPFII-Berei­che: wirt­schaft­li­che und sozia­le Ent­wick­lung, Kul­tur, Umwelt, Bil­dung, Gesund­heit und Men­schen­rech­te

Zwei spe­zi­el­le, von den Exper­tIn­nen des Forums erar­bei­te­te Stu­di­en soll­ten als Grund­la­ge für die­ses The­men­feld die­nen:

  • E/C.19/2024/4 „Inter­na­tio­nal Expert Group Mee­ting on the The­me „Indi­ge­nous Peo­p­les in a gree­ning eco­no­my“
  • E/C.19/2024/6Cri­mi­na­liza­ti­on of Indi­ge­nous Peo­p­les’ human rights

Stu­die zu den Kon­flik­ten auf­grund „grü­ner“ Öko­no­mie

Eine Zusam­men­fas­sung der von zahl­rei­chen indi­ge­nen Exper­tIn­nen erar­bei­te­ten Stu­die Indi­ge­nous Peo­p­les in a gree­ning eco­no­my wur­de vom vor­ma­li­gen Forums-Vor­sit­zen­den Dario Jose Mon­tal­vo (Zenú, Kolum­bi­en) prä­sen­tiert: 

Die Stu­die bestä­ti­ge dem­nach die bereits erwähn­ten inhä­ren­ten Kon­flik­te der grü­nen Öko­no­mie. Sie fol­ge der­sel­ben, markt­ba­sier­ten, auf Extrak­ti­on beru­hen­den Logik, ohne dabei die Kos­mo­vi­sio­nen und spi­ri­tu­el­le, mit dem Land ver­wo­be­nen Bezie­hun­gen Indi­ge­ner Völ­ker zu berück­sich­ti­gen.
Der pri­va­te Sek­tor, die mul­ti­na­tio­na­len Kon­zer­ne, wür­den prio­ri­siert wer­den und die soge­nann­te „Tran­si­ti­on“ domi­nie­ren und bestim­men. Eine „just tran­si­ti­on“ — ein gerech­ter Über­gang zu alter­na­ti­ven Ener­gien und einer grü­nen Wirt­schaft — sei dem­nach ohne Rea­li­täts­be­zug und ledig­lich in Doku­men­ten ver­an­kert.
Obwohl Indi­ge­ne Völ­ker seit jeher „Mother Earth“ ver­tei­di­gen, sei­en sie durch die „grü­ne Öko­no­mie“ – ins­be­son­de­re auf­grund der Extrak­ti­on „kri­ti­scher Mine­ra­li­en“ und der CO2-Markt-basier­ten Mecha­nis­men — wie­der­um von Dis­kri­mi­nie­rung, Igno­ranz ihrer Rech­te und mas­si­ver Aus­beu­tung betrof­fen.

Bezüg­lich des dies­jäh­ri­gen zen­tra­len Forum-The­mas „Selbst­be­stim­mungs­recht“ unter­strich Mon­tal­vo die nega­ti­ven Aus­wir­kun­gen der „grü­nen Öko­no­mie“, wel­che das Selbst­be­stim­mungs­recht und damit ver­bun­de­ner Ter­ri­to­ri­al­rech­te auf­grund exter­ner Regu­lie­run­gen und Zwän­ge unter­wan­dern und kom­mu­na­le indi­ge­ne Struk­tu­ren auf­lö­sen wür­den. 

Stu­die zur Kri­mi­na­li­sie­rung Indi­ge­ner Völ­ker

Eine Zusam­men­fas­sung der zwei­ten Stu­die Cri­mi­na­liza­ti­on of Indi­ge­nous Peo­p­les’ human rights“ wur­de vom Forums-Mit­glied Ei Ei Min vor­ge­tra­gen:

Die Stu­die ist im Zusam­men­hang zur ers­ten Stu­die zu inter­pre­tie­ren, da die zuneh­men­de Kri­mi­na­li­sie­rung Indi­ge­ner Völ­ker mit dem Zuwachs ter­ri­to­ria­ler Über­grif­fe und Aus­beu­tung auf indi­ge­nen Ter­ri­to­ri­en lie­gen­der Res­sour­cen ein­her­ge­hen.

Min zitier­te dar­aus zwei grund­le­gen­de Kate­go­rien der Kri­mi­na­li­sie­rung:

Ers­te­re bezeich­net „die inad­äqua­te Aner­ken­nung Indi­ge­ner Völ­ker inner­halb der natio­na­len Legis­la­tur“.
Aus ihr resul­tie­ren gegen­sätz­li­che, sich im Kon­flikt befind­li­che Rech­te auf­grund unter­schied­li­cher legis­la­ti­ver Basis. Von beson­de­rer Rele­vanz sei­en hier­bei nur teil­wei­se oder kom­plett igno­rier­te Länder‑, Ter­ri­to­ri­en- und Res­sour­cen-Rech­te (LTRs), dar­aus fol­gen­der Ver­ga­be von Anspruchs-Rech­ten bezüg­lich „Pro­tec­ted Are­as“, Infrastruktur‑, Klimaschutz‑, Bio­di­ver­si­täts- und „Wild­life“ Pro­jek­ten an Drit­te, wie etwa natio­na­le und inter­na­tio­na­le Orga­ni­sa­tio­nen und Kon­zer­ne.

Die zwei­te Kate­go­rie umfasst „die direk­te Kri­mi­na­li­sie­rung und Ankla­ge von Men­schen­rechts-Akti­vis­tIn­nen und ver­weist auf direk­te, auf dem natio­na­len Straf­recht beru­hen­de Sank­tio­nen im Namen der natio­na­len Sicher­heit, Anti-Ter­ro­ris­mus Geset­ze und ihr Miss­brauch, um Pro­tes­te Indi­ge­ner Völ­ker zu unter­drü­cken oder kom­plett zu eli­mi­nie­ren.
Der­ar­ti­ge Pro­zes­se rich­ten sich sowohl gegen Indi­vi­du­en als auch gegen Gemein­schaf­ten, letzt­end­lich sei jedoch stets die gesam­te Gemein­schaft betrof­fen, die durch die Ver­ur­tei­lung von Indi­vi­du­en ein­ge­schüch­tert und in ihren kol­lek­ti­ven Rech­ten mas­siv beschränkt wer­den wür­de.

Alar­mie­ren­de, scho­ckie­ren­de Daten sind der Stu­die zu ent­neh­men: So sind etwa 6% der Welt­be­völ­ke­rung zu Indi­ge­nen Völ­kern zu zäh­len, jedoch sind 20% der von Angrif­fen betrof­fe­nen Akti­vis­ten indi­gen.

2021 wur­den welt­weit 200 Men­schen­rechts-Akti­vis­tIn­nen ermor­det, 40% davon gehör­ten Indi­ge­nen Völ­kern an.

