Das diesjährige Treffen des UN Permanent Forum tagte vom 15. bis zum 26. April 2024 in New York. Neben der üblichen Tagesordnungs-Agenda zu
1. Menschenrechten,
2. Umwelt,
3. Bildung,
4. Wirtschaft/Soziales,
5. Kultur und
6. Gesundheit
sollte ein Thema diesmal im Fokus des Interesses stehen:
„Enhancing Indigenous Peoples’ right to self-determination in the context of the United Nations Declaration on the Rights of Indigenous Peoples (UNDRIP): emphasizing the voices of Indigenous youth,“
(„Die Förderung des Selbstbestimmungsrechts Indigener Völker im Kontext der UN Deklaration der Rechte Indigener Völker (UNDRIP): Bekräftigung der Stimmen der indigenen Jugend.“)
Bei genauerer Betrachtung impliziert der Titel bereits eine Beschränkung des Selbstbestimmungsrechts durch den gegebenen Rahmen der UNDRIP und eine Fokussierung auf die indigene Jugend.
Während Letzteres kaum problematisch erscheinen mag, kann ersteres durchaus als widersprüchlich interpretiert werden. Zunächst jedoch zum Vorbereitungstreffen des Global Indigenous Peoples Caucus, welches am 13. und 14. April knapp vor der Eröffnung des 23. UNPFII stattfand:
Vorbereitung auf das 23. Treffen des UN Permanent Forum on Indigenous Issues:
Der Global Indigenous Peoples Caucus
Um sich auf UN Treffen vorzubereiten und eine möglichst kollektive, einheitliche, starke Stimme zu repräsentieren, stellt der Global Indigenous Peoples Caucus ein bereits langjähriges, traditionell etabliertes, offenes Forum für Indigene Völker und deren RepräsentantInnen dar.
Die NGOs American Indian Law Alliance, Tonatierra und das American Indian Community House sind u.a. für die kostspieligen Vorbereitungen verantwortlich. Insbesondere das unermüdliche Engagement von Betty Lyons und Evie Reyes-Aguirre ist hierbei hervorzuheben.

Evie Reyes Aguirre, Gawan Maringer beim 23. Treffen UN Permanent Forum on Indigenous Issues (UNPFII) — New York, 2024

Betty Lyons, Gawan Maringer beim 23. Treffen des UN Permanent Forum on Indigenous Issues (UNPFII) — New York, 2024
Gegensätzlich zum vorjährigem Caucus-Treffen war bereits am ersten Tag eine Zunahme der partizipierenden Indigenen erfreulicherweise festzustellen. Ebenso konnte sich dessen Struktur wie auch wahrgenommene Relevanz zumindest beim Vorbereitungstreffen revitalisieren. [vgl. hierzu Arikel 2023 UNPFII: Das UN Permanent Forum on Indigenous Issues 2023 (New York)]
Eröffnet wurde traditionell mit einem Gebet zur Bekräftigung der holistischen Einheit unter den Teilnehmenden — „One mind, one body, one heart“.
Rasch konnte man sich auf die administrativen Modalitäten einigen, um sich auf den Inhalt und Zweck des Caucus zu fokussieren:
➪ Die Erarbeitung einer starken, kollektiven Stimme zu den eingangs erwähnten 6 Themenbereichen und dem diesjährigen Spezialthema — Bekräftigung des Selbstbestimmungsrechts — des UNPFII
Kritik an der „Green Economy“
Als besonders bemerkenswert stellte sich die vielfache, Themenbereichs-überschneidende und alle indigenen Regionen global umfassende vehemente Kritik sämtlicher anwesenden indigenen Repräsentantinnen bezüglich der sogenannten „Green Economy“ dar:
So prangerte beispielsweise das International Indian Treaty Council
(IITC) die von Konzernen durchgeführte rigorose Ausbeutung sogenannter „critical minerals/transitional minerals“ — wie etwa Lithium, Kupfer, Nickel — und das nicht unter die Definition kritischer Mineralien fallende aber neuerdings „grün-gewaschene“ Uran — im Namen der „Green Economy“ auf indigenen Territorien an.
Des weiteren berichtete das IITC über die Errichtung von Solarprojekten in der sonorischen Wüste, die ohne den „Free, Prior, Informed Consent (FPIC)“ — der freien, vorherigen, vollinformierten Konsultation und Zustimmung der lokal lebenden Indigenen auf deren Territorium realisiert werden.
Das Indigenous Environmental Network (IEN) forderte gar ein Moratorium bezüglich sogenannter „carbon based solutions“ — Kohlendioxid basierter Lösungsansätze, welche durch Speicherung des CO2 den Handel von Zertifikaten mit sich ziehen.
Basierend auf derartigen „Lösungsansätzen“ wird die Problematik einer substanziellen Reduktion von CO2 in Ländern des „Nordens“ in den globalen „Süden“ ausgelagert, um dort mittels CO2 Speicher-Projekte Zertifikate zu generieren und sich frei zu kaufen – ohne dabei im „Norden“ tatsächlich Kohlendioxid reduziert zu haben. Dies ist insbesondere hinsichtlich diverser Nationalparks und „Protected Areas“ (Schutzzonen) äußerst beunruhigend, da ohne Berücksichtigung der lokal beheimateten Indigenen Völker derartige Projekte aufoktroyiert und deren Territorien mittels CO2 Markt kommerzialisiert werden.
Vertreibung indigener Völer und Bedrohung indigener AktivisteInnen
Oftmals ist dies mit der Vertreibung der Indigenen Völker — wie beispielsweise mehrere indigene VertreterInnen von Brasilien, Ecuador, El Salvador, Kolumbien, Kenya, Borneo, Neukaledonien, Indien, Grönland und Skandinavien zu berichten wussten — verbunden. Letztgenannte verwiesen auf die eigentlich zu kurzgegriffene, ungenügende regionale Unterteilung zwischen Norden und Süden: Saami VertreterInnen berichteten über die Errichtung von Windparks, die aufgrund nationalem Interesses vom Staat priorisiert und über ihre territorialen Rechte gestellt wurden. Insbesondere der Konflikt zwischen den Saami und Norwegen bezüglich der Errichtung der Windkraftanlage auf der Halbinsel Fosen sei hierbei hervorgehoben.