In einem nicht genann­ten Staat wur­den zwi­schen 2016 und 2021 611 Men­schen­rechts­ak­ti­vis­tIn­nen ermor­det, 332 davon waren Indi­ge­ne.

Zahl­rei­che Mor­de an Indi­ge­nen sei­en dem­nach dem Rah­men von Pro­jek­ten des „pri­va­ten Sek­tors“ zuzu­ord­nen. Ins­be­son­de­re der bereits erwähn­te Bezug auf die Aus­beu­tung „kri­ti­scher Mine­ra­li­en“ sei dem­nach beson­ders besorg­nis­er­re­gend.

Von 5000 der­ar­ti­gen Pro­jek­ten sind 54% auf oder in unmit­tel­ba­re Nähe von Ter­ri­to­ri­en Indi­ge­ner Völ­ker ange­sie­delt. Dar­aus wür­den unwei­ger­lich Span­nun­gen und Kon­flik­te resul­tie­ren, ins­be­son­de­re wenn Kon­sul­ta­ti­ons­rech­te und vor allem die vor­he­ri­ge freie und infor­mier­te Zustim­mung (FPIC) Indi­ge­ner Völ­ker miß­ach­tet wer­den.

In die­sem Zusam­men­hang wur­de auch auf die Bio­di­ver­si­tät und asso­zi­ier­ter Schutz­maß­nah­men ver­wie­sen. Dem­nach sind etwa 80% der glo­ba­len Bio­di­ver­si­tät auf von Indi­ge­nen Völ­kern genutz­ten und bewohn­ten Ter­ri­to­ri­en behei­ma­tet.

Das 2022 beschlos­se­ne Kun­ming-Mont­re­al Glo­bal Bio­di­ver­si­ty Frame­work der CBD zum Schut­ze der Biod­ver­si­tät umfasst das ambi­tio­nier­te Ziel 30% der Erd­ober­flä­che bis 2030 unter Schutz zu stel­len. Die­ser „Schutz“ impli­ziert jedoch natio­na­le pro­tec­ted Are­as und Natur­schutz­parks.
Län­der, Ter­ri­to­ri­en und Res­sour­cen­rech­te Indi­ge­ner Völ­ker wer­den zwar in den Gui­de­lines erwähnt, ihre Eigen­tums­rech­te und Nut­zungs­rech­te — sub­su­miert unter ihrem Selbst­be­stim­mungs­recht — sind jedoch unge­nü­gend defi­niert und daher mas­siv gefähr­det, ver­letzt und miss­ach­tet zu wer­den.

80% der glo­ba­len Bio­di­ver­si­tät auf von Indi­ge­nen Völ­kern genutz­ten und bewohn­ten Ter­ri­to­ri­en behei­ma­tet.

Die Eigen­tums- und Nut­zungs­rech­te sind unge­nü­gend defi­niert und daher mas­siv gefähr­det, unter dem Vor­wand „Schutz der Biod­ver­si­tät“ ver­letzt und miss­ach­tet zu wer­den.

Die Rea­li­tät die­ser immensen Gefahr bestä­tig­te bei­spiels­wei­se, unter vie­len ande­ren, eine Shuar-Reprä­sen­tan­tin der Con­fe­dera­ci­on de Nacio­nal­ida­des Indi­ge­nas del Ecua­dor (CONAIE) — des Bünd­nis­ses Indi­ge­ner Natio­na­li­tä­ten Ecua­dors: Sie berich­te­te vom Zuwachs der Gewalt gegen Indi­ge­ne Völ­ker, im spe­zi­el­len auf­grund meh­re­rer Pro­jek­te unter dem Ban­ner der Ener­gie­wen­de in der süd­li­chen Ama­zo­nas­re­gi­on Ecua­dors Moro­na Sant­ia­go und in Palo Que­ma­do.
Drei kana­di­sche Extrak­ti­ons-Unter­neh­men ope­rie­ren in die­sen Regio­nen um „kri­ti­sche Mine­ra­li­en“ — dar­un­ter Kup­fer und Erz – abzu­bau­en. Im Zuge des­sen sei­en genann­te Regio­nen zum Schut­ze der Unter­neh­men mili­ta­ri­siert, der Indi­ge­ne Wider­stand zur Ver­tei­di­gung ihrer LTRs kri­mi­na­li­siert und 28 Indi­ge­ne ver­haf­tet wor­den.
Legi­ti­miert wur­de die­se Gewalt basie­rend auf der Prio­ri­sie­rung des Frei­han­dels­ab­kom­mens zwi­schen Cana­da und Ecua­dor, dem ecua­do­ria­ni­schen natio­na­len Inter­es­se und der Ener­gie­wen­de. Die CONAIE Reprä­sen­tan­tin for­der­te das UNPFII auf, die Staa­ten in die Pflicht zu neh­men, die Rech­te Indi­ge­ner Völ­ker zu respek­tie­ren und die Unter­drü­ckung und rigo­ro­se Aus­beu­tung ihrer LTRs zu unter­bin­den.

State­ments der indi­ge­nen Jugend

Der Indi­ge­nous Peo­p­les Youth Cau­cus, die kol­lek­ti­ve Stim­me der anwe­sen­den indi­ge­nen Jugend, warn­te eben­so vor der mas­si­ven Aus­beu­tung der Ter­ri­to­ri­en Indi­ge­ner Völ­ker sei­tens der Extrak­ti­ons-Indus­trie und dar­aus resul­tie­ren­der, erzwun­ge­ner Umsied­lun­gen. Ins­be­son­de­re die Abwan­de­rung indi­ge­ner Jugend wür­de in einem Bruch des inter­ge­ne­ra­tio­na­len tra­di­tio­nel­len Wis­sens­aus­tauschs und folg­lich im Iden­ti­täts­ver­lust mün­den. Die Extrak­ti­ons-Indus­trie wür­de daher das Selbst­be­stim­mungs­recht Indi­ge­ner Völ­ker maß­geb­lich beein­träch­ti­gen.

Indigenous Peoples Youth Caucus bem 23. Treffen des UN Permanent Forum on Indigenous Issues (UNPFII), Genf 2024

Indi­ge­nous Peo­p­les Youth Cau­cus beim 23. Tref­fen des UN Per­ma­nent Forum on Indi­ge­nous Issues (UNPFII) — New York, 2024

Die Jugend hob spe­zi­ell die Rele­vanz von his­to­ri­schen Ver­trä­gen und die Ein­hal­tung sel­bi­ger als Basis für die Selbst­be­stim­mung Indi­ge­ner Völ­ker her­vor. Die­se „Trea­ties“, sofern sie zwi­schen Indi­ge­nen Völ­kern und den Kolo­ni­al­mäch­ten abge­schlos­sen wur­den, wer­ten den Sta­tus Indi­ge­ner Völ­ker als gleich­be­rech­tig­te Part­ner auf. 

Dar­über­hin­aus nahm sich der Indi­ge­nous Peo­p­les Youth Cau­cus kein Blatt vor dem Mund, ver­ur­teil­te die Kampf­hand­lun­gen in Gaza als Geno­zid und for­der­te die vol­le Unter­stüt­zung des UNRWA (United Nati­ons Reli­ef and Works Agen­cy for Pal­es­ti­ne Refu­gees in the Near East).

Als Emp­feh­lung für das UNPFII emp­fahl die Jugend eine Stu­die über die Zusam­men­hän­ge von Kli­ma­kri­se, eth­ni­schen Säu­be­run­gen und Zwangs­um­sied­lun­gen Indi­ge­ner Völ­ker von ihren ange­stamm­ten Ter­ri­to­ri­en durch­zu­füh­ren.

Frank­reichs Inter­es­se und Ein­fluss auf Neu­ka­le­do­ni­en

Obwohl the­ma­tisch bereits vor­grei­fend, nahm inter­es­san­ter­wei­se zum Ende der Ses­si­on eine Reprä­sen­tan­tin des indi­ge­nen Vol­kes der Kana­ken bereits zum Selbst­be­stim­mungs­recht Stel­lung.

Sie berich­te­te über den Kampf um Selbst­be­stim­mung auf Neu­ka­le­do­ni­en, das nach wie vor ein Über­see­ge­biet Frank­reichs dar­stellt. Trotz Auto­no­mie des Gebiets hat sich die demo­gra­phi­sche Zusam­men­set­zung zuse­hends stark ver­än­dert. Fran­zö­sisch­stäm­mi­ge Sied­ler sind ein erheb­li­cher Teil der Bevöl­ke­rung gewor­den, die indi­ge­ne Bevöl­ke­rung, die stets star­ker Dis­kri­mi­nie­rung und kolo­nia­ler Aus­beu­tung aus­ge­setzt war, wür­de daher wei­ter­hin an Macht ver­lie­ren.

Im schein­bar gestie­ge­nen Inter­es­se Frank­reichs an Neu­ka­le­do­ni­en ist frei­lich hand­fes­te Res­sour­cen­aus­beu­tung zu ver­mu­ten: Die welt­weit gröss­ten Roh­stoff­vor­kom­men vom kri­ti­schem Mine­ral Nickel sind auf dem Insel­ar­chi­pel Neu­ka­le­do­ni­en ver­or­tet – uner­läß­lich (als Bat­te­rie­be­stand­teil) für die „grü­ne Wen­de“.

Sie for­der­te die Soli­da­ri­tät der inter­na­tio­na­len Gemein­schaft das Recht auf Selbst­be­stim­mung für das indi­ge­ne Volk Neu­ka­le­do­ni­ens – den Kana­ken ‑durch­zu­set­zen, um sich von Frank­reich end­lich deko­lo­ni­sie­ren zu kön­nen.

[Anmer­kung des Autors: Nur weni­ge Tage danach fan­den die bis­wei­len andau­ern­den Unru­hen auf Neu­ka­le­do­ni­en statt, die auf­grund eines Refe­ren­dums zur wei­te­ren Ermäch­ti­gung und Gleich­stel­lung rezen­ter fran­zö­sisch­stäm­mi­ger Sied­ler — mit vor­he­ri­gem 10 jäh­ri­gen Auf­ent­halt — erlas­sen wor­den war.]

Neu­ka­le­do­ni­ens Bei­spiel stellt einen the­ma­tisch pas­sen­den Shift zum eigent­li­chen Schwer­punkt­the­ma des dies­jäh­ri­gen Forums dar: dem Recht auf Selbst­be­stim­mung, wel­ches am dar­auf­fol­gen­den Tage zen­tral dis­ku­tiert wur­de.

För­de­rung des Selbst­be­stim­mungs­rechts Indi­ge­ner Völ­ker: die Stim­men der indi­ge­nen Jugend

Das Selbst­be­stim­mungs­recht ist als Grund­recht tief im Völ­ker­recht ver­wur­zelt. Es besagt, dass jedes Volk über das Recht ver­fügt, frei zu ent­schei­den über

  • sei­nen poli­ti­schen Sta­tus, 
  • sei­ne Staats- und Regie­rungs­form und 
  • sei­ne wirt­schaft­li­che, sozia­le und kul­tu­rel­le Ent­wick­lung

Dies schließt sei­ne Frei­heit von Fremd­herr­schaft ein.

Das Selbst­be­stim­mungs­recht ist bei­spiels­wei­se ver­an­kert in der

  • UN Char­ter — der Ver­fas­sung der Ver­ein­ten Natio­nen und
  • den so bezeich­ne­ten „Deko­lo­ni­sie­rungs-Pak­ten“, dem „Inter­na­tio­nal Coven­ant on Civil and Poli­ti­cal Rights (ICCPR)“ und dem „Inter­na­tio­nal Coven­ant on Eco­no­mic, Social and Cul­tu­ral Rights (ICESCR)“ unter Arti­kel 1

Beschrän­kung des Rechts auf Selbst­be­stim­mung der Indi­ge­nen Völ­ker: Arti­kel 46 (UNDRIP)

Die viel gerühm­te, 2007 ver­ab­schie­de­te Decla­ra­ti­on on the Rights of Indi­ge­nous Peo­p­les (UNDRIP) – der Dekla­ra­ti­on für die Rech­te Indi­ge­ner Völ­ker — impli­ziert zwar unter Arti­kel 3 den bei­na­he glei­chen Wort­laut, wur­de jedoch durch den letzt­end­lich hin­zu­ge­füg­ten Arti­kel 46 maß­geb­lich beschränkt.

Arti­kel 46 betont im wesent­li­chen die Prio­ri­sie­rung der ter­ri­to­ria­len Inte­gri­tät eines Staa­tes über die Rech­te Indi­ge­ner Völ­ker. Ins­be­son­de­re die CAN­ZUS-Staa­ten (Kana­da, Aus­tra­li­en, Neu­see­land, USA) — allen vor­an Kana­da — waren auf­grund der Furcht vor etwa­igen Deko­lo­ni­sie­rungs-Ansprü­chen und der Ein­for­de­rung von LTRs feder­füh­rend in der Beschnei­dung des zen­tra­len Herz­stücks der Dekla­ra­ti­on.

Obwohl die UNDRIP zurecht als Mei­len­stein der Rech­te Indi­ge­ner Völ­ker gefei­ert wird, ist die­ser Umstand schwer­wie­gend und exklu­diert die ursprüng­li­chen Ansprü­che der ori­gi­nä­ren inter­na­tio­na­len Bewe­gung Indi­ge­ner Völ­ker:
Die For­de­rung nach Deko­lo­ni­sie­rung, Sou­ve­rä­ni­tät und Selbst­be­stim­mung, die eine Sepa­ra­ti­on und voll­stän­di­ge Unab­hän­gig­keit inklu­die­ren kann — aber nicht muss.