Klassischer Abbau von Klimakillern wie etwa Braunkohle, Gas und Erdöl oder auch die Holzindustrie stellen freilich weiterhin ebenso ein massives Problem dar.
Aufgrund genannter neokolonialer Projekte resultiert in immer häufiger werdenden Extremfällen physische Gewalt, die bis zur Ermordung zahlreicher indigener AktivistInnen reicht.
Als besonders bemerkenswert stellte sich in diesem Zusammenhang der Kommentar einer anwesenden Palästinenserin dar: Sie verwies auf aktuelle Investitionen eines dänischen Unternehmens auf subterrane Gasressourcen in Gaza nach Beendigung des Genozids. Die konzerngetriebene Gier scheint keinerlei ethische Grenzen zu kennen.
Recht auf Selbstbestimmung als Fundament für Indigene Völker
Letztlich betonten alle Anwesenden das Recht auf Selbstbestimmung als Fundament für Indigene Völker, um ihre Länder, Territorien und Ressourcen (LTRs), ihre Sprachen und Identitäten ausreichend wahrnehmen, nützen und für die folgenden Generationen schützen zu können.
Basierend auf diesem Austausch reflektierte folglich auch das vom indigenen Caucus formulierte, als Grundlage für das UNPFII-Treffen dienende Dokument eben dargebrachte Inhalte, wie etwa ein Moratorium bezüglich des Kohlendioxid-Marktes und assoziierten Zertifikaten, die unbedingte Einhaltung des FPIC ‑Prinzips (vorherige freie und informierte Zustimmung) in allen Belangen Indigene Völker betreffend und der Entkriminalisierung indigener MenschenrechtsaktivistInnen wie auch der Schutz ihres Lebens.
Obwohl der Global Indigenous Peoples Caucus nur von einem Teil der am UNPFII partizipierenden indigenen RepräsentantInnen besucht wird und daher formal nicht als kollektive Stimme aller Indigener beim Forum gilt, haben seine Statements besondere Relevanz und basieren auf kollektivem Konsens.
Folglich manifestierten sich die im Caucus behandelten Themen auch als zentral für das nachfolgende 24. Treffen des UNPFII.
Das UNPFII 2024: Die Eröffnung
Der Glanz der vorjährigen, von höchster Prominenz geprägten Eröffnung samt Vorträge des UN Generalsekretärs Guterrez und des Präsidenten von Kolumbien Petro, konnte diesmal nicht repliziert werden. Dennoch, die kritische Eröffnungsansprache der frisch gewählten Forums-Vorsitzenden Hindou Oumaru Ibrahim, des indigenen Nomadenvolks Mbororo aus dem Tschad und die polemische, aber dennoch sehr inspirierende Rede des indigenen Vize-Präsidenten von Bolivien David Choquehuanca stachen durchaus als besonders bemerkenswert hervor.

UNPFII-Vorsitzende Hindou Oumarou Ibrahim beim 23. Treffen des UN Permanent Forum on Indigenous Issues (UNPFII) — New York, 2024
Ausbeutung „critical minerals“ im Namen der Green Economy
Hindou Oumaru verurteilte die rigorose Ausbeutung von „crititcal minerals“ im Namen der „Green Economy“ und den oftmals damit einhergehenden Landraub. Sie betonte die essentielle Rolle von Indigenen Völkern, um gegen die Herausforderungen des Klimawandels und für den Erhalt der globalen Biodiversität gewappnet zu sein. Die Verbindung zu den Ahnen, die Weitergabe des bewährten, im Einklang mit der Natur tradiertem Wissen der älteren Generation an die indigene Jugend sei von existenzieller Relevanz. Aufgrund dieses bewährten traditionellen Wissens seien Indigene Völker ExpertInnen bezüglich einer harmonischen Beziehung zur Mutter Erde. Ihre Selbstbestimmung stelle daher keine Gefahr dar, sondern resultiere vielmehr in einer Vorbildwirkung zum Schutz des Planeten.
Indigene Völker sind keine lokale Gemeinschaften!
Hierzu kritisierte die Forums-Vorsitzende die Vermengung von „Indigenen Völkern“ mit „Lokalen Gemeinschaften“, welche im gleichen Atemzug als „indigenous peoples and local communities“ etwa bei den Conferences of the Parties (COPs) der UN Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) und der Convention on Biodiversity (CBD) u.a. Foren der Vereinten Nationen subsumiert werden.
Indigene Völker verfügen über das Recht auf Selbstbestimmung und daraus resultierende kollektive Rechte. Lokale Gemeinschaften können hingegen nicht denselben Status beanspruchen, sondern sind auf Minderheitenrechte beschränkt. Eine Pauschalisierung wäre demnach eine Degradierung des selbstbestimmten Status Indigener Völker. [siehe dazu auch den Artikel: Indigene Völker sind keine lokale Gemeinschaften!]
Damit assoziierend forderte Hindou Ouamaru die Wichtigkeit von direkten Investitionen für Indigene Völker zum Schutze von Biodiversität und Klima-Resilienz anstatt dies über nationale oder internationale Organisationen übergeordnet zu koordinieren. Des weiteren bestand sie auf die volle, und effektive Partizipation Indigener Völker in allen sie betreffenden Belangen und Diskursen und betonte hierbei die essentielle Rolle der indigenen Jugend.

Vorsitzende Hindou Oumarou (Mbororo), Gawan Maringer beim 23. Treffen des UN Permanent Forum on Indigenous Issues (UNPFII) — New York, 2024
„Grüner Neokolonialismus“ einer „grünen Aristokratie“
David Choquehuanca, der Vize-Präsident von Bolivien, artikulierte sich etwas weniger diplomatisch und kritisierte vehement und unverblümt die — seiner Ansicht nach — neuen Formen des Kolonialismus als „grünen Neo-Imperialismus“, welcher sich auf der Ideologie des Kapitalismus gründen und unter der Führung einer „grünen Aristokratie“ manifestieren würde.