Die UN-Dekla­ra­ti­on für die Rech­te Indi­ge­ner Völ­ker (Decla­ra­ti­on on the Rights of Indi­ge­nous Peo­p­les — UNDRIP) wird durch Arti­kel 46 — die Prio­ri­sie­rung der ter­ri­to­ria­len Inte­gri­tät eines Staa­tes über die Rech­te Indi­ge­ner Völ­ker — maß­geb­lich beschränkt.

Der Titel des UNPFII-Spe­zi­al­the­mas und sei­ne ver­mut­lich beab­sich­tigt gewähl­te Aus­for­mu­lie­rung „Selbst­be­stim­mungs­recht im Kon­text der UNDRIP“ unter­mau­ert eben die­se Beschnei­dung, auch wenn dies mög­li­cher­wei­se vie­len Anwe­sen­den beim UNPFII nicht bewusst war.

So kön­nen bei­spiels­wei­se die Anlie­gen der bereits erwähn­ten Kana­ken Neu­ka­le­do­ni­ens oder der Indi­ge­nen West-Papu­as im Rah­men des UNPFI­Is und der UNDRIP dis­ku­tiert wer­den, die Dekla­ra­ti­on wird sich aller­dings nicht als das geeig­ne­te Instru­ment für ihre Selbst­be­stim­mungs­rechts-For­de­run­gen zur Deko­lo­ni­sie­rung ihrer Län­der von Frank­reich und Indo­ne­si­en eig­nen.

Die Dekla­ra­ti­on — kein „Alheil­mit­tel“ für sämt­li­che Ambi­tio­nen Indi­ge­ner Völ­ker?

Die­ser Wider­spruch mani­fes­tier­te sich eben­so bei den the­ma­tisch ein­lei­ten­den Prä­sen­ta­tio­nen des indi­ge­nen boli­via­ni­schen Vize-Prä­si­den­ten David Cho­que­huan­ca und des indi­ge­nen Rechts­exper­ten und vor­ma­li­gen UN-Son­der­be­richt­erstat­ters für die Rech­te Indi­ge­ner Völ­ker Prof. James Ana­ya:

David Cho­que­huan­ca sprach erneut von „Pue­blos Ances­tra­les und Ori­gi­na­ri­os“ und defi­nier­te die­se als meta­phy­sisch mit „Mut­ter Erde“ „kos­mo-bio­zen­trisch“ ver­wur­zelt — im kras­sen Kon­trast zur „west­lich-kapi­ta­lis­tisch, anthro­po­zen­tri­schen Matrix“

James Ana­ya pass­te sei­ne Prä­sen­ta­ti­on prag­ma­ti­scher, jedoch – nach Ansicht des Autors – zu sehr „gezähmt“ und dem Rah­men des zen­tra­len The­mas rela­tiv kri­tik­los an.
Ana­ya nahm zwar Bezug auf die Ursprün­ge und ori­gi­nä­ren Zie­le der inter­na­tio­na­len indi­ge­nen Bewe­gung, beton­te hier­bei das in vie­ler­lei Instru­men­ten völ­ker­recht­lich defi­nier­te Recht auf Selbst­be­stim­mung und das indi­ge­ne Bestre­ben nach Deko­lo­ni­sie­rung, den­noch adap­tier­te er als­bald die­se ori­gi­nä­ren Zie­le und trans­fe­rier­te sie mit­hil­fe eines Zitats der ehren­wer­ten, ehe­ma­li­gen UN-Son­der­be­richt­erstat­te­rin Madame Eri­ca Ire­ne Daes inner­halb von natio­na­len Sphä­ren: Daes sprach von einem „Pro­zess, den Indi­ge­ne Völ­ker mit allen ande­ren Entitäten/Völkern des Staa­tes frei ein­ge­hen und die Struk­tu­ren des Staa­tes, basie­rend auf im Kon­sens zuge­stimm­ten Bedin­gun­gen, mit­ge­stal­ten.“ Dies wür­de Auto­no­mie­rech­te, Selbst-Regie­rung und die Ver­fü­gung über LTRs für Indi­ge­ne Völ­ker mit ein­schlie­ßen und stellt sich als durch­aus kon­form mit der limi­tie­ren­den UND­RIP-Inter­pre­ta­ti­on des Selbst­be­stim­mungs­rechts dar.

Von links nach rechts: Makanalani Gomez, Vorsitzende des Indiigenous Peoples Youth Caucus, Prof. James Anaya, Vizepräsident David Choquehuanca

Von links nach rechts: Maka­nala­ni Gomez, Vor­sit­zen­de des Indi­ige­nous Peo­p­les Youth Cau­cus, Prof. James Ana­ya, Vizepräsident David Cho­que­huan­ca

Wäh­rend Ana­ya Bil­dung, tra­di­tio­nel­les Wis­sen und den Erhalt der indi­ge­nen Spra­chen prio­ri­sier­te, beton­te Cho­que­huan­ca hin­ge­gen das Selbst­be­stim­mungs­recht als über die UNDRIP hin­aus­ra­gen­de Kate­go­rie, als kol­lek­ti­ve Posi­ti­on ori­gi­nä­rer Völ­ker gegen die neo­li­be­ra­le Aus­beu­tung, gegen pater­na­lis­ti­sche, reko­lo­nia­li­sie­ren­de Struk­tu­ren „west­li­cher“ Staa­ten, wel­che durch den „Ent­wick­lungs-Mythos“ fehl­ge­lei­tet sei­en. 

Zwei Prä­sen­ta­tio­nen getra­gen von durch­aus diver­gie­ren­den Per­spek­ti­ven: 
Die Eine zwar pole­misch, aber den­noch im ursprüng­li­chen Sin­ne der inter­na­tio­na­len Bewe­gung Indi­ge­ner Völ­ker, die ande­re prag­ma­tisch, die Rea­li­tä­ten bezüg­lich einer staat­li­chen Domi­nanz über Indi­ge­ne Völ­ker wie­der­spie­gelnd, aber letzt­lich im Wider­spruch zur Deko­lo­ni­sie­rung und Selbst­be­stim­mung bis zur letz­ten Instanz und unbrauch­bar für man­che Anlie­gen der prä­sen­ten Indi­ge­nen. 

Die­ser offen­sicht­li­che Wider­spruch wur­de zusätz­lich in einem State­ment des Forum-Mit­glieds Tove Søvn­dahl Gant aus Grön­land mani­fest:

Tove Søvn­dahl Gant nahm zur Anfra­ge Stel­lung, wes­we­gen Grön­land nicht in der zugrun­de­lie­gen­den Stu­die für die Ses­si­on „Gui­ding prin­ci­ples for the imple­men­ta­ti­on of Indi­ge­nous Peo­p­les’ rights to auto­no­my and self-govern­ment (E/C.19/2024/3)“ – sie war Co-Autorin — inklu­diert wor­den war. Tove recht­fer­tig­te dies mit dem Argu­ment, daß vie­le Indi­ge­ne Grön­lands die Unab­hän­gig­keit von Däne­mark anstre­ben wür­den und daher eine Inklu­si­on in der Stu­die über Selbst­be­stim­mung inner­halb des Natio­nal­staa­tes unpas­send sei. Dem­zu­fol­ge ist das in der UNDRIP ver­an­ker­te, limi­tie­ren­de Selbst­be­stim­mungs­recht für Grön­land als unge­nü­gend zu inter­pre­tie­ren. 

Die Stu­die selbst ist durch­aus inter­es­sant und stellt diver­se Model­le samt inhä­ren­ter Vor- und Nach­tei­le inner­halb ver­schie­de­ner Staats­ge­fü­ge auf glo­ba­ler Ebe­ne ver­glei­chend dar – alle kom­pa­ti­bel mit den Limi­ta­tio­nen des Arti­kel 46 der UNDRIP, jedoch nicht mit den Ambi­tio­nen Indi­ge­ner Völ­ker Neu­ka­le­do­ni­ens, West-Papu­as, Grön­lands, Hawai­is oder Alas­kas.

Der Ver­lauf der Ses­si­on impli­zier­te zahl­rei­che State­ments Indi­ge­ner Völ­ker bezüg­lich man­nig­fal­ti­ger Ver­let­zun­gen des Selbst­be­stim­mungs­rechts auf­grund der über­ge­ord­ne­ten Domi­nanz des Staa­tes und des­sen patri­ar­cha­ler, hege­mo­nia­ler Macht­struk­tu­ren. 

Kein Selbst­be­stim­mungs­recht auf­grund der Domi­nenz des Staa­tes: Bei­spiel Abori­gi­nes / Aus­tra­li­en

Neben den bereits erwähn­ten Über­grif­fen auf LTRs Indi­ge­ner Völ­ker — ins­be­son­de­re im Rah­men der „Grü­nen Öko­no­mie“- reflek­tier­te ein wei­te­res, kon­kre­tes Bei­spiel die inhä­ren­te Pro­ble­ma­tik im Macht­ge­fü­ge von domi­nan­tem Natio­nal­staat und dar­in leben­der Indi­ge­ner Völ­ker:

Mag­gie Night Wil­liams von der Tor­res Straits Move­ment Orga­niza­ti­on erin­ner­te an „The Voice“, dem im Okto­ber 2023 statt­fin­den­den Refe­ren­dum zur Auf­wer­tung und Bekräf­ti­gung der Abori­gi­nes und Tor­res Strait Island­ers inner­halb der aus­tra­li­schen Ver­fas­sung, sowie mit­tels der Grün­dung eines gleich­na­mi­gen, bera­ten­den Gre­mi­ums. Die­ses Gre­mi­um wäre von indi­ge­nen Reprä­sen­tan­tIn­nen Aus­tra­li­ens selbst gewählt, hät­te in sämt­li­chen Ange­le­gen­hei­ten Indi­ge­ne betref­fend bera­ten­de Funk­ti­on — jedoch kein Veto-Recht — und müss­te sich im über­ge­ord­ne­ten natio­na­len Gefü­ge Aus­tra­li­ens unter­ord­nen.
Den­noch, trotz die­ser Kom­pa­ti­bi­li­tät im Rah­men des Natio­nal­staa­tes ent­schied sich Aus­tra­li­en in einer Wahl mehr­heit­lich gegen die­se Initia­ti­ve für mehr Selbst­be­stim­mung und Par­ti­zi­pa­ti­on der Abori­gi­nes und Tor­res Strait Island­ers. Mag­gie Night Wil­liams resü­mier­te daher, dass das Selbst­be­stim­mungs­recht Indi­ge­ner Völ­ker kei­nes­falls in den Hän­den von Nicht-Indi­ge­nen lie­gen dür­fe.

Sas „S“ in „Indi­ge­nous Peo­p­leS

Der ehe­ma­li­ge US Bot­schaf­ter und jet­zi­ges Forums-Mit­glied Keith Har­per (Che­ro­kee) brach­te dies auf dem Punkt:

„Wer ist in der Lage zu ent­schei­den? Indi­ge­ne oder Nicht-Indi­ge­ne? Indi­ge­ne Regie­run­gen oder Nicht Indi­ge­ne Regie­rungs-Enti­tä­ten? Indi­ge­ne Völ­ker müs­sen gemäß dem im Völ­ker­recht ver­an­ker­ten Selbst­be­stim­mungs­recht über ihre Ange­le­gen­hei­ten selbst ent­schei­den kön­nen, dies ist nicht dis­ku­tier­bar.“

Er ver­wies auf den Jahr­zehn­te andau­ern­den Kampf um letzt­end­lich das „S“ in „Indi­ge­nous Peo­p­leS“ anstatt „indi­ge­nous peo­p­le“ durch­zu­set­zen, als Völ­ker aner­kannt zu wer­den und folg­lich kol­lek­ti­ve Rech­te und Selbst­be­stim­mung, ande­ren nicht-indi­ge­nen Völ­kern gleich, ein­zu­for­dern. 

Die­se Stel­lung­nah­men und Dis­kus­sio­nen mani­fes­tier­ten ein Span­nungs­feld, wel­ches inhä­ren­te Wider­sprü­che offen­leg­te:

Zwar wur­de die Viel­falt der Anwend­bar­keit der UNDRIP mit­samt ihren kohä­ren­ten Arti­keln klar evi­dent, jedoch auch ihre unge­nü­gen­de Eig­nung hin­sicht­lich sämt­li­cher Belan­ge des Selbst­be­stim­mungs­rechts Indi­ge­ner Völ­ker ver­deut­licht.

Obwohl die­se fun­da­men­ta­le Wider­sprüch­lich­keit ver­mut­lich inten­diert man­gel­haft vom von UN-Struk­tu­ren gepräg­ten Forum the­ma­ti­siert wur­de, war sie den­noch nicht zu leug­nen. 