David Choquehuanca, Vize-Präsident von Bolivien beim 23. Treffen des UN Permanent Forum on Indigenous Issues (UNPFII) — New York, 2024
Dieser „westliche Weg“ separiere sich von „Mutter Erde“ und wäre nicht kompatibel mit den Werten der „Pueblos Ancestrales“, wie er die Indigenen Völker, inklusive seiner selbst, bezeichnete. Sie seien mit „Mutter Erde“ unweigerlich verwoben, alle Rechte würden von „Mutter Erde“ stammen.
Das Traditionelle Wissen, die Weisheit der „Pueplos Ancestrales“ würde ihre Unzerstörbarkeit und Freiheit sichern. Aufgrund dieser gewählten Terminologie betonte Choquehuanca die Dekolonisierung Indigener Völker, verurteilte ihre Marginalisierung und verwies auf ihre Selbstbestimmung im ursprünglichsten Sinne.
Obwohl beide erwähnten Redner nicht explizit auf eine Interpretation des Selbstbestimmungsrechts eingingen, war, wenn auch auf nicht völlig idente Weise, dasselbige als Fundament für die kollektiven Rechte Indigener Völker klar wahrzunehmen. Ebenso eindeutig wahrnehmbar war ihre gemeinsame Kritik bezüglich einer pseudo-grünen Ökonomie. Dieser Fokus sollte sich bis zum Ende der Forum-Sitzung durchziehen, wurde jedoch insbesondere im folgenden Themenfeld besonders beleuchtet:
Diskussionen über die 6 UNPFII-Bereiche: wirtschaftliche und soziale Entwicklung, Kultur, Umwelt, Bildung, Gesundheit und Menschenrechte
Zwei spezielle, von den ExpertInnen des Forums erarbeitete Studien sollten als Grundlage für dieses Themenfeld dienen:
- E/C.19/2024/4 „International Expert Group Meeting on the Theme „Indigenous Peoples in a greening economy“
- E/C.19/2024/6 „Criminalization of Indigenous Peoples’ human rights“
Studie zu den Konflikten aufgrund „grüner“ Ökonomie
Eine Zusammenfassung der von zahlreichen indigenen ExpertInnen erarbeiteten Studie „Indigenous Peoples in a greening economy“ wurde vom vormaligen Forums-Vorsitzenden Dario Jose Montalvo (Zenú, Kolumbien) präsentiert:
Die Studie bestätige demnach die bereits erwähnten inhärenten Konflikte der grünen Ökonomie. Sie folge derselben, marktbasierten, auf Extraktion beruhenden Logik, ohne dabei die Kosmovisionen und spirituelle, mit dem Land verwobenen Beziehungen Indigener Völker zu berücksichtigen.
Der private Sektor, die multinationalen Konzerne, würden priorisiert werden und die sogenannte „Transition“ dominieren und bestimmen. Eine „just transition“ — ein gerechter Übergang zu alternativen Energien und einer grünen Wirtschaft — sei demnach ohne Realitätsbezug und lediglich in Dokumenten verankert.
Obwohl Indigene Völker seit jeher „Mother Earth“ verteidigen, seien sie durch die „grüne Ökonomie“ – insbesondere aufgrund der Extraktion „kritischer Mineralien“ und der CO2-Markt-basierten Mechanismen — wiederum von Diskriminierung, Ignoranz ihrer Rechte und massiver Ausbeutung betroffen.
Bezüglich des diesjährigen zentralen Forum-Themas „Selbstbestimmungsrecht“ unterstrich Montalvo die negativen Auswirkungen der „grünen Ökonomie“, welche das Selbstbestimmungsrecht und damit verbundener Territorialrechte aufgrund externer Regulierungen und Zwänge unterwandern und kommunale indigene Strukturen auflösen würden.
Studie zur Kriminalisierung Indigener Völker
Eine Zusammenfassung der zweiten Studie „Criminalization of Indigenous Peoples’ human rights“ wurde vom Forums-Mitglied Ei Ei Min vorgetragen:
Die Studie ist im Zusammenhang zur ersten Studie zu interpretieren, da die zunehmende Kriminalisierung Indigener Völker mit dem Zuwachs territorialer Übergriffe und Ausbeutung auf indigenen Territorien liegender Ressourcen einhergehen.
Min zitierte daraus zwei grundlegende Kategorien der Kriminalisierung:
Erstere bezeichnet „die inadäquate Anerkennung Indigener Völker innerhalb der nationalen Legislatur“.
Aus ihr resultieren gegensätzliche, sich im Konflikt befindliche Rechte aufgrund unterschiedlicher legislativer Basis. Von besonderer Relevanz seien hierbei nur teilweise oder komplett ignorierte Länder‑, Territorien- und Ressourcen-Rechte (LTRs), daraus folgender Vergabe von Anspruchs-Rechten bezüglich „Protected Areas“, Infrastruktur‑, Klimaschutz‑, Biodiversitäts- und „Wildlife“ Projekten an Dritte, wie etwa nationale und internationale Organisationen und Konzerne.
Die zweite Kategorie umfasst „die direkte Kriminalisierung und Anklage von Menschenrechts-AktivistInnen“ und verweist auf direkte, auf dem nationalen Strafrecht beruhende Sanktionen im Namen der nationalen Sicherheit, Anti-Terrorismus Gesetze und ihr Missbrauch, um Proteste Indigener Völker zu unterdrücken oder komplett zu eliminieren.
Derartige Prozesse richten sich sowohl gegen Individuen als auch gegen Gemeinschaften, letztendlich sei jedoch stets die gesamte Gemeinschaft betroffen, die durch die Verurteilung von Individuen eingeschüchtert und in ihren kollektiven Rechten massiv beschränkt werden würde.
Alarmierende, schockierende Daten sind der Studie zu entnehmen: So sind etwa 6% der Weltbevölkerung zu Indigenen Völkern zu zählen, jedoch sind 20% der von Angriffen betroffenen Aktivisten indigen.
2021 wurden weltweit 200 Menschenrechts-AktivistInnen ermordet, 40% davon gehörten Indigenen Völkern an.
In einem nicht genannten Staat wurden zwischen 2016 und 2021 611 MenschenrechtsaktivistInnen ermordet, 332 davon waren Indigene.