Ein wei­te­res, essen­ti­ell mit dem Selbst­be­stim­mungs­recht ver­wo­be­nes The­ma sorg­te eben­so für eini­gen Gesprächs­stoff inner­halb des dies­jäh­ri­gen Forum-Tref­fens:

Indi­ge­nous Peo­p­les and Local Com­mu­ni­ties – der Sta­tus Indi­ge­ner Völ­ker und des­sen Bekräf­ti­gung

Bereits zu Beginn der Ses­si­on zur Selbst­be­stim­mung soll­te sich ein grund­le­gen­des Pro­blem offen­ba­ren:

Die Ein­fluss­nah­me man­cher Staa­ten, wie etwa Indo­ne­si­en, die sich inner­halb der UN und des­sen Foren gegen die Par­ti­zi­pa­ti­on eini­ger indi­gen-reprä­sen­ta­ti­ver NGOs aus­spra­chen und folg­lich deren Selbst­be­stim­mungs­recht unter­mi­nie­ren woll­ten.

Die UNPFII-Vor­sit­zen­de Hin­dou Oum­a­rou ver­wehr­te sich jedoch stand­haft und ent­schie­den gegen jeg­li­che staat­li­che Ver­su­che, indi­ge­ne Reprä­sen­tan­tIn­nen ein­zu­schüch­tern oder das Wort zu ver­bie­ten. Den­noch stel­len Mecha­nis­men wie das UNPFII lei­der Aus­nah­men dar.

Letzt­lich sind Staa­ten inner­halb der Ver­ein­ten Natio­nen gegen­über Indi­ge­nen Völ­kern, wel­che ledig­lich höchs­tens einen kon­sul­ta­ti­ven Sta­tus und/oder Beob­ach­ter­sta­tus als NGOs auf­wei­sen, stets über­le­gen und auf­grund ihrer ter­ri­to­ria­len Inte­gri­tät bei­na­he unan­tast­bar.

Wie Keith Har­per obig erwähnt, haben Indi­ge­ne Völ­ker Jahr­zehn­te für ihre Aner­ken­nung als kol­lek­ti­ve Enti­tä­ten und ins­be­son­de­re als „Peo­p­les“ / „Völ­ker“ gekämpft. Ihre indi­vi­du­el­len und vor allem kol­lek­ti­ven Rech­te wur­den auf­grund ihres unnach­gie­bi­gen Enga­ge­ments kon­ti­nu­ier­lich bekräf­tigt und sind zumin­dest theo­re­tisch nicht mehr igno­rier­bar oder gar zu negie­ren.

Inner­halb der Ver­ein­ten Natio­nen kön­nen sie als „indi­ge­ne Orga­ni­sa­tio­nen“ hin­sicht­lich der für sie und durch sie geschaf­fe­nen drei Mecha­nis­men

  • Per­ma­nent Forum on Indi­ge­nous Issues“, 
  • Expert Mecha­nism on the Rights of Indi­ge­nous Peo­p­les“ und 
  • im Dia­log mit dem „Spe­cial Rap­por­teur on the Rights of Indi­ge­nous Peo­p­les

par­ti­zi­pie­ren

Bei den for­ma­len Tref­fen des 

  • Human Rights Coun­cils, des 
  • Eco­no­mic and Social Coun­cils oder gar der 
  • Gene­ral­ver­samm­lung 

bleibt ihnen aber als nicht-staat­li­che Akteu­re der Zutritt ver­wehrt.

Sie kön­nen ledig­lich um Betei­li­gung an einer staat­li­chen Dele­ga­ti­on, zumeist ihres domi­nan­ten Kolo­ni­al­staats ansu­chen, oder sich als Beob­ach­ter im Rah­men einer NGO mit kon­sul­ta­ti­ven Sta­tus akkre­di­tie­ren.

Als Indi­ge­ne Völ­ker unter der Kate­go­rie „Non-Govern­men­tal Orga­niza­ti­on sub­su­miert zu wer­den, stellt frei­lich eine absur­de Regel für reprä­sen­ta­ti­ve, kol­lek­ti­ve indi­ge­ne Enti­tä­ten, dar­un­ter eben­falls indi­ge­ne Regie­run­gen, dar.

Die­se andau­ern­de Dis­kri­mi­nie­rung besteht auf­grund der fort­füh­ren­den kolo­nia­len Macht­struk­tu­ren und der damit ein­her­ge­hen­den Tat­sa­che, dass „Völ­ker“ nicht mit „Staa­ten“ bzw. „Natio­nen“ gleich­zu­set­zen sind, dem­zu­fol­ge Indi­ge­ne Völ­ker nicht als gleich­wer­ti­ge, selbst­be­stimm­te, sou­ve­rä­ne Mit­glieds­staa­ten der Ver­ein­ten Natio­nen wahr­ge­nom­men wer­den. 

Lei­der bestä­ti­gen rezen­te­re Ent­wick­lun­gen erneut die Unter­mi­nie­rung des Sta­tus Indi­ge­ner Völ­ker und sorg­ten, wie bereits ver­ein­zelt ange­deu­tet, für Pro­tes­te unter Indi­ge­nen.

Zuletzt hat­ten sich die drei genann­ten UN-Mecha­nis­men für Indi­ge­ne Völ­ker — das Per­ma­nent Forum, der Expert Mecha­nism und der Spe­cial Rap­por­teur — in einer gemein­sa­men Erklä­rung erneut vehe­ment gegen die Ver­men­gung und zusam­men­fas­sen­den Kate­go­ri­sie­rung von „Indi­ge­nen Völ­kern und loka­len Gemein­schaf­ten“ aus­ge­spro­chen.

Wie erwähnt, lehn­ten die­se gemein­sa­me Kate­go­ri­sie­rung der Glo­bal Indi­ge­nous Peo­p­les Cau­cus, die Forums Vor­sit­zen­de Hin­dou Oum­a­rou und die Indi­ge­nous Peo­p­les Youth Cau­cus Vor­sit­zen­de Maka­nala­ni Gomes — stell­ver­tre­tend für die indi­ge­ne Jugend — glei­cher­ma­ßen inner­halb des UNPFII Mee­tings nach­drück­lich ab.

Die gemein­sa­me Kate­go­ri­sie­rung von „Indi­ge­nen Völ­kern und loka­len Gemein­schaf­ten“ hat ins­be­son­de­re ver­mehrt im Rah­men der Sit­zun­gen der CBD (Con­ven­ti­on on Bio­lo­gi­cal Diver­si­ty) und der UNFCCC (Frame­work Con­ven­ti­on on Cli­ma­te Chan­ge) Ein­zug gefun­den. Die­se Gleich­set­zung unter­mi­niert aller­dings das Selbst­be­stim­mungs­recht Indi­ge­ner Völ­ker und ihren spe­zi­el­len, kol­lek­tiv-recht­li­chen Sta­tus, der sie ein­deu­tig von „loka­len Gemein­schaf­ten“ und Min­der­hei­ten unter­schei­det.

Die Prio­ri­sie­rung und Auf­wer­tung des Ter­mi­nus „Indi­ge­ne Völ­ker“ und der dar­aus resul­tie­ren­de, legi­ti­mier­te Sta­tus muss folg­lich als drin­gend prio­ri­tär erach­tet wer­den.

Die Rol­le des „Indi­ge­nous Coor­di­na­ting Body (ICB)“ — staats­na­he ver­sus Grass­roots-Orga­ni­sa­tio­nen

Eini­ge beherz­te indi­ge­ne Indi­vi­du­en ver­su­chen seit vie­len Jah­ren den Sta­tus Indi­ge­ner Völ­ker inner­halb der UN auf­zu­wer­ten und inter­ne Struk­tu­ren zuguns­ten der Indi­ge­nen zu trans­for­mie­ren. Ins­be­son­de­re seit den Vor­be­rei­tun­gen zum „UN High Level Ple­na­ry Mee­ting“ — der soge­nann­ten „Welt­kon­fe­renz über Indi­ge­ne Völ­ker“ — ein im Jah­re 2014 statt­ge­fun­de­nes, hoch­ka­rä­ti­ges UN-Tref­fen, haben der­ar­ti­ge Bestre­bun­gen sich wie­der bekräf­tigt.

Die indi­ge­nen Indi­vi­du­en grün­de­ten den „Indi­ge­nous Coor­di­na­ting Body (ICB)“ und konn­ten inner­halb des UN Sys­tems gewis­se Fort­schrit­te zur Auf­nah­me des The­mas „Enhan­cing the Sta­tus of Indi­ge­nous Peo­p­les within the UN — Bekräf­ti­gung des Sta­tus Indi­ge­ner Völ­ker“ ver­zeich­nen. Sowohl Pro­zes­se inner­halb des Human Rights Coun­cils als auch inner­halb des Eco­no­mic and Social Coun­cils konn­ten erfolg­reich eta­bliert wer­den.

Informeller Event zum Status Indigener Völker: Prof. Claire Charters (Maori)

Infor­mel­ler Event zum Sta­tus Indi­ge­ner Völker: Prof. Clai­re Char­ters (Mao­ri) beim 23. Tref­fen des UN Per­ma­nent Forum on Indi­ge­nous Issues (UNPFII) — New York, 2024

Beim dies­jäh­ri­gen UNPFII Mee­ting stan­den eini­ge Sideevents, for­mel­le und infor­mel­le Tref­fen im Zei­chen die­ses the­ma­ti­schen Fokus, teil­wei­se auch mit der Par­ti­zi­pa­ti­on hoch­ran­gi­ger UN-Diplo­ma­ten. Als Min­dest-Ziel wur­de der per­ma­nen­te Beob­ach­ter-Sta­tus in allen UN Gre­mi­en – auch inner­halb der UN Gene­ral­ver­samm­lung unter einer eige­nen Kate­go­rie „Indi­ge­ne Völ­ker“, unab­hän­gig von NGOs, for­mu­liert und dis­ku­tiert. 

Grund­sätz­lich ist die­ses ambi­tio­nier­te Vor­ha­ben des ICB selbst­re­dend begrüs­sens­wert. Eine Bekräf­ti­gung des Sta­tus Indi­ge­ner Völ­ker im inter­na­tio­na­len Rah­men stellt letzt­lich einer der ori­gi­nä­ren For­de­run­gen der inter­na­tio­na­len indi­ge­nen Bewe­gung seit ihrem Bestehen inner­halb der Ver­ein­ten Natio­nen dar und ist im direk­ten Zusam­men­hang mit ihrem Selbst­be­stim­mungs­recht zu asso­zi­ie­ren.

Frag­lich bleibt jedoch, ob das ICB das geeig­ne­te Gre­mi­um hier­für dar­stellt und die müh­sa­men Pro­zes­se zu die­sem Zwe­cke sich letzt­end­lich als ziel­füh­rend gestal­ten wer­den. Wie erwähnt setzt sich das ICB aus im UN Sys­tem eta­blier­ten indi­ge­nen Indi­vi­du­en zusam­men. Die­se haben sich aber bereits in der Ver­gan­gen­heit nicht immer als frei von Kon­tro­ver­sen prä­sen­tiert.

So sorg­ten bei­spiels­wei­se unter­schied­li­che Auf­fas­sun­gen zur Pla­nung der erwähn­ten, soge­nann­ten „UN Welt­kon­fe­renz über Indi­ge­ne Völ­ker“, die zuvor ursprüng­lich als „Welt­kon­fe­renz von Indi­ge­nen Völ­kern“ geplant war, 2014 für Zwis­tig­kei­ten und resul­tier­ten sogar in einem mas­si­ven Bruch zwi­schen Indi­ge­nen Ver­tre­te­rIn­nen.

Vie­le Indi­ge­ne woll­ten die Ver­ein­nah­mung „ihrer“ Kon­fe­renz durch Staa­ten, hier­ar­chi­sche UN-Struk­tu­ren und damit beglei­ten­den, stark limi­tie­ren­den, staat­lich-deter­mi­nier­ten Par­ti­zi­pa­ti­ons­rech­ten nicht akzep­tie­ren und boy­kot­tier­ten die Kon­fe­renz. Der Groß­teil der jet­zi­gen ICB Mit­glie­der hat­te damals jedoch kei­ne Pro­ble­me mit den staat­lich auf­ok­troy­ier­ten Bedin­gun­gen.

So waren auch dies­mal staats­na­he indi­ge­ne Enti­tä­ten, wie etwa der durch die USA gegrün­de­te „Con­gress of Ame­ri­can Indi­ans“ beson­ders an den Sideevents des ICB inter­es­siert. Lei­der ist eine Prio­ri­sie­rung der­ar­ti­ger staats­na­her, reprä­sen­ta­tiv-indi­ge­ner Enti­tä­ten über tra­di­tio­nel­le Regie­run­gen und indi­ge­ne Grass­roots-Orga­ni­sa­tio­nen nicht aus­zu­schlie­ßen, son­dern muss sogar befürch­tet wer­den.

Folg­lich wären kolo­ni­al-basie­ren­de indi­ge­ne Enti­tä­ten mög­li­cher­wei­se bevor­zug­te Ent­schei­dungs­trä­ger über alt­be­währ­te, pres­ti­ge­träch­ti­ge, kol­lek­ti­ve indi­ge­ne Grass­roots-Bewe­gun­gen und tra­di­tio­nel­le Regie­run­gen. Um die­sem Anschein ent­ge­gen­zu­wir­ken, orga­ni­sier­te das ICB Sideevents mit dem Tsil­qo­ten-Chief Joe Alfons und Tsil­qo­ten-Jugend­ver­tre­te­rIn­nen. Die Tsil­qo­ten sind eine First Nati­on in Bri­tish Colum­bia (Kana­da), die ihren „Abori­gi­nal Title“, ihre kol­lek­ti­ve Iden­ti­tät und beglei­ten­de ter­ri­to­ria­le Rech­te vor dem Obers­ten Gerichts­hof Kana­das erfolg­reich durch­set­zen konn­te. Es war ein klu­ger Schach­zug des eher staats­kon­for­men ICB offi­zi­el­le Reprä­sen­tan­ten von eben die­sem star­ken und tra­di­tio­nel­len Indi­ge­nen Volk ein­zu­la­den.