Zahlreiche Morde an Indigenen seien demnach dem Rahmen von Projekten des „privaten Sektors“ zuzuordnen. Insbesondere der bereits erwähnte Bezug auf die Ausbeutung „kritischer Mineralien“ sei demnach besonders besorgniserregend.
Von 5000 derartigen Projekten sind 54% auf oder in unmittelbare Nähe von Territorien Indigener Völker angesiedelt. Daraus würden unweigerlich Spannungen und Konflikte resultieren, insbesondere wenn Konsultationsrechte und vor allem die vorherige freie und informierte Zustimmung (FPIC) Indigener Völker mißachtet werden.
In diesem Zusammenhang wurde auch auf die Biodiversität und assoziierter Schutzmaßnahmen verwiesen. Demnach sind etwa 80% der globalen Biodiversität auf von Indigenen Völkern genutzten und bewohnten Territorien beheimatet.
Das 2022 beschlossene Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework der CBD zum Schutze der Biodversität umfasst das ambitionierte Ziel 30% der Erdoberfläche bis 2030 unter Schutz zu stellen. Dieser „Schutz“ impliziert jedoch nationale „protected Areas“ und Naturschutzparks.
Länder, Territorien und Ressourcenrechte Indigener Völker werden zwar in den Guidelines erwähnt, ihre Eigentumsrechte und Nutzungsrechte — subsumiert unter ihrem Selbstbestimmungsrecht — sind jedoch ungenügend definiert und daher massiv gefährdet, verletzt und missachtet zu werden.
80% der globalen Biodiversität auf von Indigenen Völkern genutzten und bewohnten Territorien beheimatet.
Die Eigentums- und Nutzungsrechte sind ungenügend definiert und daher massiv gefährdet, unter dem Vorwand „Schutz der Biodversität“ verletzt und missachtet zu werden.
Die Realität dieser immensen Gefahr bestätigte beispielsweise, unter vielen anderen, eine Shuar-Repräsentantin der „Confederacion de Nacionalidades Indigenas del Ecuador (CONAIE)“ — des Bündnisses Indigener Nationalitäten Ecuadors: Sie berichtete vom Zuwachs der Gewalt gegen Indigene Völker, im speziellen aufgrund mehrerer Projekte unter dem Banner der Energiewende in der südlichen Amazonasregion Ecuadors Morona Santiago und in Palo Quemado.
Drei kanadische Extraktions-Unternehmen operieren in diesen Regionen um „kritische Mineralien“ — darunter Kupfer und Erz – abzubauen. Im Zuge dessen seien genannte Regionen zum Schutze der Unternehmen militarisiert, der Indigene Widerstand zur Verteidigung ihrer LTRs kriminalisiert und 28 Indigene verhaftet worden.
Legitimiert wurde diese Gewalt basierend auf der Priorisierung des Freihandelsabkommens zwischen Canada und Ecuador, dem ecuadorianischen nationalen Interesse und der Energiewende. Die CONAIE Repräsentantin forderte das UNPFII auf, die Staaten in die Pflicht zu nehmen, die Rechte Indigener Völker zu respektieren und die Unterdrückung und rigorose Ausbeutung ihrer LTRs zu unterbinden.
Statements der indigenen Jugend
Der Indigenous Peoples Youth Caucus, die kollektive Stimme der anwesenden indigenen Jugend, warnte ebenso vor der massiven Ausbeutung der Territorien Indigener Völker seitens der Extraktions-Industrie und daraus resultierender, erzwungener Umsiedlungen. Insbesondere die Abwanderung indigener Jugend würde in einem Bruch des intergenerationalen traditionellen Wissensaustauschs und folglich im Identitätsverlust münden. Die Extraktions-Industrie würde daher das Selbstbestimmungsrecht Indigener Völker maßgeblich beeinträchtigen.

Indigenous Peoples Youth Caucus beim 23. Treffen des UN Permanent Forum on Indigenous Issues (UNPFII) — New York, 2024
Die Jugend hob speziell die Relevanz von historischen Verträgen und die Einhaltung selbiger als Basis für die Selbstbestimmung Indigener Völker hervor. Diese „Treaties“, sofern sie zwischen Indigenen Völkern und den Kolonialmächten abgeschlossen wurden, werten den Status Indigener Völker als gleichberechtigte Partner auf.
Darüberhinaus nahm sich der Indigenous Peoples Youth Caucus kein Blatt vor dem Mund, verurteilte die Kampfhandlungen in Gaza als Genozid und forderte die volle Unterstützung des UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East).
Als Empfehlung für das UNPFII empfahl die Jugend eine Studie über die Zusammenhänge von Klimakrise, ethnischen Säuberungen und Zwangsumsiedlungen Indigener Völker von ihren angestammten Territorien durchzuführen.
Frankreichs Interesse und Einfluss auf Neukaledonien
Obwohl thematisch bereits vorgreifend, nahm interessanterweise zum Ende der Session eine Repräsentantin des indigenen Volkes der Kanaken bereits zum Selbstbestimmungsrecht Stellung.
Sie berichtete über den Kampf um Selbstbestimmung auf Neukaledonien, das nach wie vor ein Überseegebiet Frankreichs darstellt. Trotz Autonomie des Gebiets hat sich die demographische Zusammensetzung zusehends stark verändert. Französischstämmige Siedler sind ein erheblicher Teil der Bevölkerung geworden, die indigene Bevölkerung, die stets starker Diskriminierung und kolonialer Ausbeutung ausgesetzt war, würde daher weiterhin an Macht verlieren.
Im scheinbar gestiegenen Interesse Frankreichs an Neukaledonien ist freilich handfeste Ressourcenausbeutung zu vermuten: Die weltweit grössten Rohstoffvorkommen vom kritischem Mineral Nickel sind auf dem Inselarchipel Neukaledonien verortet – unerläßlich (als Batteriebestandteil) für die „grüne Wende“.
Sie forderte die Solidarität der internationalen Gemeinschaft das Recht auf Selbstbestimmung für das indigene Volk Neukaledoniens – den Kanaken ‑durchzusetzen, um sich von Frankreich endlich dekolonisieren zu können.
[Anmerkung des Autors: Nur wenige Tage danach fanden die bisweilen andauernden Unruhen auf Neukaledonien statt, die aufgrund eines Referendums zur weiteren Ermächtigung und Gleichstellung rezenter französischstämmiger Siedler — mit vorherigem 10 jährigen Aufenthalt — erlassen worden war.]
Neukaledoniens Beispiel stellt einen thematisch passenden Shift zum eigentlichen Schwerpunktthema des diesjährigen Forums dar: dem Recht auf Selbstbestimmung, welches am darauffolgenden Tage zentral diskutiert wurde.
Förderung des Selbstbestimmungsrechts Indigener Völker: die Stimmen der indigenen Jugend
Das Selbstbestimmungsrecht ist als Grundrecht tief im Völkerrecht verwurzelt. Es besagt, dass jedes Volk über das Recht verfügt, frei zu entscheiden über
- seinen politischen Status,
- seine Staats- und Regierungsform und
- seine wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung
Dies schließt seine Freiheit von Fremdherrschaft ein.
Das Selbstbestimmungsrecht ist beispielsweise verankert in der
- UN Charter — der Verfassung der Vereinten Nationen und
- den so bezeichneten „Dekolonisierungs-Pakten“, dem „International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR)“ und dem „International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (ICESCR)“ unter Artikel 1
Beschränkung des Rechts auf Selbstbestimmung der Indigenen Völker: Artikel 46 (UNDRIP)
Die viel gerühmte, 2007 verabschiedete Declaration on the Rights of Indigenous Peoples (UNDRIP) – der Deklaration für die Rechte Indigener Völker — impliziert zwar unter Artikel 3 den beinahe gleichen Wortlaut, wurde jedoch durch den letztendlich hinzugefügten Artikel 46 maßgeblich beschränkt.
Artikel 46 betont im wesentlichen die Priorisierung der territorialen Integrität eines Staates über die Rechte Indigener Völker. Insbesondere die CANZUS-Staaten (Kanada, Australien, Neuseeland, USA) — allen voran Kanada — waren aufgrund der Furcht vor etwaigen Dekolonisierungs-Ansprüchen und der Einforderung von LTRs federführend in der Beschneidung des zentralen Herzstücks der Deklaration.
Obwohl die UNDRIP zurecht als Meilenstein der Rechte Indigener Völker gefeiert wird, ist dieser Umstand schwerwiegend und exkludiert die ursprünglichen Ansprüche der originären internationalen Bewegung Indigener Völker:
Die Forderung nach Dekolonisierung, Souveränität und Selbstbestimmung, die eine Separation und vollständige Unabhängigkeit inkludieren kann — aber nicht muss.
Die UN-Deklaration für die Rechte Indigener Völker (Declaration on the Rights of Indigenous Peoples — UNDRIP) wird durch Artikel 46 — die Priorisierung der territorialen Integrität eines Staates über die Rechte Indigener Völker — maßgeblich beschränkt.
Der Titel des UNPFII-Spezialthemas und seine vermutlich beabsichtigt gewählte Ausformulierung „Selbstbestimmungsrecht im Kontext der UNDRIP“ untermauert eben diese Beschneidung, auch wenn dies möglicherweise vielen Anwesenden beim UNPFII nicht bewusst war.
So können beispielsweise die Anliegen der bereits erwähnten Kanaken Neukaledoniens oder der Indigenen West-Papuas im Rahmen des UNPFIIs und der UNDRIP diskutiert werden, die Deklaration wird sich allerdings nicht als das geeignete Instrument für ihre Selbstbestimmungsrechts-Forderungen zur Dekolonisierung ihrer Länder von Frankreich und Indonesien eignen.
Die Deklaration — kein „Alheilmittel“ für sämtliche Ambitionen Indigener Völker?
Dieser Widerspruch manifestierte sich ebenso bei den thematisch einleitenden Präsentationen des indigenen bolivianischen Vize-Präsidenten David Choquehuanca und des indigenen Rechtsexperten und vormaligen UN-Sonderberichterstatters für die Rechte Indigener Völker Prof. James Anaya:
David Choquehuanca sprach erneut von „Pueblos Ancestrales und Originarios“ und definierte diese als metaphysisch mit „Mutter Erde“ „kosmo-biozentrisch“ verwurzelt — im krassen Kontrast zur „westlich-kapitalistisch, anthropozentrischen Matrix“
James Anaya passte seine Präsentation pragmatischer, jedoch – nach Ansicht des Autors – zu sehr „gezähmt“ und dem Rahmen des zentralen Themas relativ kritiklos an.
Anaya nahm zwar Bezug auf die Ursprünge und originären Ziele der internationalen indigenen Bewegung, betonte hierbei das in vielerlei Instrumenten völkerrechtlich definierte Recht auf Selbstbestimmung und das indigene Bestreben nach Dekolonisierung, dennoch adaptierte er alsbald diese originären Ziele und transferierte sie mithilfe eines Zitats der ehrenwerten, ehemaligen UN-Sonderberichterstatterin Madame Erica Irene Daes innerhalb von nationalen Sphären: Daes sprach von einem „Prozess, den Indigene Völker mit allen anderen Entitäten/Völkern des Staates frei eingehen und die Strukturen des Staates, basierend auf im Konsens zugestimmten Bedingungen, mitgestalten.“ Dies würde Autonomierechte, Selbst-Regierung und die Verfügung über LTRs für Indigene Völker mit einschließen und stellt sich als durchaus konform mit der limitierenden UNDRIP-Interpretation des Selbstbestimmungsrechts dar.

Von links nach rechts: Makanalani Gomez, Vorsitzende des Indiigenous Peoples Youth Caucus, Prof. James Anaya, Vizepräsident David Choquehuanca
Während Anaya Bildung, traditionelles Wissen und den Erhalt der indigenen Sprachen priorisierte, betonte Choquehuanca hingegen das Selbstbestimmungsrecht als über die UNDRIP hinausragende Kategorie, als kollektive Position originärer Völker gegen die neoliberale Ausbeutung, gegen paternalistische, rekolonialisierende Strukturen „westlicher“ Staaten, welche durch den „Entwicklungs-Mythos“ fehlgeleitet seien.