Ein bekräf­tig­ter Sta­tus Indi­ge­ner Völ­ker inner­halb der UN ist zwei­fels­frei von höchs­ter Rele­vanz, könn­te sich aber als kom­pli­ziert und pro­ble­ma­tisch erwei­sen, wenn es um Moda­li­tä­ten und ins­be­son­de­re um die legi­ti­me Reprä­sen­tanz eines Indi­ge­nen Vol­kes geht. Ob die­se rezen­ten Pro­zes­se tat­säch­lich zum gewünsch­ten Erfolg gleich­be­rech­tig­ter Par­ti­zi­pa­ti­on Indi­ge­ner Völ­ker, ins­be­son­de­re von tra­di­tio­nel­len kol­lek­ti­ven indi­ge­nen Enti­tä­ten führt, bleibt abzu­war­ten und soll­te kri­tisch beob­ach­tet blei­ben.

Prof. Val­maine Toki (Mao­ri), Vor­sit­zen­de des UN Expert Mecha­nism on the Rights of Indi­ge­nous Peo­p­les, UN Spe­cial Rap­por­teur on Indi­ge­nous Peo­p­les, José Fran­cis­co Calí Tzay (Cak­chi­quel — Maya) und die UNPFII Vor­sit­zen­de Hin­dou Oum­a­rou (Mbororo)

Fazit

Trotz per­ma­nen­ten Gegen­winds sei­tens der Natio­nal­staa­ten konn­ten Indi­ge­ne Völ­ker erfolg­reich ihren Sta­tus als kol­lek­ti­ve Enti­tä­ten inner­halb der Welt­ge­mein­schaft eta­blie­ren.

Rech­te Indi­ge­ner Völ­ker haben als Teil des Völ­ker­rechts ein sta­bi­les Fun­da­ment und sind zumin­dest theo­re­tisch nicht mehr zu negie­ren. Die­se posi­ti­ve Ent­wick­lung kumu­lier­te in der Annah­me der Dekla­ra­ti­on (UNDRIP) zurecht als Mei­len­stein.

Die UNDRIP wur­de als Min­dest­stan­dard for­mu­liert, als Basis für jeg­li­che Bezie­hun­gen zwi­schen Indi­ge­nen Völ­kern und ande­ren, zumeist staat­li­chen Akteu­ren. Vie­le Staa­ten inter­pre­tie­ren hin­ge­gen die UNDRIP und deren Umset­zung als maxi­mal zu errei­chen­des Ziel, nicht als Min­dest­an­for­de­rung. Zudem limi­tiert Arti­kel 46 das Selbst­be­stim­mungs­recht Indi­ge­ner Völ­ker und prio­ri­siert die staat­li­che Ter­ri­to­ri­a­li­tät. 

Das dies­jäh­ri­gen UNPFII-Tref­fen erfüll­te sei­ne Auf­ga­be als kri­ti­sches Forum in vie­ler­lei Hin­sicht – sowohl bezüg­lich einer geein­ten, deut­li­chen Gegen­po­si­ti­on zu alten Aus­beu­tungs­for­men in neu­em Gewand:

  • Grü­ner Öko­no­mie und Ener­gie­wen­de“, als auch bezüg­lich der
  • kla­ren Ableh­nung des Ter­mi­nus „Indi­ge­ne Völ­ker und loka­le Gemein­schaf­ten“.

Es ent­täusch­te aller­dings hin­sicht­lich des zen­tra­len The­mas „Selbst­be­stim­mungs­recht, indem es sel­bi­ges aus­schließ­lich im Rah­men der UNDRIP inter­pre­tier­te und folg­lich Indi­ge­ne Völ­ker Neu­ka­le­do­ni­ens, West Papu­as oder Hawai­is, u.a., eine unge­nü­gen­de Platt­form für ihre Anlie­gen bot.

Zwar wur­de die Viel­falt der Anwend­bar­keit der UNDRIP mit­samt ihren kohä­ren­ten Arti­keln mani­fest, jedoch auch ihre stark begrenz­te Eig­nung hin­sicht­lich wei­ter­füh­ren­der Belan­ge des Selbst­be­stim­mungs­rechts und der Deko­lo­ni­sie­rung Indi­ge­ner Völ­ker.

Die Pro­zes­se des ICB zur Bekräf­ti­gung des Sta­tus Indi­ge­ner Völ­ker inner­halb der Ver­ein­ten Natio­nen kön­nen bis­wei­len als posi­ti­ve Errun­gen­schaft inter­pre­tiert wer­den, bir­gen jedoch Gefah­ren bezüg­lich der Ver­ein­nah­mung durch staats­na­he und von staat­li­chen Akteu­ren gegrün­de­ten kol­lek­ti­ven Enti­tä­ten und der mög­li­chen Abwer­tung von indi­ge­nen Grass­roots-Orga­ni­sa­tio­nen und tra­di­tio­nel­len Regie­run­gen

Hier­zu soll ein Joint-State­ment des Indi­ge­nous Ama­zigh Com­mu­ni­ty Net­work AZUL gemein­sam mit der Femi­nist Land Plat­form die zugrun­de lie­gen­de Pro­ble­ma­tik noch­mals abschlie­ßend ver­deut­li­chen:

„Das Recht auf Selbst­be­stim­mung stellt sich als äußerst kom­pli­ziert dar, oft­mals bleibt es uns ver­wehrt. Wie kön­nen wir also etwas bekräf­ti­gen, dass wir erst ein­for­dern müs­sen? Und wie sind wir in der Lage, dies unter der Domi­nanz kolo­nia­ler und neo-kolo­nia­ler Regeln zu rea­li­sie­ren?“ 

Die­sen Wider­spruch konn­te das dies­jäh­ri­ge UNPFII-Mee­ting lei­der nicht lösen.

Gawan Marin­ger


© alle Fotos: Gawan Marin­ger

Foto rechts (von links nach rechts):
Künstlerin und indi­ge­ne Akti­vis­tin Fen­mei,
Chief Gary Har­ri­son, (Chick­a­loon Vil­la­ge, Alas­ka),
Gawan Marin­ger, New York 2024

Chief Gary Harrison, (Chickaloon Village, Alaska), Künstlerin und indigene Aktivistin Fenmei und Gawan Maringer


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