Zwei Präsentationen getragen von durchaus divergierenden Perspektiven:
Die Eine zwar polemisch, aber dennoch im ursprünglichen Sinne der internationalen Bewegung Indigener Völker, die andere pragmatisch, die Realitäten bezüglich einer staatlichen Dominanz über Indigene Völker wiederspiegelnd, aber letztlich im Widerspruch zur Dekolonisierung und Selbstbestimmung bis zur letzten Instanz und unbrauchbar für manche Anliegen der präsenten Indigenen.
Dieser offensichtliche Widerspruch wurde zusätzlich in einem Statement des Forum-Mitglieds Tove Søvndahl Gant aus Grönland manifest:
Tove Søvndahl Gant nahm zur Anfrage Stellung, weswegen Grönland nicht in der zugrundeliegenden Studie für die Session „Guiding principles for the implementation of Indigenous Peoples’ rights to autonomy and self-government (E/C.19/2024/3)“ – sie war Co-Autorin — inkludiert worden war. Tove rechtfertigte dies mit dem Argument, daß viele Indigene Grönlands die Unabhängigkeit von Dänemark anstreben würden und daher eine Inklusion in der Studie über Selbstbestimmung innerhalb des Nationalstaates unpassend sei. Demzufolge ist das in der UNDRIP verankerte, limitierende Selbstbestimmungsrecht für Grönland als ungenügend zu interpretieren.
Die Studie selbst ist durchaus interessant und stellt diverse Modelle samt inhärenter Vor- und Nachteile innerhalb verschiedener Staatsgefüge auf globaler Ebene vergleichend dar – alle kompatibel mit den Limitationen des Artikel 46 der UNDRIP, jedoch nicht mit den Ambitionen Indigener Völker Neukaledoniens, West-Papuas, Grönlands, Hawaiis oder Alaskas.
Der Verlauf der Session implizierte zahlreiche Statements Indigener Völker bezüglich mannigfaltiger Verletzungen des Selbstbestimmungsrechts aufgrund der übergeordneten Dominanz des Staates und dessen patriarchaler, hegemonialer Machtstrukturen.
Kein Selbstbestimmungsrecht aufgrund der Dominenz des Staates: Beispiel Aborigines / Australien
Neben den bereits erwähnten Übergriffen auf LTRs Indigener Völker — insbesondere im Rahmen der „Grünen Ökonomie“- reflektierte ein weiteres, konkretes Beispiel die inhärente Problematik im Machtgefüge von dominantem Nationalstaat und darin lebender Indigener Völker:
Maggie Night Williams von der Torres Straits Movement Organization erinnerte an „The Voice“, dem im Oktober 2023 stattfindenden Referendum zur Aufwertung und Bekräftigung der Aborigines und Torres Strait Islanders innerhalb der australischen Verfassung, sowie mittels der Gründung eines gleichnamigen, beratenden Gremiums. Dieses Gremium wäre von indigenen RepräsentantInnen Australiens selbst gewählt, hätte in sämtlichen Angelegenheiten Indigene betreffend beratende Funktion — jedoch kein Veto-Recht — und müsste sich im übergeordneten nationalen Gefüge Australiens unterordnen.
Dennoch, trotz dieser Kompatibilität im Rahmen des Nationalstaates entschied sich Australien in einer Wahl mehrheitlich gegen diese Initiative für mehr Selbstbestimmung und Partizipation der Aborigines und Torres Strait Islanders. Maggie Night Williams resümierte daher, dass das Selbstbestimmungsrecht Indigener Völker keinesfalls in den Händen von Nicht-Indigenen liegen dürfe.
Sas „S“ in „Indigenous PeopleS“
Der ehemalige US Botschafter und jetziges Forums-Mitglied Keith Harper (Cherokee) brachte dies auf dem Punkt:
„Wer ist in der Lage zu entscheiden? Indigene oder Nicht-Indigene? Indigene Regierungen oder Nicht Indigene Regierungs-Entitäten? Indigene Völker müssen gemäß dem im Völkerrecht verankerten Selbstbestimmungsrecht über ihre Angelegenheiten selbst entscheiden können, dies ist nicht diskutierbar.“
Er verwies auf den Jahrzehnte andauernden Kampf um letztendlich das „S“ in „Indigenous PeopleS“ anstatt „indigenous people“ durchzusetzen, als Völker anerkannt zu werden und folglich kollektive Rechte und Selbstbestimmung, anderen nicht-indigenen Völkern gleich, einzufordern.
Diese Stellungnahmen und Diskussionen manifestierten ein Spannungsfeld, welches inhärente Widersprüche offenlegte:
Zwar wurde die Vielfalt der Anwendbarkeit der UNDRIP mitsamt ihren kohärenten Artikeln klar evident, jedoch auch ihre ungenügende Eignung hinsichtlich sämtlicher Belange des Selbstbestimmungsrechts Indigener Völker verdeutlicht.
Obwohl diese fundamentale Widersprüchlichkeit vermutlich intendiert mangelhaft vom von UN-Strukturen geprägten Forum thematisiert wurde, war sie dennoch nicht zu leugnen.
Ein weiteres, essentiell mit dem Selbstbestimmungsrecht verwobenes Thema sorgte ebenso für einigen Gesprächsstoff innerhalb des diesjährigen Forum-Treffens:
Indigenous Peoples and Local Communities – der Status Indigener Völker und dessen Bekräftigung
Bereits zu Beginn der Session zur Selbstbestimmung sollte sich ein grundlegendes Problem offenbaren:
Die Einflussnahme mancher Staaten, wie etwa Indonesien, die sich innerhalb der UN und dessen Foren gegen die Partizipation einiger indigen-repräsentativer NGOs aussprachen und folglich deren Selbstbestimmungsrecht unterminieren wollten.
Die UNPFII-Vorsitzende Hindou Oumarou verwehrte sich jedoch standhaft und entschieden gegen jegliche staatliche Versuche, indigene RepräsentantInnen einzuschüchtern oder das Wort zu verbieten. Dennoch stellen Mechanismen wie das UNPFII leider Ausnahmen dar.
Letztlich sind Staaten innerhalb der Vereinten Nationen gegenüber Indigenen Völkern, welche lediglich höchstens einen konsultativen Status und/oder Beobachterstatus als NGOs aufweisen, stets überlegen und aufgrund ihrer territorialen Integrität beinahe unantastbar.
Wie Keith Harper obig erwähnt, haben Indigene Völker Jahrzehnte für ihre Anerkennung als kollektive Entitäten und insbesondere als „Peoples“ / „Völker“ gekämpft. Ihre individuellen und vor allem kollektiven Rechte wurden aufgrund ihres unnachgiebigen Engagements kontinuierlich bekräftigt und sind zumindest theoretisch nicht mehr ignorierbar oder gar zu negieren.
Innerhalb der Vereinten Nationen können sie als „indigene Organisationen“ hinsichtlich der für sie und durch sie geschaffenen drei Mechanismen
- „Permanent Forum on Indigenous Issues“,
- „Expert Mechanism on the Rights of Indigenous Peoples“ und
- im Dialog mit dem „Special Rapporteur on the Rights of Indigenous Peoples“
partizipieren
Bei den formalen Treffen des
- Human Rights Councils, des
- Economic and Social Councils oder gar der
- Generalversammlung
bleibt ihnen aber als nicht-staatliche Akteure der Zutritt verwehrt.
Sie können lediglich um Beteiligung an einer staatlichen Delegation, zumeist ihres dominanten Kolonialstaats ansuchen, oder sich als Beobachter im Rahmen einer NGO mit konsultativen Status akkreditieren.
Als Indigene Völker unter der Kategorie „Non-Governmental Organization“ subsumiert zu werden, stellt freilich eine absurde Regel für repräsentative, kollektive indigene Entitäten, darunter ebenfalls indigene Regierungen, dar.
Diese andauernde Diskriminierung besteht aufgrund der fortführenden kolonialen Machtstrukturen und der damit einhergehenden Tatsache, dass „Völker“ nicht mit „Staaten“ bzw. „Nationen“ gleichzusetzen sind, demzufolge Indigene Völker nicht als gleichwertige, selbstbestimmte, souveräne Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen wahrgenommen werden.
Leider bestätigen rezentere Entwicklungen erneut die Unterminierung des Status Indigener Völker und sorgten, wie bereits vereinzelt angedeutet, für Proteste unter Indigenen.
Zuletzt hatten sich die drei genannten UN-Mechanismen für Indigene Völker — das Permanent Forum, der Expert Mechanism und der Special Rapporteur — in einer gemeinsamen Erklärung erneut vehement gegen die Vermengung und zusammenfassenden Kategorisierung von „Indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften“ ausgesprochen.
Wie erwähnt, lehnten diese gemeinsame Kategorisierung der Global Indigenous Peoples Caucus, die Forums Vorsitzende Hindou Oumarou und die Indigenous Peoples Youth Caucus Vorsitzende Makanalani Gomes — stellvertretend für die indigene Jugend — gleichermaßen innerhalb des UNPFII Meetings nachdrücklich ab.
Die gemeinsame Kategorisierung von „Indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften“ hat insbesondere vermehrt im Rahmen der Sitzungen der CBD (Convention on Biological Diversity) und der UNFCCC (Framework Convention on Climate Change) Einzug gefunden. Diese Gleichsetzung unterminiert allerdings das Selbstbestimmungsrecht Indigener Völker und ihren speziellen, kollektiv-rechtlichen Status, der sie eindeutig von „lokalen Gemeinschaften“ und Minderheiten unterscheidet.
Die Priorisierung und Aufwertung des Terminus „Indigene Völker“ und der daraus resultierende, legitimierte Status muss folglich als dringend prioritär erachtet werden.
Die Rolle des „Indigenous Coordinating Body (ICB)“ — staatsnahe versus Grassroots-Organisationen
Einige beherzte indigene Individuen versuchen seit vielen Jahren den Status Indigener Völker innerhalb der UN aufzuwerten und interne Strukturen zugunsten der Indigenen zu transformieren. Insbesondere seit den Vorbereitungen zum „UN High Level Plenary Meeting“ — der sogenannten „Weltkonferenz über Indigene Völker“ — ein im Jahre 2014 stattgefundenes, hochkarätiges UN-Treffen, haben derartige Bestrebungen sich wieder bekräftigt.
Die indigenen Individuen gründeten den „Indigenous Coordinating Body (ICB)“ und konnten innerhalb des UN Systems gewisse Fortschritte zur Aufnahme des Themas „Enhancing the Status of Indigenous Peoples within the UN — Bekräftigung des Status Indigener Völker“ verzeichnen. Sowohl Prozesse innerhalb des Human Rights Councils als auch innerhalb des Economic and Social Councils konnten erfolgreich etabliert werden.

Informeller Event zum Status Indigener Völker: Prof. Claire Charters (Maori) beim 23. Treffen des UN Permanent Forum on Indigenous Issues (UNPFII) — New York, 2024
Beim diesjährigen UNPFII Meeting standen einige Sideevents, formelle und informelle Treffen im Zeichen dieses thematischen Fokus, teilweise auch mit der Partizipation hochrangiger UN-Diplomaten. Als Mindest-Ziel wurde der permanente Beobachter-Status in allen UN Gremien – auch innerhalb der UN Generalversammlung unter einer eigenen Kategorie „Indigene Völker“, unabhängig von NGOs, formuliert und diskutiert.
Grundsätzlich ist dieses ambitionierte Vorhaben des ICB selbstredend begrüssenswert. Eine Bekräftigung des Status Indigener Völker im internationalen Rahmen stellt letztlich einer der originären Forderungen der internationalen indigenen Bewegung seit ihrem Bestehen innerhalb der Vereinten Nationen dar und ist im direkten Zusammenhang mit ihrem Selbstbestimmungsrecht zu assoziieren.
Fraglich bleibt jedoch, ob das ICB das geeignete Gremium hierfür darstellt und die mühsamen Prozesse zu diesem Zwecke sich letztendlich als zielführend gestalten werden. Wie erwähnt setzt sich das ICB aus im UN System etablierten indigenen Individuen zusammen. Diese haben sich aber bereits in der Vergangenheit nicht immer als frei von Kontroversen präsentiert.
So sorgten beispielsweise unterschiedliche Auffassungen zur Planung der erwähnten, sogenannten „UN Weltkonferenz über Indigene Völker“, die zuvor ursprünglich als „Weltkonferenz von Indigenen Völkern“ geplant war, 2014 für Zwistigkeiten und resultierten sogar in einem massiven Bruch zwischen Indigenen VertreterInnen.
Viele Indigene wollten die Vereinnahmung „ihrer“ Konferenz durch Staaten, hierarchische UN-Strukturen und damit begleitenden, stark limitierenden, staatlich-determinierten Partizipationsrechten nicht akzeptieren und boykottierten die Konferenz. Der Großteil der jetzigen ICB Mitglieder hatte damals jedoch keine Probleme mit den staatlich aufoktroyierten Bedingungen.
So waren auch diesmal staatsnahe indigene Entitäten, wie etwa der durch die USA gegründete „Congress of American Indians“ besonders an den Sideevents des ICB interessiert. Leider ist eine Priorisierung derartiger staatsnaher, repräsentativ-indigener Entitäten über traditionelle Regierungen und indigene Grassroots-Organisationen nicht auszuschließen, sondern muss sogar befürchtet werden.
Folglich wären kolonial-basierende indigene Entitäten möglicherweise bevorzugte Entscheidungsträger über altbewährte, prestigeträchtige, kollektive indigene Grassroots-Bewegungen und traditionelle Regierungen. Um diesem Anschein entgegenzuwirken, organisierte das ICB Sideevents mit dem Tsilqoten-Chief Joe Alfons und Tsilqoten-JugendvertreterInnen. Die Tsilqoten sind eine First Nation in British Columbia (Kanada), die ihren „Aboriginal Title“, ihre kollektive Identität und begleitende territoriale Rechte vor dem Obersten Gerichtshof Kanadas erfolgreich durchsetzen konnte. Es war ein kluger Schachzug des eher staatskonformen ICB offizielle Repräsentanten von eben diesem starken und traditionellen Indigenen Volk einzuladen.
Ein bekräftigter Status Indigener Völker innerhalb der UN ist zweifelsfrei von höchster Relevanz, könnte sich aber als kompliziert und problematisch erweisen, wenn es um Modalitäten und insbesondere um die legitime Repräsentanz eines Indigenen Volkes geht. Ob diese rezenten Prozesse tatsächlich zum gewünschten Erfolg gleichberechtigter Partizipation Indigener Völker, insbesondere von traditionellen kollektiven indigenen Entitäten führt, bleibt abzuwarten und sollte kritisch beobachtet bleiben.

Prof. Valmaine Toki (Maori), Vorsitzende des UN Expert Mechanism on the Rights of Indigenous Peoples, UN Special Rapporteur on Indigenous Peoples, José Francisco Calí Tzay (Cakchiquel — Maya) und die UNPFII Vorsitzende Hindou Oumarou (Mbororo)
Fazit
Trotz permanenten Gegenwinds seitens der Nationalstaaten konnten Indigene Völker erfolgreich ihren Status als kollektive Entitäten innerhalb der Weltgemeinschaft etablieren.
Rechte Indigener Völker haben als Teil des Völkerrechts ein stabiles Fundament und sind zumindest theoretisch nicht mehr zu negieren. Diese positive Entwicklung kumulierte in der Annahme der Deklaration (UNDRIP) zurecht als Meilenstein.
Die UNDRIP wurde als Mindeststandard formuliert, als Basis für jegliche Beziehungen zwischen Indigenen Völkern und anderen, zumeist staatlichen Akteuren. Viele Staaten interpretieren hingegen die UNDRIP und deren Umsetzung als maximal zu erreichendes Ziel, nicht als Mindestanforderung. Zudem limitiert Artikel 46 das Selbstbestimmungsrecht Indigener Völker und priorisiert die staatliche Territorialität.
Das diesjährigen UNPFII-Treffen erfüllte seine Aufgabe als kritisches Forum in vielerlei Hinsicht – sowohl bezüglich einer geeinten, deutlichen Gegenposition zu alten Ausbeutungsformen in neuem Gewand:
- „Grüner Ökonomie und Energiewende“, als auch bezüglich der
- klaren Ablehnung des Terminus „Indigene Völker und lokale Gemeinschaften“.
Es enttäuschte allerdings hinsichtlich des zentralen Themas „Selbstbestimmungsrecht“, indem es selbiges ausschließlich im Rahmen der UNDRIP interpretierte und folglich Indigene Völker Neukaledoniens, West Papuas oder Hawaiis, u.a., eine ungenügende Plattform für ihre Anliegen bot.
Zwar wurde die Vielfalt der Anwendbarkeit der UNDRIP mitsamt ihren kohärenten Artikeln manifest, jedoch auch ihre stark begrenzte Eignung hinsichtlich weiterführender Belange des Selbstbestimmungsrechts und der Dekolonisierung Indigener Völker.
Die Prozesse des ICB zur Bekräftigung des Status Indigener Völker innerhalb der Vereinten Nationen können bisweilen als positive Errungenschaft interpretiert werden, birgen jedoch Gefahren bezüglich der Vereinnahmung durch staatsnahe und von staatlichen Akteuren gegründeten kollektiven Entitäten und der möglichen Abwertung von indigenen Grassroots-Organisationen und traditionellen Regierungen.
Hierzu soll ein Joint-Statement des Indigenous Amazigh Community Network AZUL gemeinsam mit der Feminist Land Platform die zugrunde liegende Problematik nochmals abschließend verdeutlichen:
„Das Recht auf Selbstbestimmung stellt sich als äußerst kompliziert dar, oftmals bleibt es uns verwehrt. Wie können wir also etwas bekräftigen, dass wir erst einfordern müssen? Und wie sind wir in der Lage, dies unter der Dominanz kolonialer und neo-kolonialer Regeln zu realisieren?“
Diesen Widerspruch konnte das diesjährige UNPFII-Meeting leider nicht lösen.
Gawan Maringer
© alle Fotos: Gawan Maringer
Foto rechts (von links nach rechts):
Künstlerin und indigene Aktivistin Fenmei,
Chief Gary Harrison, (Chickaloon Village, Alaska),
Gawan Maringer, New York 2024
